„Für Liebe und Freiheit“ versammelten sich Zig Tausende Besucher des Christopher Street Days aus ganz Deutschland bereits am Samstagabend in Köln.
Auftakt zum CSD„Tokio Hotel“ spielen Benefizkonzert auf Heumarkt – Bill Kaulitz mit Appell
Gleich sechs gigantische Scheinwerfer waren es, die am Samstag von der Lanxessarena über den Rhein bis hin zum Heumarkt schienen und dort einen gewaltigen Regenbogen in den Kölner Nachthimmel projizierten. Und auch unter ebendiesem Regenbogen ließ sich in der Altstadt ein buntes und außergewöhnliches Bild erblicken.
Zig Tausende Menschen versammelten sich anlässlich des Christopher Street Days (CSD) und leiteten die Parade und Demonstration mit einem großen Fest, insgesamt vier Musik- und Feierbühnen und jeder Menge Kuriositäten ein. Die Hauptattraktion war dabei das Benefizkonzert der Band „Tokio Hotel“, das Begeisterte aus ganz Deutschland auf den Heumarkt zog.
„Tokio Hotel“ spielen Benefizkonzert auf Heumarkt
Dass zum CSD in Köln sogar der Äther in den Farben der LGBTQ-Bewegung erstrahlte, lässt sich vor dem Hintergrund von mehreren hunderttausende Teilnehmern im vergangenen Jahr erklären. Auch in diesem Jahr werden vergleichbar viele Besucher erwartet. Dementsprechend stark angelaufen und vielseitig gefüllt war der Heumarkt auch schon in der Nacht von Samstag auf Sonntag, also einen Tag vor der offiziellen Demonstration.
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Unzählige Regenbogenflaggen, -verkleidungen und -accessoires sowie zahlreiche oberkörperfreie Männer und in Lederkostüme gekleidete Frauen prägten das Bild des Festes. Aber auch Latex- und Hundemasken, Eisenketten, kiloweise Gesichtsglitzer und faustgroße Brustwarzenpiercings, die insbesondere bei den oberkörperfreien Besuchern stark zur Geltung kamen, waren beinahe omnipräsent.
CSD in Köln zieht Menschen aus ganz Deutschland an
So verschieden die Teilnehmer des Festes auch aussahen, so einig waren sie sich jedoch in ihren Beweggründen, aus denen sie am Samstagabend auf dem Heumarkt erschienen. Phillip aus Kassel nahm bereits zum achten Mal die lange Fahrt auf sich, um den CSD in Köln zu verbringen.
Auf die Frage, was sein Hauptmotiv gewesen sei, am Fest teilzunehmen, schoß er wie aus der Pistole: „Ich bin homosexuell – und ich zeige das. Dafür bin ich hier“. Der 19-jährige, in einen bunten Rock gekleidete Melvin formulierte diesen Ansatz etwas konkreter: „Im Grundgesetz steht, dass kein Mensch wegen seinem Geschlecht, seiner Abstammung, seiner Heimat und aus ganz vielen anderen Faktoren diskriminiert werden kann. Was dort nicht steht, ist dass ein Mensch nicht wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden darf. Ich demonstriere heute und morgen, damit der Artikel endlich zeitgemäß wird“.
Allerdings gab es auch weniger politische und eher zum Feiern aufgelegte Besucher. Nur etwa 30 Meter von der Hauptbühne auf dem Heumarkt entfernt und damit verhältnismäßig ausgesprochen nah an der Band des Abends warteten „zwei absolute Tokio-Hotel-Fans“ ungeduldig auf den Auftritt. Ephraim trug eine schwarze Hundemaske, an deren Schnauze eine Kette befestigt war, die sein Freund Jonas fest in seiner Hand hielt. Dieser meinte dazu: „Wir möchten niemanden provozieren oder abstoßen. Wir wollen heute einfach so feiern, wie wir es halt am liebsten tun, und wir wollen, dass das alle anderen auch können“. Auch Ephraim bestätigte: „Von Tokio Hotel fühle ich mich als geouteter Mann einfach gesehen“.
Tokio Hotel in Köln: Bill Kaulitz will „für die Liebe singen“
Um 22 Uhr war es dann soweit, und unter großem Applaus und kreischendem Jubel trat die Band auf. Tatsächlich verzichteten auch die Musiker zunächst eine Weile auf politische Stellungnahmen und spielten erst einmal ihre bekanntesten Songs. Damit schien das mitsingende und tanzende Publikum auch allgemein zufrieden zu sein. Erst kurz vor dem Ende des Benefizkonzerts betonte Frontsänger Bill Kaulitz: „Ich finde es super, heute für die Liebe und Freiheit spielen zu dürfen. Ich weiß, wie viele Leute noch immer versteckt leben müssen und ihre Sexualität nicht ausleben können. Deshalb lasst uns für die Liebe singen“.
Zeitweise war das Gedränge vor allem vor einigen Absperrstellen so groß, dass Zeugen eine Massenpanik befürchteten und die Polizei riefen. Auch der Veranstalter bat die Polizei um Hilfe. Man habe den Druck an den Sperrstellen auflösen können, alles Weitere sei „weitgehend geordnet“ abgelaufen, berichtete ein Polizeisprecher. Eine „Massenpanik“ konnte er nicht bestätigen.
Nach dem Konzert kamen in dieser Hinsicht allerdings auch andere Stimmen auf. „Mein Ex-Freund Emir kommt ursprünglich aus Syrien“, erzählte Linus aus Köln, „Dort wurde er gefoltert, weil er schwul ist. Heute Abend war eine große Party, und das ist ja auch geil – keine Frage. Aber wir müssen als Bewegung unseren Blickwinkel noch etwas erweitern“. So endete der Auftakt des Kölner CSD mit einer gewissen Ambivalenz zwischen Feierlaune und politischem Aktivismus.