Innenstadt – In einem winzigen Raum jenseits der Theke ist die Kommandozentrale. Dort sitzt Theo Düllberg, die blaue Schiffermütze in die Stirn gezogen, und telefoniert mit einem Kunden: „Nein, ich kann ihnen nicht sagen, welcher Fisch morgen da ist, ich kann höchstens sagen, welchen wir nicht haben.“
Zwischen Weihnachten und Neujahr sei die Auswahl eben nicht gerade üppig. „Da liegt der Kapitän am Kamin und fängt keine Fische“, so Düllberg. „Ein paar Schotten und Franzosen fahren vielleicht noch raus und verkaufen den Fang dann zum doppelten Preis. Aber ein Kilo Zander für 60 Euro, hören'se, das macht doch keinen Sinn.“
Lange wird es die Beratung im freundlichen Kommandoton an der Severinstraße nicht mehr geben. Am heutigen Donnerstag, Silvester, ist Düllberg zum letzten mal „Kapitän“ im Fischhaus Klöppel. Dann macht er dicht, aus Altersgründen. 40 Jahre lang hat er den Laden geführt. Nun ist er 66 Jahre alt und der Pachtvertrag läuft aus. „Das ist für mich der passende Zeitpunkt aufzuhören“, sagt er. Dass es danach kein Fischgeschäft mehr im Ladenlokal an der Severinstraße 21 geben wird, tut Düllberg allerdings sehr leid. „Ich hatte dem Hauseigentümer einen potenziellen Nachfolger vermittelt, aber die Verhandlungen sind gescheitert“, erzählt er. Nun wird ein Optiker einziehen.
„Manche Kunden haben hier vor der Theke gestanden und richtig geweint“
„Es ist wirklich schade, dass Herr Düllberg sein Geschäft schließt“, sagt Barbara Moritz von den Grünen. Die Kommunalpolitikerin gehört zu den Stammkunden. „Ich habe kein Auto“, sagt sie. Und sie brauche auch keines. „Hier an der Severinstraße gibt es alles. Ein Fischladen gehört einfach dazu.“
Sicher, weiter die Straße hinunter gäbe es ja auch noch Fisch Hembsch. Aber das sei für die Anwohner in Clodwigplatznähe doch ein Stück entfernt. Besonders schade sei der Verlust von Klöppel wegen seiner Fischspezialitäten – und ganz besonders wegen des Kartoffelsalats. „Den müssen sie einmal probieren.“
Schnell tauscht Moritz mit einer anderen Kundin die Telefonnummern aus, falls sie sich ohne den Treffpunkt im Fischladen nun gar nicht mehr sehen. Auch sie sei traurig, sagt die Kundin, Eva Böll ihr Name. „Manche Kunden haben hier vor der Theke gestanden und richtig geweint“, schildert Düllberg. Ihm geht der Abschied genauso nahe. Es hat fast sein ganzes Leben hier verbracht.
Der Fischhändler Joseph Klöppel hat den Laden nach dem Krieg gegründet. Später übernahm ihn sein Neffe Hans. Düllbergs Mutter half dort als Verkäuferin aus und irgendwann jobbte auch der kleine Theo dort, begleitete Klöppel in seinem mit Fisch beladenen alten Mercedes auf Verkaufstour durch Köln und trotzte mit ihm den Widrigkeiten des Straßenverkehrs: Einbahnstraßen wurden notfalls ignoriert.
Diese Abenteuer gefielen ihm besser als Algebra. Als er nach der Volksschule die höhere Handelsschule besuchte, schmiss er sie nach kurzer Zeit und heuerte bei Hans Klöppel an, als Auszubildender. Es sei auch eine Trotzreaktion gewesen, sagt Düllberg. Seine Freunde hätten ihn gehänselt: „Dann bekommst du ja Kinder mit Kiemen hinter den Ohren.“ „Jetzt erst recht“, habe er sich gedacht. Aus Trotz sei er nach seiner Ausbildung zur Marine gegangen.
„Ich hatte einen Konflikt mit meinem Vater. Und als ich beim Wehrdienst ankreuzen sollte, wo ich eingesetzt werden möchte, habe ich die Marine genommen. Das war am weitesten weg.“ Außerdem sei es schön gewesen, erzählt der Mann, der das Meer genauso mag wie den Fisch.
Als Hans Klöppel starb, übernahm Düllberg 1975 den Laden. Seitdem hat er die Südstadt mit frischem Fisch versorgt. Prachtvolle weiße Jakobsmuscheln sind im Angebot. Salzheringe, Karpfen und Forellen werden regelmäßig über die Theke gereicht, Fischbrötchen an Stehtischen verzehrt. Viele prominente Kölner wie Mariele Millowitsch sind Stammkunden in dem kleinen Laden, der mit seinem vanillefarbenen Kacheln und maritimen Ausstellungsstücken nostalgisches Flair verbreitet: Neben dem Schaufenster steht ein schmuckes blaurotes Fischerbootssmodell.
Ein Kunde zeigt darauf:. „Und, wann kann ich das Boot abholen?“, fragt er. „Oh, das wollen viele als Andenken haben, aber es gehört dem Ladeneigentümer“, antwortet Düllberg.
Und so wird vielleicht zumindest der schmucke Fischerdampfer an seinem Platz bleiben und zwischen Brillengestellen daran erinnern, dass an der Severinstraße 21 einst Fisch verkauft wurde.