Die KVB nennt ein Datum, an dem die Bauarbeiten am eingestürzten Stadtarchiv fertig sein soll. Ein Ortsbesuch.
Eingestürztes StadtarchivLkw pumpen mehr als 3300 Tonnen Beton in Loch am Kölner Waidmarkt
Ein junger Schüler, nicht mal doppelt so groß wie der Rucksack auf seinem Rücken, steht am späten Dienstagmittag vor der Baustelle am Waidmarkt. Insgesamt 170 Lastwagen fahren dort seit 14 Uhr mit Beton an die Grube, dieser wird in der untersten Ebene auf eine Kiesschicht gefüllt. Tage wie dieser Dienstag, an dem rund 50 Bauarbeiter im Auftrag der ARGE Süd und der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) hier versuchen, mit den Trümmern umzugehen, sind besonders. Denn die Dimension des Lochs, das Innenstadt und Südstadt seit dem Einsturz des Stadtarchivs am 3. März 2009 trennt, sind dann deutlich zu erkennen.
Der Junge, einen weiteren Rucksack am Bauch tragend, starrt fasziniert in Richtung der Bauarbeiter, die eine Ladung Beton nach der anderen in Richtung Grube koordinieren, und atmet ihnen bei vier Grad Außentemperatur kleine Wölkchen entgegen. Dann setzt er seine Kopfhörer auf und dreht ab.
Viel mehr als der junge Gymnasiast bekommt auch die Kölner Öffentlichkeit nicht von den Vorgängen auf der ewigen Baustelle mit. Begehungen sind streng verboten, dafür müssten die Arbeiten laut KVB unterbrochen werden. Ohne Unterbrechung wird die Stabilität der Baugrube gemessen. Die Arbeitsschritte verfolgen zunächst ein Ziel: das Einfallen weiterer Straßen und Gebäude in die Grube zu vermeiden. „Die Baustelle ist absolut sicher“, sagt KVB-Sprecherin Gudrun Meyer, die sich seit Jahren hauptberuflich mit eben jenem Loch befasst.
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Kölner Waidmarkt: 3332 Tonnen Beton in 17 Stunden
1.360 Kubikmeter Beton werden 17 Stunden lang in das dritte Untergeschoss des Bauwerks, aus dem in den 2030er-Jahren eine U-Bahn-Station werden soll, verfrachtet. In Gewicht: 3332 Tonnen. Damit sich der Beton gleichmäßig verteilt, muss auch über Nacht gearbeitet werden. Das Material kommt aus drei Werken in Pulheim, Eschweiler und Hürth.
Ein Drittel der Wagen fährt die Baustelle von Norden her an und entlädt den Beton in eine Pumpe vor dem Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Zwei Drittel der Lieferungen werden von Süden her auf die Baustelle gefahren, wo zwei weitere Betonpumpen dafür sorgen, dass sie in der Tiefe ankommen.
Selbst von oben ist nichts von den eigentlichen Arbeiten zu erkennen, denn sie finden unter Wasser statt. Industrietaucher haben die Schläuche so verlegt, dass sie die Massen an die richtigen Stellen des einstigen Bauwerks leiten. Darüber liegt bereits eine Kiesschicht, die ebenfalls von den Tauchern sortiert werden musste. Nun saugen sie den Schlamm ab, der beim Ausschütten des Betons entsteht. Mit der Bauleitung sind sie über ein Kabel verbunden, das sie gemeinsam mit ihrem Sauerstoff-Schlauch in die Tiefe begleitet – auch über Nacht.
Für die KVB-Station muss der Beton wieder gesprengt werden
Das Auffüllen des Betons ist auf dem Weg zur Wiederherstellung des Waidmarkts und der U-Bahn-Station nur ein kleiner Zwischenschritt. Anfang kommenden Jahres folgt ein ähnliches Manöver eine Etage höher. Anschließend werden Metallplatten auf der Fläche verlegt und eine Wandschicht aus Beton um die obere Fläche des Lochs gebaut. Das große Zwischenziel: Der Waidmarkt soll oberirdisch Ende 2024 begehbar sein, die Verbindung zwischen Innenstadt und Südstadt ist, wenn alles gut geht, in einem Jahr wiederhergestellt.
Danach beginnt gewissermaßen die richtige Arbeit. Wenn oberirdisch nur noch wenig nach Baustelle aussieht, soll unter der Erde ein U-Bahn-Tunnel mit einem Wechselgleisbauwerk entstehen – genau dort, wo dieser Tage Beton eingefüllt wird. Dieser muss dafür auf den verschiedenen Ebenen mit Wasserdruck wieder gesprengt und mit einem Kran aufwendig abtransportiert werden. Der Arbeitsschritt ist wesentlich größer als die nun laufende, 17-stündige Dauerbefüllung.
Richtung der Bauarbeiten muss sich immer wieder ändern
Über die Zeit nach 2024 sagt Meyer: „Man wird sich sukzessive wieder nach unten arbeiten und die Baustelle dabei immer wieder gegen den Druck von außen sichern. Dann entsteht eine Betonsohle unter Wasser, von der aus man sich wieder nach oben bauen wird.“ Die Richtung der Bauarbeiten muss sich also immer wieder ändern, mal geht es nach oben, mal nach unten. Damit Fortschritt ohne gleichzeitige Gefährdung der Sicherheit überhaupt zu schaffen ist.
Bis die Ziele, eine funktionierende U-Bahn-Station und eine oberirdische Begehbarkeit, erreicht sein können, wird noch fast ein Jahrzehnt vergehen. „Wenn wir den Zeitplan einhalten, gehen wir davon aus, dass wir in acht Jahren fertig sind“, sagt Meyer und stellt offenbar bewusst keine Jahreszahl in den Raum. Denn das ursprüngliche Ziel, das Thema Waidmarkt noch in den 20er-Jahren abhaken zu können, ist bereits verfehlt worden. Jetzt geht die KVB von Ende 2031 aus und weiß zugleich, dass sie diese Jahreszahl angesichts der Komplexität nicht versprechen kann.
Selbst, wenn es gelingt, wären es fast 23 Jahre, in denen ein Loch in der Innenstadt unübersehbar an das Ausmaß der Katastrophe vom 3. März erinnert. Die kindliche Faszination für das Geschehen vor Ort hat der Schüler mit den zwei Rucksäcken, der den eigentlichen Waidmarkt nie kannte, nicht exklusiv. Als der Beton am Donnerstag zu fließen beginnt, schauen zahlreiche Passanten in die Grube herab. Kaum etwas ist zu erkennen, aber das Wenige reicht noch immer für viele ungläubige Blicke.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version war von einer geplanten Bahn-Haltestelle unter dem Waidmarkt die Rede. Diese Angabe ist inzwischen korrigiert worden.