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Sommerhitze in KölnWie eine Initiative die Bäume in ihrem Veedel rettet

Lesezeit 4 Minuten

In einigen Beet-Abschnitten wurden Schläuche installiert (l.), andere gießt Thomas Bliesener von Hand (r.)

Köln – Die Hände von Gabriele Kiefer weisen dieser Tage regelmäßig zahlreiche Schwielen auf. Schuld daran ist die Hitze, genauer die Trockenheit, unter der neben den Menschen vor allem auch die Pflanzen im Belgischen Viertel in der Innenstadt leiden. Darum bewässert die 59-Jährige in ihrem Quartier rund um den Brüsseler Platz seit Wochen täglich mehrere Stunden lang die Bäume – große Platanen, Linden und Buchen rund um die Kirche Sankt Michael, aber auch Trompetenbäume, einen Feigenbaum sowie die zahlreichen weiteren Rosen, Sträucher und anderen Bepflanzungen der Hochbeete auf dem Platz, in dessen direkter Nähe sie wohnt.

„Das gesamte Areal ist viel zu groß, um es allein zu gießen, darum habe ich mich hier als eine Art Antreiberin etabliert“, sagt Kiefer. Freunde, Nachbarn und Bekannte, eigentlich alle Menschen, die sie täglich trifft, bittet sie, sich einzubringen. Einer davon ist Thomas Bliesener. Als eines von etwa 15 Mitgliedern des Vereins „Querbeet“ steht er mitunter schon morgens um acht mit einem Schlauch auf dem Platz und bewässert einen Abschnitt. „Das passt mir vom Zeitmanagement her besser, nachmittags und abends übernehmen dann andere hier“, sagt er.

Die Stadt unterstützt die Arbeit

Der Verein, der sich vor einigen Jahren aus einer Bürgerinitiative heraus in dem Quartier gebildet hat, engagiert sich bereits seit Jahren für die Pflanzen in der Nachbarschaft, die Stadt unterstützt die Arbeit mit 300 Euro Aufwandsentschädigung jährlich. Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) soll Gabriele Kiefer zufolge in diesem ungewöhnlich heißen Jahr in Aussicht gestellt haben, dass es mehr Geld werden könnte.

Alles zum Thema Brüsseler Platz

Gabriele Kiefer bewässert die Pflanzen über einen Hydranten am Brüsseler Platz.

„Anfangs habe ich manchmal einfach fremde Männer angesprochen, die stark genug aussahen, um aufgerollte Schläuche zu tragen und anzuschließen“, sagt Kiefer und schmunzelt. Seit Mai, Juni, funktioniert alles besser.

Die Bäume und anderen Pflanzen in den Beeten werden auf dem Brüsseler Platz inzwischen täglich in einem „zuverlässigen Abschnitts- und Schichtbetrieb“ gegossen. „Teilweise über Stunden hinweg und von morgens um acht bis abends zehn Uhr“, sagt Kiefer. Eigentlich ist die 59-Jährige Kinderbuch- und Romanautorin, momentan verausgabt sie sich allerdings körperlich oft „bis an die Grenze“, wie sie sagt, „danach ist man fix und fertig“.

Kölner wollen sich für Pflanzen einsetzen

Mehr als einen Kilometer Wasserschläuche haben die Anwohner und der Verein inzwischen entlang des Brüsseler Platzes verlegt, aus zwei Hydranten wird der Wasserbedarf gespeist. „Einen davon stellt uns kostenlos die Rhein-Energie auf Vermittlung von Joachim Bauer vom Grünflächenamt zur Verfügung“, erläutert Gabriele Kiefer. Mit ihm tausche man sich über die Bewässerungsarbeit aus. Die Tätigkeiten am Brüsseler Platz bleiben indes nicht unbemerkt, auch von andernorts in der Stadt würden sich Kölner gern für die trockenen Pflanzen einsetzen.

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„Letzten Samstag war eine Gruppe vom Rathenauplatz hier und hat sich angesehen, wie wir hier vorgehen. Dass dabei auch zunächst Kritik an der Stadt geübt wurde, ließ sie aber nicht gelten. „Die Stadt tut nichts, ist hier falsch – das Grünflächenamt unterstützt unsere Arbeit und ist dankbar für die Hilfe. Der Verein Querbeet trägt gern mit Rat und Tat dazu bei, dass sich angesichts der Rekordtrockenheit insgesamt mehr Menschen in Köln eigenverantwortlich einbringen. „Dabei kann man sich eben nicht immer nur auf die Stadt berufen“, sagt Kiefer.

„Es gibt eine Verantwortung für das eigene Veedel“

Und Thomas Bliesener ergänzt: „Es kommen selbst einige Vereinsmitglieder zum Gießen hierher, die längst weggezogen sind. Es gibt eine Verantwortung für das eigene Veedel.“ Dass die Arbeit nicht nur schwer, sondern auch verbindend ist, sehen Kiefer und Bliesener täglich an den Reaktionen der Mitbürger.

In einigen Beet-Abschnitten wurden Schläuche installiert (l.), andere gießt Thomas Bliesener von Hand (r.)

„Kinder spritzen sich unter den Wasserschläuchen nass und haben Spaß, man kommt mit anderen ins Gespräch, und jeder bringt ein paar Meter Schlauch, eine Schubkarre oder mindestens einen guten Ratschlag ein“, so die Autorin. Und obwohl der Fahrer eines Porsche SUV am letzen Wochenende einen der Hydranten kurzerhand umgefahren hat, wurde die Bewässerung nicht eingestellt. „Es ging mit Gießkannen weiter, und am Montag hat die Rhein-Energie den Schaden repariert“, sagt Gabriele Kiefer.

Trotzdem, sagt die 59-Jährige mit einem besorgten Blick auf die braunen Buchen und Linden entlang der Moltkestraße: „Dort waren wir auch schon aktiv, aber die Straße ist lang. Wir können nicht überall helfen – und wenn es nicht endlich mal regnet, sind wir hier eine grüne Oase inmitten einer verdorrten Umgebung.“

Wer sich für Querbeet und die Arbeit des Vereins am Brüsseler Platz interessiert, kann Kontakt über das Internet aufnehmen.

bruesseler-platz.de

Straßenbäume gießen

Das Amt für Landschaftspflege und Grünflächen der Stadt ist dankbar für die Unterstützung von Bürgern, die sich an der Bewässerung von Straßenbäumen beteiligen wollen. „Das sollte aber im Rahmen des Leistbaren bleiben und niemanden überfordern“, so der stellvertretende Leiter Joachim Bauer. Augenmaß sei gefragt, niemand müsse Platanen auf dem Neumarkt wässern. Wasser benötigten junge bis mittelalte Bäume und solche an extremen Standorten.