Eine neue Studie zum Einzelhandel in der Kölner City kommt zu teilweise dramatischen Ergebnissen. Und wendet dabei eine neue Methode an.
Neue Studie zur InnenstadtDrastische Veränderung für Einzelhandel – Kölner City verliert wichtige Käufergruppe
Eine beruhigende Nachricht vorweg: Die Passantenfrequenzen in der Kölner Innenstadt haben sich nach der Pandemie wieder weitgehend stabilisiert. Doch im Detail hat sich einiges teilweise drastisch verändert. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die vor allem auf der Auswertung von GPS-Daten basiert. Nach Angaben der Studienmacher ist es das erste Mal, dass diese Methode zur Erforschung von Innenstadt-Einkaufslagen angewandt wurde.
Die wichtigsten Ergebnisse: Die zeitliche Nutzung der City hat sich massiv konzentriert. So kommen rund 45 Prozent der wöchentlich gezählten Besucher der Schildergasse und Hohe Straße freitags und samstags zwischen 12 und 19 Uhr. Auch hat sich die Zusammensetzung verändert. Insgesamt kommen weniger Menschen aus dem unmittelbaren Stadtgebiet in die Einkaufsstraßen.
Besonders eine Personengruppe hat sich aus einem Teil der Innenstadt zurückgezogen: gut ausgebildete junge Großstadtmenschen mit hoher Kaufkraft. Ihr Anteil ging um fast 13 Prozent zurück. Die Besucherstruktur habe sich damit klar verändert. Die Kaufkraft sank um etwa zwei Prozent.
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Die Studie entstand in einer Forschungskooperation der TU Darmstadt, des Instituts für Handelsforschung in Köln sowie der Immobilienspezialisten CBRE (unter anderem Dom-Carré) und JC Real Estate. Studienautor ist Nikolas Müller, Dozent an der hessischen EBS Universität für Wirtschaft und Recht, der unter anderem Architekt und Soziologe ist.
Er spricht von einer „sozialen Transformation“ in der Innenstadt. Dass vor allem die jungen, gut verdienenden Käufer wegbleiben, sei nicht zuletzt eine Folge der Pandemie. „Diese Gruppe hatte aufgrund ihrer Berufe häufig die Chance, im Homeoffice zu arbeiten und hat dabei andere Wege gefunden, um sich mit Waren zu versorgen. Und viele sind im Homeoffice geblieben.“ Das könnte schwerwiegende Folgen haben. Wenn diese Gruppe langfristig wegbleibt, wird die Kaufkraft sinken. Und: „Es fehlt die Innenstadt-Einkaufssozialisation der künftigen Kinder.“ Heißt: Der Besuch in der City wird für immer weniger Kölnerinnen und Kölner eine Gewohnheit.
GPS-Daten der Passanten in Köln ausgewertet
Dank der angewandten Methode seien solch präzise Aussagen für Köln (und auch für weitere deutsche Städte) möglich. „In dieser Dichte sind noch nie Daten übereinander gelegt und verknüpft worden“, so Nikolas Müller. Grundlage sind vor allem GPS-Daten. Jeder, der Apps verwendet, gibt Informationen darüber preis, wo er oder sie sich wie lange und wie oft aufhält. Diese Daten werden anonymisiert verkauft und können für kommerzielle, aber eben auch für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden.
In der Studie wurden die GPS-Daten mit Kaufkraftdaten vernetzt, die für die meisten Orte in Deutschland vorliegen. Als Wohnort-Adresse wurden dabei die Orte angenommen, an dem das Smartphone in den Nachtstunden eingeloggt war. Hinzu kamen Informationen der Wirtschaftsförderung und der Immobilienmakler sowie Passanten-Zählungen.
Damit konnten die Besucherfrequenz- und Kaufkraftdaten für jedes einzelne Gebäude in den Einkaufsstraßen ermittelt und punktgenaue Aussagen gemacht werden. So zeigt sich zum Beispiel, dass das Antoniterquartier mit seinem während der Pandemie geschaffenen Gastronomieangebot die kaufkräftigen Kunden sehr stark angezogen hat.
Menschen verweilen hier auf dem ruhigen Platz hinter der Kirche gerne und könnten auch motiviert sein, in den umliegenden Geschäften zu kaufen. Ebenso positiv wirkt sich das Motel 1 an der Cäcilienstraße aus. Auch Ärztehäuser spielen eine Rolle. Das Shopping-Center Quincy auf der Breite Straße dagegen zieht laut Studie „vorwiegend Menschen aus finanziell schwächer gestellten Gebieten“ an. Deutlich zu sehen ist auch, dass die Kunden auf der Schildergasse und der Hohe Straße weniger Kaufkraft haben als diejenigen, die im Bereich Ehrenstraße/Apostelnstraße shoppen.
Boris Hedde, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung, findet die Ergebnisse „hochspannend“. „Das ist eine bisher nicht dagewesene Vermessung der Stadt. Sie gibt uns Instrumente zum Gegensteuern in die Hand. Wir können Einfluss nehmen, aber das geht nur, wenn alle zusammenarbeiten.“ Eine zentrale Rolle spielten dabei die Immobilienbesitzer und -entwickler. Aber auch von der Stadt Köln wünscht er sich eine größere Offenheit und Flexibilität bei neuen Konzepten – auch was Genehmigungen angehe.
Discounter Kik auf der Schildergasse
Klar sei, dass die derzeitige Monostruktur auf der Schildergasse und Hohe Straße durchbrochen werden müsse, um kaufkräftigeres Klientel wiederzugewinnen. In gemischt genutzten Bereichen gebe es außerdem eine gleichmäßigere Verteilung der Passantenfrequenz.
Eine große Bedeutung haben demnach auch Büros, so Nikolas Müller. „Immer mehr Firmen verlegen ihre Räume von der grünen Wiese wieder in die Innenstädte, weil die Mitarbeiter dort ein attraktiveres Umfeld haben.“ Er fordert alle an der Stadtentwicklung Beteiligten auf, „Beutegemeinschaften“ zu bilden, um Immobilien am besten zu nutzen.
Veränderungen ließen sich nicht von heute auf morgen bewirken. Manchmal scheint es auch Rückschläge zu geben. Zuletzt sorgte die Tatsache, dass der Discounter Kik einen Pop-up-Store auf der Schildergasse eröffnete, für Irritationen. Diese Woche wurde außerdem bekannt, dass die zu Deichmann gehörenden Onygo-Filialen für Frauen-Sportkleidung auf der Schildergasse und der Ehrenstraße schließen werden. „Wir müssen uns klar entscheiden, wie unsere Innenstadt aussehen soll“, sagt Boris Hedde. Mit der Studie habe man dazu nun eine empirische Grundlage.