AboAbonnieren

Armenier-MahnmalKölner SPD und Ditib nehmen Stellung zur umstrittenen Erinnerungsstele

Lesezeit 4 Minuten
Blick auf den Kölner Dom und die Großmoschee vom 4711-Hochhaus in Ehrenfeld

Blick auf die Zentralmoschee der Ditib in Ehrenfeld und den Kölner Dom

Die Initiative „Völkermord erinnern“ fordert eine dauerhafte Aufstellung eines Mahnmals in der Nähe des umstrittenen Reiterstandbilds in Köln.

Die Kölner SPD stellt sich hinter einen Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt, nach dem in der Kölner City mit einer Gedenkstätte an den Völkermord an Armeniern während des Osmanischen Reiches erinnert werden soll. Einem Initiativantrag stimmte der Parteirat in dieser Woche zu.

„Angesichts zahlreicher Orte der Erinnerung in Köln an die Verbrechen der Nazi-Diktatur und angesichts der nun auch in Köln erfreulicherweise beginnenden Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte“ sei eine dauerhafte Aufstellung eines Mahnmals in der Nähe des umstrittenen Reiterstandbilds „ein Gebot der historischen Wahrhaftigkeit und der Solidarität mit den vielen Opfern und ihren (auch in Köln lebenden) Nachfahren“.

Eine weitere Partei stellt sich hinter die Initiative „Völkermord erinnern“

Mit der SPD stellt sich nach den Grünen eine weitere große Partei hinter das Anliegen der Initiative „Völkermord erinnern“, die seit 2018 immer wieder ohne offizielle Genehmigung eine Gedenkstele an der Hohenzollernbrücke aufstellt.

Aktuell steht das Mahnmal „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ in Sichtweite des Reiterdenkmals, um an die Beteiligung des Deutschen Kaiserreichs an dem vom Deutschen Bundestag anerkannten Völkermord zu erinnern. Die Stadt hatte eine Sondernutzungserlaubnis bis zum 24. Mai erteilt, die Initiative gegen eine Räumung geklagt. Nächste Woche könnte die Stele geräumt werden.

Köln: „Initiativ Türk“ ist gegen ein Armenier-Mahnmal

Das Forum türkischer Vereine und Verbände in Köln „Initiativ Türk“ hatte sich gegen ein Mahnmal gewendet – in einem auf Türkisch verfassten Brief im Internet und in einem Schreiben an Bezirksbürgermeister Andreas Hupke. „Die türkischen Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Köln verfolgen spalterische Entscheidungen der BV Innenstadt Köln und in diesem Zusammenhang polarisierende und politisierende Entwicklungen bezüglich des Gedenkens nur einer Volksgruppe mit großem Unbehagen“, heißt es in dem Schreiben, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Der Beschluss sei „einseitig und nicht inklusiv“.

In der Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges seien „Entwicklungen in Gang gesetzt worden, in denen Millionen von Menschen, Christen sowie Muslime, Armenier sowie Türken, ihr Hab und Gut verloren haben, ermordet, verfolgt, zwangsumgesiedelt wurden. Wenn darüber ein Gedenken stattfinden soll, müssen alle Opfer eines Konfliktes, eines Krieges einbezogen werden.“ Der Deutsche Bundestag hat die Verbrechen gegen die Armenier im Jahr 2016 als Völkermord anerkannt, der türkische Staat bis heute nicht.

Mehrere Vereine der Initiative werden vom Verfassungsschutz beobachtet

Auch die Ditib beteiligt sich an der Initiative, deren Sprecher Rafek Öztürk sein soll – Dialogbeauftragter der Ditib. Auf Anfrage schreibt eine Ditib-Sprecherin, bei der genannten Initiative handele es sich „um Gemeinden in und um Köln, die ein gesellschaftsrelevantes Thema intern und mit der Stadtgesellschaft behandeln wollen“. Dass zahlreiche Gruppierungen der Initiative vom Verfassungsschutz beobachtet werden, darunter Anhänger der rechtsextremen Grauen Wölfe, der nationalistische, ebenfalls unter Verfassungsbeobachtung stehende Verein ATIB sowie die UETB, Lobbyorganisation der AKP-Partei des türkischen Präsidenten Erdogan, stört die Ditib offenbar nicht.

Die Initiative sei „Teil der Teilhabekultur unseres Landes und ist nicht nur den islamischen Gemeinden eigen, schließlich sind in der Debatte auch viele Kirchen und andere Religionsgemeinschaften involviert und vertreten verschiedene Position. Bei gesellschaftlichen Debatten kann und soll die Zivilgesellschaft, zu der Religionsgemeinschaften ebenfalls gehören, auch Positionen einnehmen, die sich nicht mit der weitläufigen politischen Haltung decken müssen“.

Ditib-Verband antwortet ausweichend auf Frage nach Völkermord

Eine Erinnerungskultur könne „nur dann versöhnlich gelingen, wenn man zusammenkommt und einander zuhört. Religionen sind hierbei in einer besonderen Pflicht“. Dafür möchte die Initiative eine Konferenz in Köln veranstalten, um die Geschichte aufzuarbeiten. Über die Anerkennung als Völkermord soll offenbar neu verhandelt werden, die „Türk Initiativ“ möchte eine Konferenz zu den historischen Ereignissen in Köln veranstalten.

Es stehe außer Zweifel, „dass die Armenier während des Ersten Weltkriegs sehr gelitten haben und viele von ihnen ihr Leben verloren haben. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass im selben Zeitraum auch Millionen muslimischer Osmanen ihr Leben verloren haben. Den Verlusten der einen Seite zu gedenken und die der anderen Seite zu ignorieren, ist die schlechteste Lehre der Geschichte“, heißt es.

Auf die Frage, ob die Initiative den Völkermord an den Armeniern nicht anerkenne, antwortet die Ditib: „Aus der Forderung, zusammenzukommen und das Thema gemeinsam zu behandeln, aus der Absicht gegenseitige Empathie, Verständnis und Anerkennung des jeweils anderen anzustreben eine Ablehnung der demokratischen Strukturen oder gar Rechtstaatlichkeit abzuleiten, ist nicht zulässig.“

Der Ditib-Vorsitzende Muharrem Kuzey hatte sich gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ in einem persönlichen Gespräch im April dieses Jahres nicht zum Armenier-Mahnmal geäußert. Stattdessen war seine Sprecherin eingesprungen und hatte gesagt: „Ich glaube, er hat noch nicht einmal von dem Mahnmal gehört. Deshalb wird er auch keine Haltung dazu haben.“ Kuzey ist vor 13 Jahren nach Köln gezogen und hatte zunächst als Imam in der Ehrenfelder Ditib-Moschee gearbeitet.