Innenstadt – Die schönsten Perlen eines Veedels finden sich oft dort, wo man sie nicht unbedingt vermutet. Das gilt auch für die Weißenburgstraße im Agnesviertel. Wer hier den Torbogen des Katholischen Familienbildungswerks passiert, steht plötzlich in einem großen Innenhof mit schmuckem Hinterhaus. Das "Agneshaus", wie der Bau von den Anwohnern genannt wird, war seit 1912 Eigentum der Pfarrgemeinde St. Agnes, bevor es vor drei Jahren verkauft wurde. "Die Unterhaltung des Gebäudes war für die Gemeinde nicht mehr rentabel", berichtet Werner Teske, ehrenamtlicher Leiter des Pfarrarchivs. Vor allem der große Saal samt Bühne im ersten Obergeschoss war in einem erbärmlichen Zustand. Wegen Lärmproblemen nutzte die Gemeinde die Stätte immer seltener und steckte kein weiteres Geld mehr in die Renovierung.
Agnessaal als Ganzes erhalten
Erworben und wieder hergerichtet haben das alte Gebäude nun Sabine Mehlmann und ihr Partner Roosbeh Badie. Statt jedoch aus dem 250 Quadratmeter großen Hauptsaal mit ein paar zusätzlichen Wänden exklusive Loft-Wohnungen zu machen, entschieden sich die beiden Architekten dafür, das ursprüngliche Aussehen des einstmals beeindruckenden Saals zu rekonstruieren - mit nur ein paar modernen Abänderungen. "Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir den Agnessaal als Ganzes erhalten wollen", berichtet Sabine Mehlmann. Roosbeh Badie versucht sich an einer Begründung: "Solche besonderen Plätze findet man heute nicht mehr oft. Man hat, wenn man sich ihrer annimmt, eine gewisse Verpflichtung."
Weil die zwei für ihr Vorhaben überraschenderweise keine Auflagen vom Denkmalschutz bekamen, orientierten sie sich bei der Rekonstruktion vor allem an alten Bildern und Archivunterlagen aus den 1930er Jahren und aus der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. "Der Saal war einer der wenigen Versammlungsorte in Köln, die von den Bomben verschont blieben", berichtet Archivar Teske. Das Schauspiel Köln nutzte ihn als Übergangsquartier für erste Nachkriegsaufführungen, Karnevalsgesellschaften für einen Neustart des Fastelovends.
Die Recherche im Archiv der Gemeinde ergab, dass der Saal in den 50er Jahren baulich komplett verändert worden war: "Die Decke war anderthalb Meter heruntergesetzt worden, und weil die Fenster nicht geöffnet werden konnten, war eine riesige Lüftung eingebaut worden. Als wir beides wieder haben abnehmen lassen, kam die ursprüngliche Kassettendecke zum Vorschein", berichtet die gelernte Innenarchitektin Mehlmann stolz.
Aufwendige Handarbeit
Von dem schlechten Zustand, in dem sich der Raum zu diesem Zeitpunkt befand, zeugen heute nur noch ein paar private Aufnahmen. Tatsächlich sind während der zweijährigen Umbauzeit 450 Container Schutt angefallen, erläutert die 48-Jährige weiter.
Bis auf die Türen und den Boden habe man im Prinzip alles in aufwendiger Handarbeit erneuern müssen. Die alte Musikerempore wurde wieder freigelegt und das unzeitgemäße Braun an den Wänden durch einen warmen Ockerton ersetzt. Für zusätzliches Tageslicht sorgen fünf in die Bühnenrückwand eingelassene Fenster. Ein ganz besonderes Schmuckstück haben die beiden während der Entrümpelung des Dachbodens entdeckt. "Ein altes Madonnenbildnis aus Gips lag dort, total verdreckt", erzählt Mehlmann. Nach einer ersten Restaurierung hängt es nun zur Begrüßung der Besucher im Eingangsbereich des Hauses.
Wie der Saal in Zukunft genutzt werden könnte, ist noch nicht endgültig beschlossen. Mit allzu viel Publikumsverkehr sollte dies aber nicht verbunden sein, um die Anwohner des Innenhofs nicht unnötig zu verärgern. Eine Stiftung, die sich mit Kultur beschäftigt, oder ein Literaturverein hätten Mehlmann und Badies Aufmerksamkeit. Auch die Vermietung an eine Werbeagentur wäre problemlos möglich, erläutern sie. "Wir haben versenkbare Bodentanks, in denen die Technik liegt", ergänzt Mehlmann. Auf dem Papier hat sie bereits verschiedene Büroaufbauten durchgespielt. Neben dem Saal würden den Mietern drei weitere Räume für Einzelbüros und ein Besprechungsraum zur Verfügung stehen.
Was auch passiert, Werner Teske findet das Engagement der beiden Architekten schon jetzt klasse: "Durch die Sanierung des Gebäudes wird das Agnesviertel aufgewertet", findet der 69-Jährige.