Immer weniger junge Menschen trinken regelmäßig Alkohol, ergab eine Umfrage. Warum ist das so? Wir haben mit zwei Studierenden gesprochen.
„Ich bekomme viel mehr von mir mit“Zwei Kölner Studierende erzählen, warum sie nur noch wenig Alkohol trinken
Es sei ein befremdliches Gefühl, eine unschöne Situation, wenn alle um einen herum immer betrunkener werden. So beschreibt es Franka Höfler, wenn sie über einen typischen Abend beim Vorglühen mit ihren Freunden in Köln spricht.
„Alle standen rum und es ging wirklich nur darum, Alkohol zu trinken. Eine Freundin, die ich vorher noch nie alkoholisiert erlebt habe, war ganz anders als sonst, auf einem ganz anderen Level als ich.“ Denn die 19-Jährige ist nüchtern geblieben. Auf einem Event, dessen Name schon nahelegt, dass es darum geht, möglichst betrunken zu werden, verzichtet die 19-Jährige bewusst auf Alkohol.
Umfrage der BZgA: Junge Menschen trinken immer weniger Alkohol
Und damit ist die Kölner Studentin nicht allein, denn nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) trinken immer weniger Menschen zwischen 18 und 25 Jahren Alkohol. Lag der Anteil dieser Altersgruppe, die regelmäßig, also mindestens einmal in der Woche, Alkohol trinkt im Jahr 2004 noch bei 43,6 Prozent, sind es aktuell 32 Prozent.
Doch warum wollen immer mehr junge Menschen anscheinend immer weniger Alkohol trinken? „Der gesellschaftliche Trend geht zu einem verantwortlicheren Umgang mit Alkohol. Mittlerweile wird über die vielen Risiken eines unkritischen Alkoholkonsums gesprochen. Immer mehr Menschen hinterfragen ihren Umgang mit Alkohol, verzichten zeitweise ganz auf Alkohol, um das eigene Konsumverhalten auf den Prüfstand zu stellen“, sagt Michaela Goecke, Abteilungsleiterin für Themenspezifische gesundheitliche Aufklärung bei der BZgA.
Doch es gibt noch weitere Gründe: „Ich mag den Zustand des Betrunkenseins nicht, und ich mag es auch nicht, die Kontrolle über mein Verhalten zu verlieren“, sagt Franka Höfler, die im ersten Semester Sozialwissenschaften an der Uni Köln studiert.
Bewusst wahrnehmen wie man sich verhält, ist auch für Mattes Wiegmann, Jura-Student im ebenfalls ersten Semester und ein guter Freund von Höfler, einer der Hauptgründe, immer weniger Alkohol zu trinken. „Ich bekomme viel mehr von mir, aber auch von meinen Mitmenschen mit“, sagt der 19-Jährige.
Kölner Studentin hat schon früh Erfahrung mit Alkohol gemacht
Das Gefühl, wie es ist, betrunken zu sein, kennen beide trotzdem. Bereits mit 14 Jahren hatte Franka Höfler für rund zwei Jahre eine „krasse Partyphase.“ Alkohol habe sie in dieser Zeit viel zu viel getrunken, erzählt die gebürtige Berlinerin. „Einmal hatte ich auch einen richtig unschönen Absturz“, sagt die 19-Jährige heute, während sie mit einer Maracuja-Schorle in der Hand auf dem Sofa der Wohngemeinschaft sitzt.
Trotzdem gab es für sie nicht den einen Tag, an dem sie bewusst aufgehört hat, sondern „wir saßen jeden Tag an einem Fluss und haben Bier getrunken und Gras geraucht, irgendwann fand ich das einfach langweilig.“
Mit dem Freundeskreis hat sie sich seltener getroffen. Als dann nach dem Abitur Corona kam und es keine Möglichkeit gab, in Clubs oder auf Festivals zu gehen, habe sie gemerkt, dass sie ihre Zeit sowieso ganz anders verbringen will – und eben nicht mit einem Kater am Wochenende.
Doch gerade im Studium gibt es immer wieder Anlässe und Events, die häufig zum Alkohol trinken verführen. Anlässe, an denen man dann ruhig mal mittrinken kann, sagt Mattes Wiegmann. „Gerade am Anfang des Studiums kann man Leute so leichter kennenlernen, und es haben ja auch alle Alkohol getrunken.“ Jetzt trinke er aber kaum noch mit. Doch der gebürtige Hamburger kenne kaum jemanden in Köln, der keinen Alkohol trinkt.
Eine Tatsache, die er durchaus nachvollziehen kann: „Alkohol ist immer noch ein Weg, um cool zu sein, aber nur, weil man seine Unsicherheiten betäubt“, sagt der 19-Jährige. Zumindest für einen Moment ist man extrovertierter, offener und vielleicht auch lustiger. Bei Anlässen wie dem Semesterstart also anscheinend genügend Argumente für viele junge Menschen, um auch mal einen über den Durst zu trinken – um gemocht zu werden.
Gruppenzwang habe Wiegmann dabei aber nicht gespürt, doch es gibt ihn immer noch, sagt Michaela Goecke: „Insbesondere junge Menschen orientieren sich häufig am Verhalten in ihrer Peer-Group – auch im jungen Erwachsenenalter spielt der Freundeskreis eine große Rolle. Wenn es in der Peer-Group normal ist, bei sozialen Events viel Alkohol zu trinken, dann entsteht leicht ein Gruppendruck, dem man sich nicht so ohne weiteres entziehen kann.“
Franka Höfler und Mattes Wiegmann sind mit ihren Einstellungen zwar keine Außenseiter, aber nachdem Alkohol in der Gesellschaft als normal angesehen wird, schon etwas Besonderes – und für Alkoholtrinker wahrscheinlich sogar etwas langweilig. „In meinem Freundeskreis in Köln wird es akzeptiert, aber ich habe schon den Ruf, dass man mir eh keinen Alkohol mehr anbieten muss.“
Und auch viele Kölner Bars und Clubs haben sich mit speziellen alkoholfreien Getränken auf die Menschen, die weniger Alkohol trinken wollen, eingestellt. Trotzdem gibt es auch mal Tage, an denen Franka Höfler dann doch Lust hat, einen mitzutrinken, „weil den Geschmack von Bier mag ich eigentlich ganz gerne.“