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Exzesse am 11. 11. in Köln„Der Chlodwigplatz wird seit Jahren vollgepinkelt“

Lesezeit 5 Minuten

Die Severinstorburg war bevorzugtes Ziel von Wildpinklern am Elften im Elften.

Köln-Innenstadt – Müllberge, gegen die Severinstorburg urinierende Menschen und ein Viertel im Ausnahmezustand: Nach den extremen Erfahrungen der Anlieger rund um den Chlodwigplatz während des Elften im Elften sollte ein Bürgerforum im Pfarramt St. Severin einen Raum für Verbesserungsverschläge schaffen – man wolle „keine Klagemauer initiieren“, hatten die Verantwortlichen vorher betont.

Der Frust kocht hoch

Doch bei den zahlreich erschienenen Bürgern aus der Südstadt und dem Severinsviertel kochte der Frust hoch: Ärger über die ansässigen Gastronomen, das Ordnungsamt, das Festkomitee Kölner Karneval und über die Zahl der Feierlichkeiten in der Südstadt – sie seien mitverantwortlich für die Problematik.

Polizei, Anwohner und Gastronomen diskutierten darüber, wie die Südstadt sich auf die nächsten Karnevalsfeiern vorbereitet.

Es war die Sorge, die an diesem 11. November bei den Anwohnern des Severinsviertels und der Südstadt dominierte. Die Sorge, dass es mit jeder Stunde des Tages schlimmer werden könnte. Und die Bedenken, dass die tollen Tage im Februar das bisher Erlebte toppen könnten. Denn schon am Mittag des Elften im Elften urinierten Menschen an Hauswände, an die Eingänge der Ladenlokale, gegen die Severinstorburg, sie zertrampelten das Beet davor – und hinterließen Berge von Abfall und leeren Glasflaschen.

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Die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) hätten sich in den Glasscherben die Reifen platt gefahren, berichtet Karl-Heinz Walter, der jetzt das Bürgerforum im Pfarramt St. Severin als SPD-Stadtratsmitglied und Vorsteher der „Lobby für die Südstadt“ initiierte. „Solch massive Ausfälle hat hier noch niemand erlebt“, sagt er. „Das war für uns der Grund, jetzt mit Verantwortlichen und Anwohnern das Gespräch zu suchen.“

„Chlodwigplatz seit Jahren vollgepinkelt“

Das vor einem Monat Geschehene darf sich nicht mehr wiederholen – darin sind sich die Bewohner des Severinsviertels und der Südstadt einig. „Dass der Chlodwigplatz bei diesen Festivitäten seit Jahren vollgepinkelt wird, ist man ja schon gewohnt, aber dass das Gleiche jetzt auch auf den Straßen im Viertel passiert, überschreitet eine neue Grenze“, echauffiert sich eine Anwohnerin unter lautem Beifall.

Sie sieht jetzt vor allem die ansässigen Gastronomen in der Pflicht, für Verbesserungen zu sorgen: „Den Umsatz an diesen Tagen machen die Gastronomen auf unsere Kosten und stehlen sich dann aus der Verantwortung. Die müssen gefälligst dafür sorgen, dass auch die wartenden Gäste vor den Lokalen mit Toiletten versorgt sind.“

Veranstaltungen auf anderen Plätzen

Das könnte helfen, glaubt auch ein anderer Bürger – und fragt: Warum gibt es an Karneval nur so wenige strukturierte Veranstaltungen abseits des Chlodwigplatzes? „Es müssen doch die anderen Plätze stärker bespielt werden – damit sich das nicht so unkontrolliert verteilt.“

Also mehr offizielle Partyzonen für das Severinsviertel? Diese Vorstellung gefällt nicht jedem – inzwischen würden die Festivitäten ohnehin schon auch abseits des Karnevals-Treibens überhand nehmen, beschwert sich ein Anwohner: „Das Viertel ist auf dem besten Weg, verballermannisiert und zur Partymeile der ganzen Stadt zu werden. Das muss sich ändern.“

Gastronomen in der Pflicht

Auch Thorsten Fröhlich von der Interessengemeinschaft Severinsviertel sieht die Gastronomen in der Pflicht, das Feiergeschehen stärker in organisierte Bahnen zu lenken. Zudem versuche man, die Probleme um ausartende Feierlichkeiten ebenfalls zu entschärfen, erklärt Alice Baker, Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Bonner Straße/Chlodwigplatz.

Bereits vor den tollen Tagen in diesem Jahr habe sie sich an das Festkomitee Kölner Karneval gewandt, das während der Karnevalstage für die Bewirtschaftung des Chlodwigplatzes verantwortlich sei. „Wir hatten als Aktionsgemeinschaft die Idee, dort einen Toilettenwagen aufzustellen und ebenso Imbissbuden und Getränkestände zu betreiben, um den Wagen zu refinanzieren“, berichtet sie.

Zu wenige Toiletten

Schließlich habe der Festausschuss bisher nur einige wenige Dixi-Toiletten aufgestellt – unzureichend, meint Baker. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass das Festkomitee da bisher fast nichts machen muss.“ Zumal die Idee der AG im Sande verlaufen sei: Der Festausschuss habe die Plätze für Gastronomiestände schon langfristig vergeben, Baker und ihre Mitstreiter könnten auf dem Platz also höchstens einen Toilettenwagen bewirtschaften. Und dafür fehlen den Ehrenamtlichen die Mittel.

Für die Exzesse des Partyvolkes während des Elften im Elften findet auch der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Innenstadt, Matthias Bartneck, deutliche Worte: „Die Probleme haben ein neues Ausmaß erreicht.“ Er glaubt: Ein Grund könnte auch die Absperrung der Zülpicher Straße gewesen sein, was mutmaßlich mehr Menschen dazu bewogen habe, in die Südstadt zu kommen.

AWB kündigen Verbesserungen an

Eine Nachbetrachtung hätte aber auch gezeigt, dass die Lage auf dem Heumarkt und am Alter Markt entspannter gewesen sei – dort hatten offizielle Veranstaltungen stattgefunden. „Wo es Formen der Organisation gibt, passiert weniger“, sagt Bartneck. „Wir sind jetzt an einem Punkt, wo sich das auch für die Südstadt unbedingt empfiehlt.“

Die AWB teilt die Erfahrungen der Polizei – und kündigt Konzeptverbesserungen für die Karnevalstage an: Man will mit Anwohnern ins Gespräch kommen, welche Orte noch stärker in den Fokus der Reinigungsleute rücken sollten. Auch weitere Mülleimer sollen aufgestellt werden. Das ebenfalls zum Bürgerforum eingeladene Ordnungsamt ließ sich übrigens entschuldigen.

Keine eingezäunten Straßenzüge

Karl-Heinz Walter, Initiator des Bürgerforums, verweist auf die Situation am Eigelstein: Dort hatte die Nippeser Bürgerwehr am 11.11. einen Bierwagen aufgestellt, Getränke in Bechern ausgeschenkt und so das Problem um kaputte Glasflaschen in den Griff bekommen. Ein anderer Ansatz könnte das Konzept der Gastronomen in der Schaafenstraße in der Innenstadt sein, meint Michael Schmidt, Verhandlungsführer für die dort ansässigen Gastronomen.

Dort hat man während der Feierlichkeiten die gesamte Straße eingezäunt, Eintrittskontrollen durchgeführt und ein Eintrittsgeld verlangt. Dadurch habe sich die Situation entspannt. Doch eingezäunte Straßenzüge für die Südstadt – das schmeckt nicht jedem Anwohner – und man befürchtet, dass sich die Problematik nur weiter verlagert.

Müllaufkommen verringern

Trotz der kontroversen Diskussion einigten sich die Teilnehmer des Bürgerforums auf drei wesentliche Ideen, mit der die Feierlichkeiten während der anstehenden Karnevalstage im Veedel entspannter bewältigt werden sollen: „Erstens wollen wir, dass die Feier stärker kanalisiert wird“, so Walter. So könnte neben dem Chlodwigplatz auch auf dem Severinskirchplatz für ein offizielles Programm gesorgt werden.

Auch ein Glasflaschenverbot und eine entsprechende Verkaufssperre für Kioskbetreiber sollen angeregt werden, um das Müllaufkommen zu verringern. „Und klar muss sein: Die Verantwortung der Wirte hört nicht an der Kneipentür auf – da fordern wir mehr Engagement“, erklärte Walter. Die gesammelten Ideen sollen an die zuständigen Stellen weitergetragen werden – in der Hoffnung, dass man von den Exzessen des vergangenen 11.11. künftig verschont bleiben wird.