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„Warum sollen wir es jetzt glauben?“Kölner Politiker „erschüttert“ über Bühnendebakel und Auftritt der Stadtspitze

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Die Baustelle der Bühnen am Offenbachplatz.

Die Baustelle der Bühnen am Offenbachplatz.

In einer Aktuellen Stunde diskutierte die Kölner Politik die neuen Verzögerungen der Bühnen-Sanierung. Es gab heftige Kritik an zwei Dezernenten.

CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau hat es als zentrales Thema für die Sanierung der Bühnen bezeichnet, „dass jetzt eine verlässliche und stabile Planung aufgestellt wird, damit das Projekt nicht endlos wird“. Was angesichts der erneuten Verzögerung und Kostenexplosion am Offenbachplatz eine aktuelle Analyse von Petelkau sein könnte, ist tatsächlich ein Satz aus der Sitzung des Hauptausschusses des Kölner Stadtrates am 3. August 2015. So steht es im Sitzungsprotokoll.

Damals diskutierte das Gremium in einer Aktuellen Stunde mit dem Titel: „Bühnendebakel – Gründe und Folgen“. Zuvor hatte die Stadtverwaltung im Sommer 2015 die geplante Eröffnung am Offenbachplatz im November 2015 abgesagt, weil aus ihrer Sicht die Pläne für die Haustechnik nicht umsetzbar waren.

Erneute Aktuelle Stunde

An diesem Dienstag – also neun Jahre, einen Monat und 15 Tage später – stand wieder eine Aktuelle Stunde an, dieses Mal im Betriebsausschuss Bühnen des Rates. Ähnlich wie 2015 mit dem Titel: „Bestandsaufnahme bei den Bühnen – Strukturelle Verantwortlichkeiten und bauliche Ursachen für die weiteren Verzögerungen“.

Es ist der – erneute – Versuch der Politik, zu verstehen, was da seit Jahren schiefläuft am Offenbachplatz. Warum schafft es diese Stadt seit 2012 nicht, die rund 2300 Räume in Oper, Schauspiel, Kinderoper und Kleinem Haus fertig zu sanieren? Mittlerweile läuft zwar die Umsetzung der neuen Pläne auf der Baustelle, doch es geht viel zu langsam, zudem gibt es erneut Planungsfehler und Ausführungsmängel.

Ausschussmitglied beklagt Märchenstunde

Der neue Projektmanager Jürgen Marc Volm zeigt am Dienstag eine Präsentation mit vielen Schaubildern und Organigrammen. Er stellt das Projekt seit Mai neu auf, um es ins Ziel zu bringen. All die Schaubilder erinnern an die vergangenen Jahre, als der damalige Sanierungschef Bernd Streitberger in ähnlicher Form ebenfalls für neue Strukturen und um Vertrauen warb – und es trotzdem mit der Fertigstellung nie wie anvisiert klappte.

Jörg Kobel von der Linken sagte danach: „Ich habe jetzt drei Jahre die Märchenstunde von Bernd Streitberger gehört. Wie soll ich jetzt etwas glauben, wenn ich drei Jahre belogen wurde?“ Der kulturpolitische Sprecher der CDU, Ralph Elster, schloß sich an: „Und täglich grüßt das Murmeltier. Vieles von dem, was sie gesagt haben, haben wir schon 2015 gehört.“

Kosten bis zu 1,5 Milliarden Euro

Überraschend sagte Elster sogar: „Wenn der Bau weitere 500 Millionen Euro kosten sollte, müssen wir überlegen, ob wir das Projekt stoppen. Da muss auf jeden Fall drüber nachgedacht werden.“ Elster stellt damit unter bestimmten Bedingungen den Weiterbau infrage.

Ende August hatte die Stadt zuletzt mitgeteilt, dass die Sanierung alleine Baukosten von bis zu 798 Millionen Euro verschlingt, und statt am 28. Juni frühestens Ende 2025 beendet ist. Das Tempo auf der Baustelle ist demnach zu langsam, plötzlich ist die Rede davon, dass Leistungen „aufgrund von Planungs- und Ausführungsmängeln wieder zurückgebaut werden müssen“. Volm soll es nun mit Baudezernent Markus Greitemann richten.

Inklusive der Kosten für die Finanzierung, der Bauzeitzinsen und der Interimsspielstätten nähert sich das Großbauprojekt der 1,5-Milliarden-Euro-Marke. Eine Rückkehr aus den rechtsrheinischen Interimsspielstätten zurück an den Offenbachplatz ist wahrscheinlich erst 2026/2027 realistisch. Das bestätigte Opernintendant Hein Mulders.

Das Architekturmodell für die Sanierung am Offenbachplatz.

Das Architekturmodell für die Sanierung am Offenbachplatz.

Aktuelle Stunden wie am Dienstag sind ein Instrument der Politik, um Themen von aktuellem Interesse zu diskutieren. Und die Sanierung ist nach all den Jahren immer noch ein Aufreger, weil sie verlässlich negative Nachrichten produziert. Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitta von Bülow, nannte die neuen Nachrichten „unerträglich“.

Unsere Energie legen wir nicht in die Beantwortung von Fragen aus der Vergangenheit.
Baudezernent Markus Greitemann

Vergangene Woche hatte Kulturdezernent Stefan Charles im Kölner Presseclub schon angekündigt, keinen „Sündenbock“ suchen zu wollen. Greitemann äußerte sich am Dienst ähnlich: „Unsere Energie legen wir nicht in die Beantwortung von Fragen aus der Vergangenheit.“

Baudezernent Markus Greitemann.

Baudezernent Markus Greitemann.

Doch diese Strategie macht die anwesenden Politikerinnen und Politiker einigermaßen fassungslos. Von Bülow sagte: „Ich bin erschüttert, dass mir zwei Beigeordnete sagen, sie wollten nicht in die Vergangenheit schauen.“ Auch Lorenz Deutsch, kulturpolitischer Sprecher der FDP, bezeichnete die Worte von Greitemann als „irritierend“.

Die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Maria Helmis-Arend, forderte ein Gremium, das sich mit der Dauerbaustelle auseinandersetzt. Laut Satzung ist ein Untersuchungsausschuss zwar nicht möglich, aber Helmis-Arend sagte, sonst nenne man es eben Expertengremium.

Gutachten liegt seit 2017 vor

Tatsächlich liegt seit mittlerweile sieben Jahren ein Gutachten zur ersten Bühnenhavarie 2015 vor. Die Kanzlei „Hecker, Werner, Himmelreich“ (HWH) hatte es 2017 geliefert, nachdem der Rat es gefordert hatte. Doch das Gutachten hatte ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil die Kanzlei vorher selbst an der Sanierung beteiligt war und dafür von der Stadt bezahlt worden war. Unter anderem hatte sie der Verwaltung zur Kündigung des Haustechnik-Planers Deerns geraten hatte.

Laut der Analyse waren vor allem die Firmen am Bühnendebakel schuld. Die Kanzlei schlug 17 Verbesserungen vor, sie sollten generell helfen, die städtischen Probleme auf den Baustellen in den Griff zu bekommen.

Über all die Jahre war eines der großen Themen dieser Sanierung, wie die Firmen koordiniert ihre Arbeiten erledigen. Und das ist immer noch ein Problem, wie Volm am Dienstag sagte: „Wir haben in allen Bereichen sehr viele Koordinationsthemen.“ Und: „Wir wissen jetzt, was wir tun müssen. Wir haben an die Oberfläche gebracht, was bislang unter der Oberfläche war.“

Um 17.07 Uhr sagte Greitemann: „Diese Baustelle ist baulich fertig zu stellen.“ Das hatten einige Ausschussmitglieder bezweifelt. Nach zwölf Jahren Sanierung und 665 Millionen Euro reichte diese eigentlich selbstverständliche Aussage sogar aus, um vereinzelte Ausschussmitglieder dazu zu bringen, auf den Tisch zu klopfen. Wenig später waren zwei Stunden voller Wut, Unmut und Rechtfertigungen beendet.