Kölner Dom-GeheimnisWarum sich hinter zwei Monstranzen ein Krimi verbirgt
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Den Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölnerinnen und Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
In dieser Folge spricht Schock-Werner über zwei Monstranzen aus der Domschatzkammer, die 1975 einem spektakulären Raub zum Opfer fielen – von „Bloody Mary“ aber wieder zurück nach Köln geholt worden sind.
Köln – In dieser Serie möchte ich Ihnen gelegentlich einige Prunkstücke der Domschatzkammer vorstellen. Und womit könnte ich besser beginnen als mit der frühbarocken Prunkmonstranz von Erzbischof Maximilian Heinrich? Sie ist aus reinem Gold, geschaffen 1657/58 von dem Kölner Goldschmied Christian Schweling. Dank der Fülle der Edelsteine kommt dieses seltene Exemplar aus der Reihe der Prunk- oder Juwelenmonstranzen ohne allen figürlichen Schmuck aus.
Monstranzen sind Schaugefäße, in denen die geweihte Hostie vorgezeigt wird. Außerdem werden sie für den eucharistischen Segen benutzt, bei dem mit der Monstranz das Kreuzzeichen über die Gläubigen geschlagen wird. Für meinen Geschmack hat im konkreten Fall die barocke Pracht von allem ein bisschen „too much“.
Fast besser gefällt mir deshalb die etwa 100 Jahre später entstandene „Strahlenmonstranz“ des Domschatzes. Auch sie ist reich verziert, unter anderem mit Diamanten, setzt aber mehr auf die Dynamik der allerfeinsten Goldschmiedearbeiten mit ihren Rocaillen und dem stark bewegten Blatt- und Muschelwerk sowie den Figuren. Für den Dom ist sie besonders wichtig: Zur „Ewigen Anbetung“, vor allem aber an Fronleichnam, ist sie immer noch in Gebrauch.
Aber besser sollte ich wohl sagen: Sie ist wieder in Gebrauch. Denn vor mehr als 40 Jahren, beim spektakulären Schatzkammer-Raub am 1. November 1975, gingen sowohl die Strahlen- als auch die Prunkmonstranz verloren. Doch zum Glück für den Dom hatten die Räuber das Pech, es mit „Bloody Mary“ zu tun zu bekommen. Das war der Spitzname, den die Unterwelt der legendären Maria Therese Mösch gegeben hatte, der ersten Staatsanwältin im Oberlandesgerichts-Bezirk Köln überhaupt.
Bloody Mary kannte und verfolgte sie alle, die berüchtigtsten Kölner Ganoven von „Dummse Tünn“ bis „Schäfers Nas“. Und sie setzte sich mit einer eigens eingerichteten Sonderkommission sowie der Hilfe von Interpol auch auf die Spur der Domschatz-Räuber, denen bei ihrem Beutezug Juwelen und liturgische Geräte im Wert von – damals – mehreren Millionen Mark in die Hände gefallen waren. 1976 konnte Mösch das Trio und Teile des Raubguts im damaligen Jugoslawien ausfindig machen. Der entscheidende Tipp, hieß es, kam aus der Szene. Die ausgelobte Belohnung von staatlichen 50.000 Mark wird da sicher eine Rolle gespielt haben, aber auch eine Art Ehrenkodex unter Kriminellen: Den Dom beklaut man nicht!
Mösch brachte die Räuber des Domschatzes für ein paar Jahre hinter Schloss und Riegel. Als ich sie etliche Zeit danach traf, sagte sie über den Haupttäter: „Jetzt sitzt er in Aachen. Nach seinem nächsten Coup haben sie ihn auch wieder erwischt.“
Mit ihrer Beute waren die Räuber ziemlich rücksichtslos umgegangen. Die Prunkmonstranz hatten sie zerlegt und das Gold an einen Zahnarzt verkauft. Die Steine mit den Fassungen und einige emaillierte Metallteilen wurden aber sichergestellt, und weil die noch unversehrte Monstranz zuvor in einem Studienprojekt mit dem Fotogrammetrie-Verfahren, einer in der Architektur für räumliche Aufnahmen praktizierten Technik mit Doppelkameras, genauestens dokumentiert worden war, konnte unser Goldschmied-Restaurator Peter Bolg sie 1978 bis 1987 rekonstruieren.
Um weitere Diebstahl-Versuche zu vereiteln, wurden die Sicherheitsmaßnahmen in der neuen Domschatzkammer deutlich verstärkt. Wie konkret sich das auf die Arbeit in meiner Zeit als Dombaumeisterin auswirkte, das erzähle ich Ihnen in der nächsten Folge von „Geheimnis Dom“.