AboAbonnieren

Tagebaugebiet als KulisseFilm „Zu weit weg“ von Kölner Autorin mehrfach ausgezeichnet

Lesezeit 4 Minuten
ZU WEIT WEG_12 © Weydemann Bros. GmbH _Monika Plura

Blutsbrüder: Ben (Yoran Leicher, l.) und Tariq (Sobhi Awad)

Köln – Der Anblick der riesigen Braunkohletagebaugebiete im Kölner Westen hat etwas Archaisches: Stahldinosauriern gleich fressen sich gigantische Schaufelbagger in die Landschaft. Eine Kinokulisse mit Endzeitstimmung. „Die Vorstellung, dass ganze Dörfer verschwinden, hat mich sehr beschäftigt“, sagt die Kölner Autorin Susanne Finken (54), die das Drehbuch für den Kinder- und Jugendfilm „Zu weit weg“ geschrieben hat. „Du kommst in eine komplett intakte Ortschaft wie Manheim, und sie ist menschenleer. Das ist schon krass.“

Der Film erzählt die Geschichte des zwölfjährigen Ben (Yoran Leicher), dessen Heimatdorf dem Braunkohletagebau weichen musste und der mit seiner Familie in Düren landet. Dort wird das „Landei“ von den Mitschülern gehänselt und auch im Fußballverein läuft es nicht so, wie erwartet. In der Schule und auf dem Sportplatz trifft Ben auf Tariq (Sobhi Awad), ein unbegleitetes Flüchtlingskind aus Syrien, vom Krieg traumatisiert. „Ein Bekannter, der mit 13 Jahren aus dem Iran geflüchtet war, hat mir seine Geschichte erzählt“, sagt Finken, „von Kindern, die im Bürgerkrieg über Minenfelder laufen mussten, und nur wer Glück hatte, überlebte. Das war heftig.“

2019-12-03_ZUWW_Plakat_A4_300dpi

Nach Jahren hätten sich die Themen in ihrem Kopf überlagert, und sie habe angefangen, die Geschichte der beiden ungleichen Heranwachsenden zu schreiben, die eines eint: Sie haben ihre Heimat verloren. „Heimat ist für Kinder da, wo man dich mag“, sagt die Autorin, die sehr einfühlsam beobachtet, wie die Jungs sich annähern und die dem Film einige, auch dank der tollen Hauptdarsteller, sehr berührende Szenen schenkt. Etwa wenn Ben bei einem heimlichen Ausflug den neuen Freund mit in die alte Heimat nimmt, und die beiden nachts am Lagerfeuer „Der Mond ist aufgegangen“ singen.

Alles zum Thema RWE

RWE erlaubt Dreh im Sommer 2018

Gedreht wurde im Sommer 2018 mit Erlaubnis von RWE, für die Nachtszenen musste man allerdings improvisieren, denn eigentlich sind die Sperrzonen wie Immerath, wo Bens altes Haus stand, von 17 bis sechs Uhr tabu. „Ich glaube, die waren so mit dem Hambacher Forst beschäftigt“, sagt Susanne Finken grinsend, „die haben uns einfach vergessen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Den Fußball nutzt die Drehbuchautorin als verbindendes Element: „Mein Sohn war in dem Alter total vernarrt in Fußball. Durch das gemeinsame Spiel kommst du, egal wo auf der Welt, leichter in Kontakt zu anderen . Und der Sport ist eine schöne Metapher für Gewinnen, für das, was man gemeinsam erreichen kann.“ Für den Filmdreh sei das allerdings schwieriger, weil aufwendiger gewesen. „Die Kinder für die Spielszenen kamen von der TFG 1878 Nippes, ein Berater half bei Tariqs Trick.“ 42 Drehtage gab es für „Zu weit weg“, das Regiedebüt von Sarah Winkenstette , das von der Ehrenfelder Produktionsfirma Weydemann Bros. (auch verantwortlich für Filme wie „Systemsprenger“) mit Unterstützung der Film- und Medienstiftung NRW produziert wurde.

Obwohl Köln im Film gar nicht vorkommt, wurden hier einige Szenen aufgenommen: Am Herder-Gymnasium in Buchheim, im Sportpark Höhenberg oder in einer Neubausiedlung in Esch/Auweiler. Auchdie Musiker von Kasalla sind beteiligt, allerdings nur akustisch: für eine Party-Szene stellten sie den Song „Stadt met K“ zur Verfügung.

„Zu weit weg“ bereits mehrfach ausgezeichnet

Der Film wurde mittlerweile mehrfach ausgezeichnet, darunter beim renommierten Filmfestival „Schlingel“ in Chemnitz, beim Zürich Film Festival oder beim indischen SIFFCY-Festival in Neu Delhi. Das Goethe-Institut hat Untertitel für alle nicht-asiatischen Weltsprachen finanziert und setzt den Film weltweit ein.

22072020finken003

Autorin Susanne Finken mit Filmpreisen

Susanne Finken, die seit vielen Jahren in Weiß lebt, stammt aus Ludwigshafen und hat Theaterwissenschaften und Amerikanistik in München und Wien studiert, bevor sie als Theaterdramaturgin in Mannheim und Innsbruck arbeitete. Ihr erster Film „Hüter meines Bruders“ lief auf der Berlinale 2014. 2018 erschien ihr Weihnachtsmärchen „Lakritz in Lappland“, das mit Rufus Beck und Christoph Maria Herbst auch als Hörbuch eingelesen wurde. Derzeit schreibt Finken mit Carlos Morelli, einem Regisseur aus Uruguay, an einer neuen Serie.

Wichtig ist der Mutter von zwei Söhnen das begleitete Sehen für Kinder: „Vor allem für die Kleineren ist es oft sehr schwer, zwischen Lebensrealität und Fiktion zu unterscheiden. “ Ob Ben und Tariq echt befreundet seien, wäre eine typische Kinderfrage. Deshalb gibt es zu „Zu weit weg“auch ausführliches filmpädagogisches Begleitmaterial für Schulen. Für den Film, der just zum Shutdown in den Kinos hätte anlaufen sollen, hofft sie, das er noch das breite Publikum bekommt, das er zweifellos verdient.

„Zu weit weg“ (Dauer: 88 Minuten) läuft im Odeon-Kino, Severinstr. 81, Köln, an diesem Wochenende, 25. und 26. Juli, jeweils um 14.30 Uhr. Filmpädagogisches Begleitmaterial für Schulen unter

www.zuweitweg.de

www.visionkino.de