Köln – Eine LKW-Ladung braungrauer Schotter ergießt sich auf den Hohenstaufenring. Der Abschnitt zwischen dem Barbarossaplatz und dem Zülpicher Platz ist aktuell eine Großbaustelle – die KVB führt umfangreiche Erneuerungen der Schieneninfrastruktur durch. In Richtung Barbarossaplatz ist nur noch eine Autospur freigegeben, die andere Seite ist komplett dicht, statt Bahn- gibt es Busverkehr. Und während der LKW hunderte Kilo an Baumaterial ablädt, staut es sich.
„Da macht sich bei vielen schon mal Unmut breit“, berichtet KVB-Bauleiter Ulrich Utzerath. „Aber was sollen wir machen? Sonst muss sich jeder eine Schaufel nehmen und mithelfen“, sagt er und lacht. Genug zu tun gäbe es allemal – der Verkehrsknotenpunkt soll auf die kommenden zwanzig Jahre vorbereitet werden.
Rundumerneuerung in nur 14 Tagen
Vier Weichen und eine vierfache Gleiskreuzung am Zülpicher Platz werden ausgetauscht, sowie zwei weitere Weichen eines Gleiswechsels und 900 Meter Schiene zwischen Zülpicher Platz und Barbarossaplatz. Dabei werden auf 450 Metern auch der Schotter des Gleiskörpers und die Schwellen gewechselt. Eine Rundumerneuerung auf einer der meistbefahrenen Strecken der Stadt – in gerade einmal 14 Tagen. Seit dem 24. Juli sind rund 15 KVB-Mitarbeitende und 40 bis 50 Angestellte der zuständigen Baufirma vor Ort. Bis zum 7. August sollen sie fertig sein.
Ein sportliches Programm, auch wenn KVB-Mitarbeiter Gleisbau-Experte Alexander Kreuzer sagt: „Wir sind froh, dass wir zwei Wochen Zeit bekommen haben – damit hier die nächsten Jahre dann auch hoffentlich Ruhe ist.“ Vor Jahren habe man derartige Arbeiten auch in kürzerer Zeit geschafft, doch das Arbeitszeitgesetz habe die Zeitplanung verändert, so Bauleiter Utzerath.
Nachhaltigkeit immer wichtiger
Gearbeitet wird auf der Baustelle von 6 bis 22 Uhr. Dann ist Feierabend. „Die dritte Schicht in der Nacht fällt damit weg. Ich kann das gut verstehen, gerade aus Sicht der Anwohner. Aber die Zeit wird natürlich an die Bauphase hintendran gehangen.“ Damit die Baumaßnahmen langlebiger sind, werden außerdem die genauen Gewährleistungsfristen der Baufirmen eingehalten.
„Früher hat man mit dem Fuß einmal kurz getestet, ob der Beton ausgehärtet ist, und dann ging es weiter. Heute steht die Qualität und die Nachhaltigkeit viel mehr im Vordergrund“, sagt Utzerath. Die Bauarbeiten am Zülpicher Platz und die Erneuerung des Abschnitts bis zu Neuen Weyerstraße wurden daher auch bewusst zusammengelegt – „damit wir nicht in drei bis vier Jahren hier wieder alles aufreißen müssen.“
Hunderte Tonnen an Baumaterial
Seit 1987 seien die Gleise zwischen dem Barbarossaplatz und dem Zülpicher Platz nicht mehr erneuert worden, die Rautenkreuzung am Zülpicher Platz wurde letztmalig 2002 ausgetauscht. Nun werden rund 700 Tonnen Material für den Bodenaustausch bewegt, 600 Schwellen á 250 Kilo verlegt, Schienenmaterial von rund 40 Tonnen sowie die 50 Tonnen schwere Weichenanlage verbaut und neue Kantsteine als Randeinfassungen gesetzt.
Das Kernstück sind die neuen Gleise. An einem noch nicht herausgerissenen Abschnitt am Barbarossaplatz zeigt Bauleiter Utzerath die Abnutzungen, die über die Jahre entstehen. Mit dem Spurkranz an den Rädern bewegt die Bahn sich normalerweise über den Fahrkopf, den breiteren Teil der Schiene. Nutzt dieser sich immer weiter ab, wird der Unterschied zwischen dem Fahrkopf und dem schmalen Rillenboden immer größer. Die Bahn dort dann abzusinken. „Stellen Sie sich mal mit dem Fuß auf die Schiene und schieben sie ihn mal ein bisschen hin und her“, sagt Utzerath. „Den Unterschied kann man schnell spüren.“
Fährt die Bahn zu lange auf dem Rillenboden, droht die Schiene gar auseinanderzubrechen. Damit das nicht passiert, wird der Rillenboden regelmäßig angehoben, also aufgeschweißt. Irgendwann reicht das aber nicht mehr aus – und ein kompletter Austausch wie jetzt am Zülpicher Platz wird nötig.
Ersatzverkehr der Linien 9,12 und 15
Noch bis Samstag, 7. August etwa 3 Uhr sind aufgrund der Baumaßnahmen folgende Änderungen im KVB-Fahrablauf notwendig:
Die Bahnen der Linie 9 fahren vom Königsforst kommend nur bis zur Haltestelle „Neumarkt“. Von hier aus werden sie über die Aachener Straße bis zur Haltestelle „Aachener Straße/Gürtel“ und weiter bis zur Haltestelle „Zülpicher Straße/Gürtel“ umgeleitet. Hier erreichen sie wieder ihren regulären Linienweg und fahren auf diesem bis zur Endhaltestelle „Sülz Hermeskeiler Platz“. In die andere Richtung wird der gleiche Weg genutzt. Alternativ fährt ein Ersatzbus der Linie 109 vom Rudolfplatz über die Ringe bis zum Zülpicher Platz und biegen dort auf den regulären Linienweg ab.
Die Bahnen der Linien 12 und 15 fahren im genannten Zeitraum vom Ebertplatz kommend bis zur Haltestelle „Rudolfplatz“ auf ihrem regulären Linienweg. Zwischen der Haltestelle „Zülpicher Platz“ und den Endhaltestellen „Zollstock Südfriedhof“ (Linie 12) bzw. „Ubierring“ (Linie 15) verkehren die Linien nicht. An ihrer Stelle wird ein Ersatzbusverkehr mit den Linienkennungen „112“ und „115“ eingesetzt. (awe)
Wenig Verständnis für die Bauarbeiten von den Bürgern
Welchen Einfluss die Großbaustelle auf den Verkehrsfluss hat, ist unübersehbar. Auch wenn die Verkehrsumleitungen noch nicht bei allen Kölner Bürgerinnen und Bürgern angekommen zu sein scheint. Eine Frau in schwarzem SUV hält neben der Baustelle und ruft: „Wo muss ich denn jetzt lang? Ich muss auf die andere Seite vom Zülpicher Platz!“ Alexander Kreuzer gibt schnelle Anweisungen, dann fährt die Frau weiter. Begegnungen dieser Art sind auf der Baustelle Alltag.
Nicht immer laufen die Unterhaltungen dabei so locker ab. „Neben dem Zeitdruck ist die größte Herausforderung für die Mitarbeiter die mangelnde Akzeptanz für solche Maßnahmen. Einige Anwohner freuen sich, dass hier etwas passiert – doch oftmals werden wir auch beschimpft“, sagt Ulrich Utzerath.
Dabei sind es oft die Passantinnen und Passanten selbst, die die Arbeitsabläufe verzögern. Am Barbarossaplatz hupt ein Gabelstapler im Rückwärtsgang energisch. Eine ältere Frau wäre fast in das schwere Gerät gelaufen, das am Greifarm schwingt. Die Passantin zeigt sich unbeeindruckt, winkt ab, setzt ihren Weg mitten über die Baustelle fort.
„Man kann gar nicht genug Augen haben“, sagt Alexander Kreuzer. „Die Leute laufen haufenweise durch die Absperrungen. Fängt einer an, gehen alle hinterher. Wie viele schon ihre Schuhe in frischem Beton verloren haben...“, sagt er und zuckt mit den Schultern.