Die Shakespeare Company Coelln will mit der Inszenierung „Goethes Faust 1+2“ ein breites Publikum erreichen und geht dafür an unterschiediche Orte.
„Die Erzengel stehen dann eben am Zapfhahn“Kölner Ensemble spielt „Faust“ in der Bar Zum Scheuen Reh
„Wir wollen das Theater da hinbringen, wo die Menschen sind“, sagt Nico Feiden. Er ist Regieassistent bei der Shakespeare Company Coelln, die ihre neue Inszenierung „Goethes Faust 1+2“ fernab der herkömmlichen Bühnen in die Kneipe bringt. Nach der Open-Air-Premiere im Altenberger Hof in Nippes mit 350 Gästen führt das Ensemble das Stück am 28. August im „Zum Scheuen Reh“ am Westbahnhof auf.
„Die Zeiten haben sich verändert, die freie Szene hat es schwer, Produktionen auf die Beine zu stellen. Früher war Theater der Mittelpunkt des Lebens, vielleicht ist der neue Mittelpunkt die Bar“, so Feiden. Die Karten für rund 50 Gäste waren dann auch schnell vergriffen, erzählt Regisseur Hans-Peter Speicher, der das Ensemble vor 15 Jahren gegründet hat und seitdem in erster Linie Stücke von Shakespeare inszeniert. „Doch auch wir Shakespeare-Ensembles brauchen mal eine Abwechslung“, so der Regisseur. Daher nun der deutsche Klassiker.
Regisseur wünscht sich trotzdem echte Theaterpremiere
Die Idee, mit dem Stück ein neues Publikum zu erschließen, war erfolgreich, doch Magenschmerzen habe er bei der Kneipen-Fassung dennoch.„Requisiten wie die Couch, eine Schiffskiste, einen Kühlschrank und eine Badewanne können wir nicht mitnehmen: Wir werden das benutzen, was da ist“, so Speicher, der vor seiner Rente 25 Jahre lang bei der Caritas Theater mit Geflüchteten gemacht hat. „Da stehen dann die drei Erzengel eben nicht auf der Wolke, sondern am Zapfhahn.“
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Und die Leute säßen dann mittendrin und drumherum. Eine echte Theaterpremiere auf der Bühne wünscht sich der Regisseur dennoch. „Damit ich meine Fassung mit den Projektionen und der Musik auch umsetzen kann.“ Man mache aus der Not eine Tugend, sagt Schauspieler Noah Khelifi.
Der 25-Jährige spielt den jungen Faust und ist seit 2015 im Ensemble. „Natürlich wollen wir in die urbanen Räume, andererseits kommen wir als Ensemble ohne festes Haus nicht so einfach in die Theater“, so Khelifi.
Bei der Shakespeare Company Coelln hat das Ensemble großes Mitspracherecht. Sie nennen es „Werkstattcharakter“. „Jeder kann intervenieren und bis zu einem gewissen Punkt Regie führen“, sagt Feiden. Auch beim Faust durfte das Ensemble mitentscheiden. „Jeder Schauspieler und jede Schauspielerin durfte sich die zehn Zeilen sichern, bei denen das Herz am meisten blutet“, sagt Speicher.
Denn im vergangenen Jahr hat der Regisseur den Goethe’schen Text von zwölf Stunden Spielzeit auf rund zwei Stunden heruntergekürzt. „Es tut einem bei jeder Zeile weh.“ Einen Monat hat er gebraucht, um sich durch den teilweise schwer verständlichen Text durchzuarbeiten. Er hat die Sprache deutlich modernisiert, Metrik und Reime jedoch beibehalten.
Thematisch hat er vor allem das herausgepickt, woran die Menschen auch heute noch anknüpfen können: Neben der Haupthandlung mit Faust, der den Pakt mit Mephisto eingeht und sich in Gretchen verliebt, auch die enthaltene Kritik an der Kirche und die in Faust II thematisierte Erfindung der Geldscheine.
Viele Zitate aus Goethes Faust sprichwörtlich geworden
„,Die Kirche hat einen guten Magen / Hat ganze Länder aufgefressen / Und doch noch nie sich übergessen; / Die Kirch’ allein, meine lieben Frauen / Kann ungerechtes Gut verdauen.‘ Ist das nicht herrlich? Solche witzigen Stellen wollte ich dem Publikum geben“, sagt Speicher. Nur den ersten Faust-Monolog hat er nicht angerührt. „Da kann jeder mitbeten, wenn er dann sagt ‚Da steh ich nun ich armer Tor / Und bin so klug als wie zuvor!‘“
Dass so viele Zitate aus dem Klassiker sprichwörtlich geworden sind oder zumindest bekannt („Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust“), war Schauspieler Marco Sprinz, der Mephisto spielt, nicht bewusst. „Ich habe den Faust in der Schule nicht gelesen. Es ist sehr spannend, wie groß der Einfluss auf die deutsche Sprache ist.“
Renate Fuhrmann, pensionierte Schauspielerin, die vierzig Jahre auf der Bühne des Kölner Schauspiels stand, hat „Faust I und II schon rauf und runter gespielt“. Sie hat die Rolle der Marthe, der griesgrämigen Nachbarin von Gretchen. Fuhrmann stellt fest, dass die zwischenmenschlichen Dynamiken, die Goethe schildert, auch heute denkbar sind. „Die Marthe ist so böse, sie ist älter und zurückgeblieben, und beneidet die jungen Mädchen, die einen Freund haben. Ein Zitat ist: ‚Kriegt sie ihn, soll's ihr übel gehen.‘ Das ist so böse und auf den Punkt, da hat sich nicht viel geändert heute.“
„Goethes Faust 1+2“ im Scheuen Reh ist ausverkauft, findet am Samstag, 19. Oktober um 20 Uhr jedoch nochmal in der Kirche St. Michael am Brüsseler Platz statt. Tickets kosten 20 Euro, 15 Euro ermäßigt und gibt es auf rausgegangen.de.