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Nach 93 JahrenKölner Traditionsgeschäft Stoffmüller muss bald schließen

Lesezeit 3 Minuten
Frau in einem Stoffgeschäft

Stoffmüller-Inhaberin Sandra Haschke-Hagdorn

Aus einem Mitarbeiterinnen-Stab von 15 Frauen sind nur noch zwei übriggeblieben. Stoffmüller schließt Ende Februar aus Personalnot.

Dieses Anstellungsverhältnis ist rekordverdächtig. Denn länger als Christine Bromand dürfte selten eine Mitarbeiterin einem einzigen Arbeitgeber treu gewesen sein: 55 Jahre sind es inzwischen, seitdem die damals 15-Jährige bei Stoffmüller in die Lehre kam. Nun muss die inzwischen 70-Jährige miterleben, dass das Haus, in dem sie nach eigenen Worten „ein ganzes Leben verbracht“ hat, den Räumungsverkauf eingeläutet hat. Im Februar wird sie die letzten Male den hölzernen Maßstab an die Ballen mit den verschiedensten Karnevalsstoffen anlegen, dann ist es vorbei.

Christine Bromand mit einem Stoffballen

Christine Bromand begann vor 55 Jahren ihre Lehre bei Stoffmüller. Heute arbeitet die 70-Jährige noch aushilfsweise im Geschäft mit.

Nach Gummi-Grün, Silber-Becker, dem Besteckhaus Glaub und vielen anderen schließt eine weitere Kölner Einzelhandelsikone, und damit verschwindet noch ein Traditionshaus auf Nimmerwiedersehen aus dem Stadtbild.

Die Arbeitszeiten des Einzelhandels will keiner mehr
Sandra Haschke-Hagdorn

Sandra Haschke-Hagdorn ist die Trauer, von der sie spricht, nicht anzumerken. Noch nicht. Die 49-Jährige Inhaberin hatte Tierärztin werden wollen und ein entsprechendes Studium begonnen. Dass sie 2016 am Offenbachplatz gegenüber der seit Jahren andauernden Opernbaustelle das Stoffgeschäft von ihrem Vater Bernd Hagdorn übernahm, war ursprünglich nicht geplant gewesen. „Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es die Firma irgendwann nicht mehr gibt, ich kann es mir bis heute nicht vorstellen“, sagt die Frau, die seit acht Jahren täglich mit im Geschäft steht und der Kundschaft den gewünschten Stoff von einer der unzähligen Rollen abschneidet.

Alles zum Thema Corona

Ähnlich unvorstellbar wie das Geschäftsende in anderthalb Monaten ist die Tatsache, dass bei Bernd Hagdorn noch 15 Mitarbeiterinnen beschäftigt waren. Heute sind es noch zwei. Die meisten sind bereits in Rente gegangen, einige inzwischen verstorben. Neue Bewerberinnen bleiben aus. „Die Arbeitszeiten des Einzelhandels will keiner mehr“, sagt Sandra Haschke-Hagdorn, die nur über eines froh ist: „Dass ich nur zwei Menschen entlassen muss.“

Näh-Boom war nur vorübergehend

Während der Corona-Pandemie hatte es so ausgesehen, als gäbe es einen neuen Näh-Boom. Aber es war kein lang anhaltendes Interesse am Selber-Schneidern. Die Stoffmüller-Chefin glaubt, dass heute nur noch in etwa zehn Prozent der Privat-Haushalte eine Nähmaschine vorhanden ist. Sie bedauert, dass in den Schulen keine Handarbeit mehr gelehrt wird und natürlich auch, dass sich angesichts der überall verfügbaren Kleidung zu Billigpreisen das Nähen kaum mehr lohnt.

„Die Leute sparen.“ Das stelle sie längst auch in der Karnevalszeit fest. „Man gibt das Geld lieber fürs Bier aus.“ Die Generation heute sei eben anders. Bereits im vergangenen Sommer hatte Stoffmüller das Ladenlokal verkleinert und das Untergeschoss geschlossen.

Julius Müller gründete einst das „Meterwaren-Fachgeschäft“

Völlig anders war die Situation vor 93 Jahren, als Julius Müller das „Meterwaren-Fachgeschäft“ eröffnete. In besten Zeiten ballten sich rund 60.000 Meter Woll- und Leinenstoff, Baumwoll-, Samt- und Tüllware auf Kölns beliebter Stoff-Etage, die sich jahrzehntelang im ersten Stock des Eckhauses Schildergasse/Kreuzgasse befand und ein Eldorado für Schneider, Karnevalisten und Kostümbildner war. Es gab allein drei Regale für Seide. Heute unvorstellbar.

Weil das Gebäude dort abgerissen werden sollte, zog das Unternehmen vor 15 Jahren an den Offenbachplatz, wo es 1995 von Bernd Hagdorn übernommen wurde. Er war kein Seiteneinsteiger, sondern bereits bei Stoffmüller in die Lehre gegangen.

Wie ihre eigene Zukunft aussehen wird, weiß Sandra Haschke-Hagdorn noch nicht. Allerdings wird sich das Stoffmüller-Gebäude sehr verändern, weil darin Appartements geplant sind. „Das ganze Haus wird umgebaut.“