Die Kölner Feuerwehr nutzt Atemschutztechnik aus dem Jahr 1996. Zwar funktioniert das Material, Ersatzteile können aber nicht mehr nachgeliefert werden.
In den vergangenen 24 Jahren haben sich die Anforderungen für die Feuerwehrleute verändert.
Daher nimmt die Stadt knapp drei Millionen Euro für eine Ausschreibung neuer Geräte in die Hand. Denn die Zeit drängt.
Köln – Kürzlich ist bei der Feuerwehr ein Tragegurt für eine Sauerstoffflasche gerissen. Was belanglos klingt, ist für die Einsatzkräfte dieser Tage Gegenstand eines unbefriedigenden Zustands, den die Stadt nun mit einer Millionen-Spritze beheben will. Große Teile der Atemschutztechnik sind derart veraltet und bei den Herstellern aus dem Sortiment genommen, dass Ersatzteile nicht mehr nachgeliefert werden.
So kam es jüngst, dass auf Wache 10 das gerissene Band mit ein paar Handgriffen selbst wieder zusammengenäht werden musste. „Die Instandhaltung und Wartung der Bänder haben wir in Eigenleistung organisiert“, sagt Jörg Seemann, der bei der Feuerwehr für Atemschutz zuständig ist. Dafür habe man eine Ausnahmegenehmigung bekommen, ohne die das nicht erlaubt gewesen wäre. Der Gurt ist nun zwar wieder stabil, wie Seemann bei einem Besuch der „Atemschutzwerkstatt“ auf der Wache demonstriert. Doch das Flickwerk offenbart im Kleinen den großen Material-Rückstand bei der Kölner Feuerwehr.
Der überwiegende Teil der Sauerstoffflaschen, Atemmasken sowie Trageplatten und -gurte stammt von 1996, nun will man für 2,8 Millionen Euro neues Material beschaffen. Der Stadtrat hat die Summe bereits bewilligt. Feuerwehr-Chef Christian Miller spricht von einer „wichtigen und notwendigen Investition in die Sicherheit der Einsatzkräfte“. Nun läuft eine europaweite Ausschreibung. Zwar funktioniert das Gerät, aber die Zeit drängt. „Wir sind im absoluten Zugzwang“, sagt Projektleiter Michael Winkelmolen. „Lange können wir die aktuelle Technik nicht mehr am Leben erhalten, weil die Produktion von Ersatzteilen der Herstellerfirma ausläuft“. So auch der sogenannte „Lungenautomat“, der dafür sorgt, dass Luft aus der Sauerstoffflasche dem Mund zugeführt wird.
Stahlflaschen deutlich schwerer als Kompositflaschen
Seitdem das aktuelle Material vor knapp 25 Jahren beschafft wurde, haben sich die Anforderungen für Mensch und Material erheblich verändert. Zum Beispiel insofern: Heute verbrennen viel mehr Kunststoffe als früher, wenn ein Haus in Flammen steht. Die stinkenden, teils toxischen Stoffe aus den Polstern zu bekommen, ist bei der viertgrößten Feuerwehr Deutschlands immer noch mühselige und langwierige Handarbeit. Bald aber soll sich das ändern, denn das neue Material soll spül- und waschmaschinenfest sein. „Die Automatisierung der Schlauchwäsche erleichtert uns die Arbeit enorm“, sagt Seemann.
Das vorrangige Ziel aber wird sein, die Freiwillige Feuerwehr, die ehrenamtlich in den Stadtteilen Einsätze fährt und in Großlagen verwaiste Wachen besetzt, auf den gleichen Stand zu bringen wie die Berufsfeuerwehr. Bei den Sauerstoffflaschen ist der Handlungsbedarf am offensichtlichsten. Die Stahlflaschen der Freiwilligen Feuerwehr wiegen bis zu 15 Kilo und damit fünf Kilo mehr als die leichteren, aber auch teureren Flaschen der Berufsfeuerwehr, die aus Komposit hergestellt werden, einem Stoff, der auch in der Zahnmedizin zum Einsatz kommt. „Das ist schon eine große Last, die die Kameradinnen und Kameraden da auf dem Rücken tragen“, sagt Seemann und ergänzt scherzhaft: „Da müssen Sie echt aufpassen, dass Sie nicht rückwärts von der Leiter fallen“. Der Unterschied ist enorm und erschwert den ohnehin vollbepackten und hochausgerüsteten Männern und Frauen den Einsatz zusätzlich. „Die Geräte sind unsere Lebensversicherung“, sagt Winkelmolen. In hochkomplexen Einsätzen in Hitze, Dunkelheit und giftiger Luft will es die Stadt ihren Feuerwehrleuten künftig nicht noch schwerer machen als nötig.
So werden nun 800 neue Kompositflaschen für die Feuerwehren angeschafft, jede Einzelne wahrscheinlich für mehrere hundert Euro. Außerdem stehen Trageplatten auf dem Einkaufszettel, die auf den Rücken von verschiedenen Körpergrößen ergonomisch passen – und Atemmasken in unterschiedlichen Größen. Denn seit einigen Jahren gibt es auch Feuerwehrfrauen, die in Atemschutzeinsätze gehen. In der Regel werden für die Köpfe der Frauen kleinere Masken gebraucht – ein Bedarf, der vor mehr als 20 Jahren noch nicht abzusehen war.
Totmannwarner für die Kölner Feuerwehr
Neu werden auch die sogenannten „Totmannwarner“ sein, die am Atemschutzgerät angebracht werden und Kollegen informieren, wenn deren Träger sich bei einem Einsatz, etwa in einem brennenden Haus, längere Zeit nicht mehr bewegt. „Das bietet uns ein Mehr an Sicherheit“, sagt Seemann. In der jetzigen Lage von einem „Weniger an Sicherheit“ zu sprechen, ginge ihm aber zu weit. In der deutschlandweit geltenden Dienstvorschrift von 2005 sind diese Notsignalgeber auch nur eine Empfehlung an die Einsatzkräfte. In Köln wird daher bisher auf diese Einrichtung verzichtet, im Gegensatz zu großen Teilen Deutschlands. Vergleichbare Großstadtfeuerwehren in München, Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf teilten sämtlich auf Anfrage mit, dass ihre Einsatzleute mit Totmannschaltern ausgerüstet seien. Zudem ist in den genannten Städten das Atemschutzgerät insgesamt höchstens zehn Jahre alt, in Düsseldorf und Hamburg sogar in diesem beziehungsweise vergangenem Jahr neu beschafft worden.
In Köln hat man die jüngere Vergangenheit dagegen nicht für eine Materialüberholung genutzt. Im kommenden Jahr soll dann die neue Technik zunächst getestet und dann eingeführt werden, wenn die Ausschreibungszeit beendet ist. „Wir werden uns auf einen Hersteller festlegen, von dem wir dann auch immer die Ersatzteile beziehen werden“, sagt Winkelmolen. „Locker 15 Jahre“ solle das Material dann halten. Dann hätte auch das Flickwerk an den Tragegurten vorerst ein Ende.