Anwohner klagen dagegen, sich am Brüsseler Platz nachts nicht mehr aufhalten zu dürfen. Im Rat findet ein ganzjähriges Verweilverbot keine Mehrheit.
Mehrere Klagen gegen Stadt KölnKeine Ratsmehrheit für dauerhaftes Verweilverbot am Brüsseler Platz

Die Stadt will das Verweilverbot auf dem Brüsseler Platz verschärfen. Doch dafür gibt es keine Mehrheit im Rat.
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Detlev Wiener weiß, wovon er spricht, wenn es um den Brüsseler Platz geht. Wiener hat schon vor mehr zehn Jahren ein Mediationsverfahren geführt, es sollte zu mehr Ruhe für die Anwohnerinnen und Anwohner führen. Doch letztlich führte der Vermittlungsversuch nicht zu weniger Lärm an warmen Abenden, laut Stadt besteht das Problem seit 2005.
Einige Anwohner fühlten sich durch den Lärm am Abend und in der Nacht gestört, klagten dagegen und bekamen vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) im September 2023 recht. Die Stadt muss demnach mehr tun, um die Gesundheit der Menschen zwischen 22 und 6 Uhr zu schützen.

Der Brüsseler Platz ist ein beliebter Treffpunkt.
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Doch schon am Tag des Urteils, am 28. September 2023, sagte Wiener: „Ich glaube nicht, dass es möglich sein wird, eine Lösung zu finden, um rund um den Platz Frieden zu schaffen.“ Das ist eineinhalb Jahre her, es lässt sich sagen: Wiener hat bisher Recht behalten.
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Am Brüsseler Platz geht es weiter um die ganz großen Fragen einer Stadt wie Köln: Wo ist ein Nachtleben möglich? Wo ist ein ruhiger Schlaf zu bekommen? Was ist wichtiger? Wie wollen Menschen in einer Millionenstadt leben, und zwar junge wie alte mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen? Vor dem Jahr 2025 war ein Verweilverbot am Brüsseler Platz nur während der Corona-Pandemie im Mai 2020 möglich: Ist diese Ausnahmesituation jetzt das neue Normal?
Richterin sieht unzureichende Maßnahmen
Zwar wehrte sich die Stadt gegen das OVG-Urteil noch vor dem Bundesverwaltungsgericht, scheiterte aber. Deshalb steht seit September 2024 fest: Wie bisher geht es nicht weiter, OVG-Richterin Annette Kleinschnittger hatte damals gesagt: „Die bisherigen Maßnahmen der Stadt sind evident unzureichend. Wir sagen Ihnen nicht, was Sie zu tun haben, aber wir sagen Ihnen, dass Sie etwas zu tun haben.“
Und das tut die Verwaltung jetzt und bezieht sich auf das OVG-Urteil, das unter anderem ein Verweilverbot als Option nannte. Seit dem 7. Februar dürfen sich Menschen vorübergehend rund um die Kirche St. Martin zwischen 22 und 6 Uhr nicht aufhalten – dies gilt aber nur freitags, samstags und vor Feiertagen.
Strafen von bis zu 1000 Euro
Das hat die Stadt per Verfügung durchgesetzt, deshalb gelten die Regeln zunächst nur vorübergehend und es braucht kein Votum des Stadtrates. Wer doch auf dem Platz stehen bleibt, riskiert eine Strafe zwischen 500 und 1000 Euro. Das ist die neue Realität auf einem zentralen Innenstadt-Platz.
Doch ob das seit 7. Februar geltende vorübergehende Verbot rechtens ist, müssen Gerichte klären. Denn es existieren mehrere Klagen dagegen, wie ein Sprecher der Stadt bestätigte. Er teilte mit: „Gegen die von der Stadt Köln ergriffene Maßnahme am Brüsseler Platz (Verweilverbot) sind derzeit drei Klagen und zwei Eilverfahren anhängig. Sie sind darauf gerichtet, das Verweilverbot wieder aufzuheben.“
Keine Mehrheit im Rat
Grüne (27 von 90 Sitzen), CDU (20) und SPD (19) kündigten am Donnerstag zwar an, dieses Verweilverbot am Wochenende und vor Feiertagen nicht abzulehnen – aber eben die Ausweitung auf jeden Tag im Jahr. Genau dieses Vorhaben hatte die Verwaltung aber am 14. März mitgeteilt, weil es am Brüsseler Platz nachts weiter zu laut ist.
Doch die Verwaltung braucht für diese Ausdehnung auf das ganze Jahr die Zustimmung des Rates, er soll am 3. April entscheiden. Und es gibt keine Mehrheit. Der Vize-Fraktionschef der Grünen, Manfred Richter, sagte: „Die Grünen im Kölner Rat lehnen ein derart umfangreiches Verweilverbot ab.“
CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau sagte: „Das kommt für uns nicht infrage.“ Pascal Pütz, SPD-Mitglied im Ausschuss für Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen (AVR), sagte: „Die SPD wird diesen Alleingang der Verwaltung nicht mittragen.“
Hunderte versammeln sich
Die Stadtverwaltung selbst hat ja die Frage aufgeworfen, wie zeitgemäß ein solches Verweilverbot ist. Auf ihrer Internetseite zum Brüsseler Platz heißt es über die Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr: „Eine Änderung dieser Zeiten müsste in Politik und Gesellschaft diskutiert werden. Eine Änderung des Landes-Immissionsschutz-Gesetzes kann nur auf Landesebene herbeigeführt werden.“
Dass die Stadt darauf drängen soll, haben Grüne, CDU, SPD und Volt schon Anfang Februar beschlossen. Die Verwaltung hat selbst im OVG-Verfahren betont, ein Verweilverbot sei nicht geeignet, dort für Ruhe zu sorgen, weil es am Platz ohnehin sehr laut sei.
Lärm-Probleme an der Schaafenstraße
Auf dem Platz im Belgischen Viertel versammeln sich vor allem an warmen Abenden seit mehr als 15 Jahren teils hunderte Menschen. Isoliert betrachtet sind die Kleingruppen nicht zu laut, doch als Menge schon. Zuletzt versuchten Vermittler an bestimmten Tagen, die Menschen zum Verlassen des Platzes zu bewegen.
Der Brüsseler Platz mag das prominenteste Beispiel in Köln sein, doch es gibt viele andere bekannte Ecken mit vergleichbaren Problemen. Ein Beispiel ist das Ausgehviertel an der Schaafenstraße, auch dort gibt es eine Klage eines Anwohners gegen den Lärm (wir berichteten).
Petelkau sorgt sich um Präzendenzfall
Stadtdirektorin Andrea Blome hatte voriges Jahr im Interview gesagt: „Der Interessensausgleich wird in einer Stadt wie Köln immer schwieriger.“ Petelkau begründete die Ablehnung des ganzjährigen Verweilverbots am Brüsseler Platz explizit mit der Situation an der Schaafenstraße: „Wir sorgen uns, einen Präzedenzfall zu schaffen.“
Die Kölner Stadtverwaltung wird die Aussagen der Politikerinnen und Politiker aufmerksam verfolgen. In den vergangenen Wochen war häufig aus dem Rathaus zu hören: „Jetzt muss der Stadtrat Farbe bekennen.“ Nach dem Motto: Die Verwaltung setzt nur um, was das Gericht ihr empfohlen hat, dann braucht sie die Unterstützung des Rates, die sie zumindest für das ganzjährige Verweilverbot nicht erhalten wird.
Und sofort steht die Frage im Raum: Und nun? Laut Petelkau soll die Verwaltung erneut ein Alkoholkonsumverbot prüfen, das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt arbeitet seiner Aussage nach an einem Änderungsantrag für die AVR-Sitzung am Montag.
Schwierige Lage am Brüsseler Platz
Schon im Februar hatten Grüne, CDU, SPD und Volt dort beschlossen, dass es Ausnahmen vom Verweilverbot für Rauchende vor gastronomischen Betrieben sowie für Beschäftigte in der Außengastronomie geben soll.
Doch nur drei Tage später führte die Verwaltung das Verweilverbot am Wochenende ein, fünf Wochen später kündigte sie die mögliche Ausweitung an, die der Rat wiederum ablehnen will. Und einige Anwohner klagen gegen den Nachtlärm, einige gegen das Verweilverbot. Das ist die Lage. Alles andere als einfach.
Wie hatte Mediator Wiener gesagt: „Ich glaube nicht, dass es möglich sein wird, eine Lösung zu finden, um rund um den Platz Frieden zu schaffen.“