Die Hohe Straße ist zurzeit in einem desolaten Zustand. Doch nach Ansicht von Experten ist das auch ein Zeichen des Umbruchs.
Leerstände, Döner, BilligmodeWarum die Hohe Straße erschreckend aussieht – aber Hoffnung besteht
Der Horror auf der Hohe Straße beginnt abrupt. Nach Luxusmarken wie Wempe und Breitling auf dem Wallrafplatz, der derzeit teuersten Lage in Köln, schließen sich zunächst noch hochwertige Geschäfte wie Michael Kors und Rimowa an. Doch ein paar Schritte weiter wähnt sich der Besucher auf einmal in der heruntergekommenen Fußgängerzone einer verarmten Kleinstadt.
Leerstand folgt auf Billigklamotten folgt auf Frittenbude folgt auf Leerstand – manche Geschäfte sind sogar mit Holzbrettern zugenagelt. So schlimm hat die Hohe Straße seit langem nicht mehr ausgesehen.
Mehr als ein Drittel der Ladenlokale wird derzeit nicht genutzt
Thomas Nandzik ist Immobilienberater und Einzelhandelsspezialist, er arbeitet seit Jahrzehnten in der Innenstadt und kennt die Entwicklung jedes Ladenlokals. 85 gibt es in der Hohe Straße. „Mehr als ein Drittel davon ist vakant“, sagt er. Das heißt, das Ladenlokal steht leer, ein Nachmieter ist noch nicht gefunden oder noch nicht eingezogen, das Gebäude wartet auf einen Umbau oder sogar Abriss. Hinzu kommen zahlreiche Interimsnutzungen durch No-Name-Modegeschäfte, Frittenbuden und Süßigkeiten-Läden. Filialisten wie Promod und Hallhuber gingen pleite oder reduzierten wie Douglas die Niederlassungen. Das hinterließ Lücken.
Alles zum Thema Schildergasse
- Auswertung des BKA Fast täglich ein Femizid – Gewalt an Frauen nimmt zu
- Parken in Köln Parkhausbetreiber installiert 63 Ladestationen für E-Autos
- Discounter auf Einkaufsmeile Kik will sein Ramsch-Image loswerden – was das für die Hohe Straße bedeutet
- Anbau am „Weltstadthaus“ Kritik an geplantem 50-Meter-Hochhaus in der Kölner City
- Pläne für „Weltstadthaus“ Neues 50-Meter-Hochhaus für die Kölner Schildergasse geplant
- Kölner putzen die Innenstadt „Manche Ecken sind so, dass man einen Bogen macht“
- Sauberkeit, Grün, Bänke Passanten in Kölner Innenstadt werden nach ihrer Zufriedenheit befragt
Die Hohe Straße ist eine der meistfrequentierten Einkaufsstraßen in Deutschland. Viele Eigentümer finden trotzdem nur noch schwer Mieter. Früher habe man die Mietverträge meistbietend versteigern können, scherzt Nandzik. Während man in guten Zeiten noch mit bis zu 260 Euro pro Quadratmeter rechnen konnte, muss nun verhandelt werden. „Die Mieten sind um 20 bis 40 Prozent heruntergegangen“, sagt Nandzik. Wie stark, hänge sehr individuell vom Objekt ab.
Vor allem vom baulichen Zustand. Wenn man in der schmalen Straße einmal ausnahmsweise nach oben schaut, sieht man, dass hier vor allem lieblose Nachkriegsbauten stehen, in die augenscheinlich nichts investiert wurde, die oberen Etagen stehen oft leer. Das rächt sich nun.
Köln: Hohe Straße ist sehr gefragt, aber die Bausubstanz oft zu schlecht
„Die Hohe Straße ist weiterhin bei vielen Geschäftsleuten gefragt, aber sie stellen jetzt Bedingungen“, sagt Nandzik. Zum Beispiel, dass der Besitzer umbaut, die Miete senkt und der Vertrag eine kurze Laufzeit hat. Die meisten Mieter wollen ohnehin nur das Erdgeschoss, in dem erfahrungsgemäß die Umsätze gemacht werden.
Noch lassen sich nicht alle Immobilienbesitzer darauf ein. Doch inzwischen wollen viele ihre Häuser modernisieren oder sie verkaufen entnervt an Investoren. Die Folge: Auf der Hohe Straße stehen über Jahre hinweg Baustellen an. Aktuell zählt Nandzik 18 kleine und große Baustellen, auf einigen davon hat die Arbeit noch nicht begonnen.
Leer steht zum Beispiel die Hohe Straße 152-154, nicht weit entfernt vom Wallrafplatz. Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte eine Sprecherin der Aachener Grundvermögen, der die Immobilie gehört: „Wir planen den Abriss des Gebäudes, um es mit einem gemischt genutzten Neubau zu ersetzen, der den heutigen Marktanforderungen entspricht und mit dem gleichzeitig neuer innerstädtischer Wohnraum entsteht.“
Geplant sei ein sechsgeschossiger Neubau. Im Erdgeschoss soll es Einzelhandelsflächen geben, im ersten und Obergeschoss Büros, darüber sechs Wohnungen. Der Bauantrag sei eingereicht, wenn alles planmäßig läuft, könnte im Herbst 2024 mit dem Bau begonnen werden. Mitte 2026 soll er fertig sein.
Bauarbeiten werden die Kölner Hohe Straße über Jahre prägen
Fest steht auch der Umbau des ehemaligen Modegeschäfts „Mantelhaus Görtz“ (zuletzt Silber Becker) an der Ecke Brückenstraße und der Abbruch einiger schmaler Häuschen an der Ecke Große Budengasse, an deren Stelle ein Neubau entstehen soll. Für beide Bauprojekte, die eine Mischung aus Gewerbe, Büro und Gastronomie samt Dachterrassen vorsehen, hat der bayerische Immobilienentwickler Ehret und Klein im März 2023 Anträge auf Baugenehmigungen gestellt. In der Regel dauert es bis zur Erteilung der Genehmigung ein Jahr, für den Bau müssen zwei Jahre berechnet werden.
Auch der Riegel am Knick zur Schildergasse soll neu gestaltet werden. Von dem bereits sanierten Uniqlo-Gebäude bis zum ehemaligen Wempe-Eingang sollen die Häuser saniert und architektonisch angepasst werden. Ein Zeitplan ist noch nicht bekannt. Wenige Meter weiter verschwindet der Interimsstandort der Zentralbibliohek derzeit noch hinter einer Bauplane. Das Haus soll Anfang 2025 komplett eröffnet werden.
„Die Bauarbeiten werden die Hohe Straße noch über Jahre prägen. Aber es ist gut, dass jetzt endlich etwas angefasst und umgesetzt wird“, sagt Nandzik. Es liege nun an den Immobilienbesitzern, hier mitzuwirken. Wie kompliziert die Verhandlungen im Einzelfall sind, zeigt das Vorhaben „Mantelhaus Görtz“. Den Investoren gelang es nicht, das komplette Gebäude zu erwerben, sodass nun um das Element mit der grauen Fassade herumgebaut werden muss. Im Erdgeschoss befindet sich derzeit eine Imbissbude. Zwei andere Projekte mussten gestoppt werden, weil ein Leverkusener Immobilienentwickler pleiteging.
Immobilienbesitzer der Hohe Straße haben Initiative gebildet
Aber das Engagement ist da. Einige Immobilienbesitzer sind Mitglieder in der Initiative Kölner Handelslagen im Kölner Stadtmarketing. Frank Wenzel, Geschäftsführer der Aachener Grundvermögen, die zehn Objekte auf der Hohe Straße besitzt, ist Sprecher der Initiative. Zum geplanten Neubau Hohe Straße 152-154 sagt er: „Das Projekt ist Teil unserer Bestrebung, gemeinsam mit weiteren Immobilieneigentümerinnen und -eigentümern in der Initiative insbesondere Kölns älteste Einkaufsstraße Hohe Straße aufzuwerten.“
Auch Michael Ehret von Ehret und Klein ist überzeugt, dass die Hohe Straße ein Zukunftsstandort ist. „Wir finden sie sehr spannend, das ist immerhin eine der wichtigsten Einkaufsstraßen Deutschlands und hat viel Potenzial. Aber es gilt auch in A-Städten und A-Lagen neu zu denken, damit sie weiterhin leben und pulsieren.“ Man wolle an diesem Transformationsprozess teilhaben, deshalb habe man sich erstmals für Projekte in Köln entschieden.
Die städtische Wirtschaftsförderung Köln-Business berichtet, dass in Köln die Nachfrage nach Einzelhandelsflächen größer ist als das Angebot. Thomas Nandzik führt weiterhin interessierte Geschäftsleute durch die Hohe Straße. „Wenn die Immobilie gut und zeitgemäß ist, wird sie auch vermietet.“ Auch wenn es zurzeit eher erschreckend aussehe, werde sich bald alles immens verbessern.