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Kölner Bühnen-SanierungOB Reker nennt Verzögerung erneut „Desaster“ – Kosten von 1,3 Milliarden Euro

Lesezeit 6 Minuten
Blick auf die Baustelle im Opernhaus im Januar 2023

Blick auf die Baustelle im Opernhaus im Januar 2023

800 Millionen Euro reine Baukosten statt 253 Millionen Euro und 14 statt drei Jahre Bauzeit. Das sind die neuen Daten der Bühnen-Sanierung.

Offiziell hat die Pressekonferenz an diesem Donnerstagmittag im Historischen Rathaus noch gar nicht begonnen, da beugt sich Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) zu Baudezernent Markus Greitemann herüber und sagt einen Satz, der viel offenbart. „Schön ist das nicht“, sagt Reker. Mit „das“ meint Reker die Sanierung am Offenbachplatz.

Wieder dauert der Bau länger, wieder kostet er mehr – wie so oft in der Vergangenheit. Und seit Donnerstag ist offiziell klar: Reker wird trotz zehn Jahren Amtszeit die sanierten Bühnen nicht eröffnen, außer sie tritt überraschend doch noch im Herbst 2025 zur OB-Wahl an und würde gewählt. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Worum geht es?

Alles zum Thema Henriette Reker

Seit 2012 lässt die Stadt Köln die Bühnen am Offenbachplatz sanieren. Es geht um die denkmalgeschützte Oper (1291 Plätze), das denkmalgeschützte Schauspielhaus (700 Plätze), das Kleine Haus (220 Plätze) und die unterirdische Kinderoper (217 Plätze). Ursprünglich sollte das Großbauprojekt geschätzt 253 Millionen Euro kosten und 2015 beendet sein. Insgesamt geht es um 2300 Räume auf der Baustelle. Die Oper spielt interimsmäßig im rechtsrheinischen Staatenhaus, das Schauspiel ebenfalls im rechtsrheinischen Depot.

Was hat die Stadt am Donnerstag verkündet?

Dass die vier Häuser erst im zweiten Halbjahr 2025 fertig gebaut sind. Zuletzt galt der 28. Juni 2024 als Termin für das Bauende, doch diesen Termin hatte Reker schon am 3. Mai einkassiert, weil der Bau nicht schnell genug vorankam. Im vergangenen November hatte sie schon den 22. März als Termin abgesagt. Die Fertigstellung verzögert sich damit um ein bis eineinhalb Jahre. Das ist das Ergebnis der Analyse der Bauprobleme seit dem 15. Mai. Seitdem ist Projektmanager Jürgen Marc Volm auf der Baustelle gemeinsam mit Greitemann verantwortlich. Der frühere Sanierungschef Bernd Streitberger hatte seinen im Juni auslaufenden Vertrag aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verlängert.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker

Oberbürgermeisterin Henriette Reker

Warum dauert es länger?

Es herrscht zu viel Durcheinander auf der Baustelle. Anders als bei der abgesagten Eröffnung 2015 sind die Pläne für die Sanierung laut des neuen Volm zwar „gut“ und „in Ordnung“, aber in den einzelnen Räumen kommt es immer wieder zu Problemen. Hat beispielsweise eine Firma ihre Arbeit nicht erledigt, kann die nächste nicht weiterarbeiten. Und darüber fehlt laut Volm „der Überblick“. Das Problem ist seit Monaten bekannt, doch selbst tägliche Kontrollen und Absprachen konnten es laut Volm nicht beheben. Es brauche weniger „Komplexität“.

Und wie soll es besser werden?

Durch eine neue Baustellenorganisation. Zunächst soll die Oper fertiggestellt werden, dann das Schauspiel und danach die beiden kleineren Einrichtungen. Volm hat die vier Gebäude in elf Teilbereiche untergliedert, jeder dieser Bereiche erhält einen verantwortlichen Projektmanager. Statt beispielsweise die Arbeiten an der Haustechnik für alle vier Gebäude zu organisieren und durchzuführen, wollen sich die Verantwortlichen auf die jeweiligen Bereiche fokussieren. Aktuell arbeiten rund 150 Menschen auf der Baustelle, es sollen 350 sein, wenn die neue Organisation greift. Von einem Baustopp kann laut Greitemann keine Rede sein.

Das Schauspielhaus und die Oper am Offenbachplatz

Das Schauspielhaus und die Oper am Offenbachplatz

Warum soll es dieses Mal wirklich besser werden?

Schon 2016 hatte die Stadt die Baustelle neu organisiert, Streitberger geholt, fast komplett neu geplant und den Bau wieder ins Laufen gebracht. Auf die Frage, warum die Bürgerinnen und Bürger der Stadtverwaltung dieses Mal glauben sollen, dass es besser wird, verwies Greitemann auf die Wochen voller Analyse: „Ich bin überzeugt, dass das möglich ist.“ Und Reker sagte, sie glaube an Volms Analyse, weil dieser eine analytische, methodische und transparente Vorgehensweise habe.

Was bedeutet die Verzögerung für die Kosten?

Sie steigen. Im vorerst letzten monatlichen Bericht zur Baustelle vom Mai gingen die Verantwortlichen von bis zu 714 Millionen Euro aus. Jetzt sollen es 798 Millionen Euro werden. Das entspricht einem Plus von 11,8 Prozent. Hinzu kommen 371 Millionen Euro Kosten für die Kredite und 130,8 Millionen Euro für das zwölfjährige Interim. Das entspricht 1,299 Milliarden Euro. Allerdings sind die Interimskosten nur bis diesen Dezember gerechnet. Auch sie werden angesichts der Verlängerung erneut noch steigen. Zur Einschätzung: Die vorerst letzte Verlängerung um 18 Monate kostete 17,3 Millionen Euro. Der Stadtrat soll demnächst weitere Gelder freigeben.

Das Architekturmodell von Oper und Schauspielhaus

Das Architekturmodell von Oper und Schauspielhaus

Was bedeutet die Verzögerung für die Eröffnung?

Seit Donnerstag ist endgültig klar: Die Spielzeit 2024/2025 findet nicht am Offenbachplatz statt. Und laut Kulturdezernent Stefan Charles plant die Verwaltung die Spielzeiten 2025/2026 ebenfalls im Interim. Charles sagte zu den Spielzeiten: „Der weitere Bauverlauf wird zeigen, ob dies an den Standorten Depot und Staatenhaus oder am Offenbachplatz sein wird.“ Doch vor diesem Hintergrund scheint eine Eröffnung erst zur Spielzeit 2026/2027 realistisch – 14 Jahre nach dem Sanierungsstart. Zumal es nach Bauende noch einige Zeit für die Inbetriebnahme und die Umzüge der Bühnen an den Offenbachplatz braucht. Anfang 2025 will die Stadt sich konkreter dazu äußern.

Opernintendant Hein Mulders

Opernintendant Hein Mulders

Was sagen die Intendanten?

Opernintendant Hein Mulders sagte: „Die aktuelle Situation der Baustelle am Offenplatz ist natürlich sehr enttäuschend und weiterhin eine große Belastung für unseren Betrieb. Dennoch haben wir aufgrund paralleler Planungen Vorkehrungen treffen können und werden die noch offenen Fragen und die Produktionen dieser Spielzeit an die aktuelle Situation anpassen und das Publikum und die Presse darüber rechtzeitig informieren.“ Und Schauspielchef Rafael Sanchez sagte: Dass wir mit allem gerechnet und so lange zweigleisig geplant haben, hat allen Mitarbeitenden viel abverlangt. Jetzt zahlt es sich aus: Wir können unser Programm bis zum Ende der Spielzeit im Depot durchziehen. Außerdem müssen wir nicht vor dem Sommer anfangen, Kisten zu packen und können dadurch länger in den Juni spielen, was in der zweiten Spielzeithälfte mehr Vorstellungen ermöglicht.

Ist die Sanierung überhaupt möglich?

Angesichts der langen Sanierung ohne Ende wabert immer einmal wieder die Frage durch Rathaus und Politik, ob dieses Großbauprojekt überhaupt zu beenden ist. Ungefragt sagte Reker dazu angesichts der erneuten Analyse: „Gut ist, dass die Bühnen fertig gebaut werden können.“ Und Greitemann sagte, ebenfalls ungefragt, über sich und Volm: „Wir beide sind überzeugt davon und wissen es, dass die Baustelle fertiggestellt wird.“

Was sagt die Oberbürgermeisterin noch?

Dass sie an ihrem eigenen Anspruch gescheitert ist. „Mein eigener Anspruch ist es ja immer, mir übertragene Aufgaben zu erledigen, auch wenn ich sie mir nicht aussuchen kann wie in diesem Fall. Ich habe das Projekt eng begleitet, muss aber jetzt feststellen, dass es mir nicht gelungen ist, das Projekt so fertigzustellen, wie ich es mir vorgestellt habe und wie die Kölnerinnen und Kölner es verdient hätten. Auch wenn ich nicht unmittelbar involviert bin, habe ich als OB natürlich die Verantwortung, der ich mich auch stelle.“ Sie sprach erneut von einem Desaster.

Kann die Stadt Köln sich das Projekt noch leisten?

Reker betont seit Jahren, dass der Zeitpunkt lange vorbei ist, das Projekt zu stoppen. Doch die Verwaltung muss hart sparen, hat deshalb die Fertigstellung des Entwurfes des städtischen Haushaltes nach hinten verschoben. Vereine Verbände und Initiativen werden in den nächsten Monaten merken, ob dieser Sparkurs auch sie betrifft. Reker sagte am Donnerstag: „Einschneidend ist die Nachricht auch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die jetzt mit den erneut steigenden Kosten konfrontiert sind. Es ist schließlich das größte Projekt hier. Das sind große Herausforderungen für uns, gerade bei dem knappen Haushalt.“