Auf dem Ebertplatz zählt die Polizei ungefähr 200 Drogendealer, die immer wieder auffallen – unter ihnen Luana Z., die einzige Frau.
Aktion gegen Dealer in KölnSo läuft eine Drogenrazzia auf dem Ebertplatz ab – Unterwegs mit der Polizei
Aus verschiedenen Richtungen nähern sich die Polizisten dem Ebertplatz, sternförmig kreisen sie den Platz ein. Etwas abgesetzt, damit die Späher, die den Drogendealern den Rücken freihalten sollen, sie nicht schon von weitem erkennen, warten Teamleiter Markus Ballentin und sein Kollege im Streifenwagen auf den richtigen Moment. Ballentin weist seinen Partner am Steuer an: „Fahr gleich links neben der Busspur mitten auf den Platz, und dann orientieren wir uns sofort nach rechts.“
Ein paar Minuten zuvor hat die Videoleitstelle per Funk durchgegeben, es gebe „Aktivitäten“ auf dem Ebertplatz. Drogendeals also, direkt vor der Linse der Videoüberwachung. Ziel der Razzia ist es, die Täter an der Flucht zu hindern und festzusetzen. Als alle Polizisten auf Position sind, gibt Ballentin das Startkommando: „Dann mal los!“ Es ist 13.30 Uhr.
Köln: EG Fokus ermittelt gegen Diebe, Dealer und Einbrecher
Drogenrazzien auf dem Ebertplatz gehören in Köln fast zum Tagesgeschäft der Polizei. An diesem diesigen, klirrend kalten Mittwoch voriger Woche ist die Maßnahme eingebunden in eine Schwerpunktion der „Ermittlungsgruppe Fokus“, eine neu geschaffene Einheit der Kölner Polizei, die Straßenkriminalität bekämpft. Vor allem den zunehmenden Taschen-, Laden- und Fahrraddiebstahl in der Innenstadt, aber eben auch Rauschgifthandel. Der Ebertplatz ist über Köln hinaus als Hotspot für illegale Marihuana-Deals bekannt.
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Zügig fährt der Streifenwagen auf den Ebertplatz, Ballentin und sein Kollege steigen aus und sehen: niemanden. Verloren und etwas verwirrt stehen die beiden Polizisten einen Moment lang auf dem fast menschenleeren Platz. Alle Verdächtigen, die eben noch vor den Polizeikameras gedealt haben, sind verschwunden. Vielleicht Zufall, vielleicht haben die Späher die Polizisten auch kommen sehen. Plötzlich rennt oben auf der Straße jemand weg, drei Polizisten laufen hinterher und holen den Mann ein. Andere sind offenbar auf die U-Bahnsteige geflüchtet. Aber auch da werden sie von Beamtinnen und Beamten gestellt.
In der KVB-Zwischenebene führt die Polizei alle Verdächtigen zusammen, bald stehen sieben Personen vor einer orange gekachelten Wand, umringt von Streifenbeamten, und werden durchsucht.
Eine der sieben ist Luana Z. (Name geändert). Unter den ungefähr 200 mutmaßlichen Dealern, die sich in wechselnder Besetzung auf dem Ebertplatz tummeln, ist die 19-Jährige die einzige Frau. „Das ist schon ungewöhnlich“, sagt Ballentin. Und auch heute tut Luana Z. wieder das, wofür sie bei der Polizei schon bekannt ist: reden. Ohne Punkt und Komma. Und mit viel Theatralik.
Begonnen hat der Schwerpunkteinsatz der „EG Fokus“ eine Stunde zuvor mit der Einsatzbesprechung in der Polizeiwache an der Stolkgasse. 16 Beamtinnen und Beamte sitzen um einen großen Bürotisch in der fünften Etage. Einsatzleiter Jürgen Ogrodowski teilt die Aufgaben zu: Ein ziviles Team wird in der Weidengasse stationiert, ein weiteres am Quartermarkt in der Altstadt – an beiden Orten häufen sich seit einiger Zeit die Fahrraddiebstähle. Ein drittes Team observiert potenzielle Ladendiebe in Geschäften der Innenstadt, ein viertes hält den Neumarkt im Blick. Allen Einsatzkräften auf der Straße werden Fotos und Namen von elf Intensivtätern auf die Diensthandys geschickt – damit sie wissen, nach wem sie besonders Ausschau halten müssen.
Köln: Intensivtäter bekommen Platzverweise von bis zu drei Monaten
Kriminaldirektorin Silke Paul verabreicht den Anwesenden in der Runde noch eine kleine Motivationsspritze: Ein Richter habe zuletzt einen Dieb, den die „EG Fokus“ überführt hat und der unter anderem einen Rollstuhlfahrer bestohlen hatte, für mehr als ein Jahr ins Gefängnis gesteckt – eine ungewöhnlich hohe Haftstrafe. „Erfreulich“, sagt Paul. „Gut, dass wir den erstmal von der Straße haben.“
Auf dem Ebertplatz indes diskutiert Luana Z. seit einer halben Stunde mit der Polizei. Mal charmant im Smalltalk mit einer jungen Beamtin („Komm mich doch gerne mal zu Hause besuchen“), mal humorvoll („Ach nö, heute nicht“ auf die Frage einer Beamtin, ob sie spitze Gegenstände dabei hat), mal frech („Hey, alter Mann“ zu einem mittelalten Polizisten) und mal aufbrausend – vor allem, als ihr klar wird, dass die Polizei einen ihrer mutmaßlichen Deals gefilmt hat und jetzt das bei ihr gefundene Bargeld sicherstellen will: „Das dürfen Sie nicht! Ich will jetzt gehen, mir ist kalt. Und wenn mir kalt ist, bin ich ein sehr abgefuckter Mensch.“ Und natürlich auch dieses noch: „Ich habe einen Top-Anwalt, dem zahle ich viel Geld dafür, dass er mich aus der Scheiße zieht.“
Die Beamten schreiben eine Strafanzeige und erteilen Luana Z. einen Platzverweis bis zum nächsten Tag, dann darf sie gehen. Bei Intensivtätern, die immer wieder auffallen, sind so genannte Bereichsbetretungsverbote bis zu drei Monaten möglich, ein solches droht bald auch der 19-Jährigen für den Ebertplatz.
Am Ende dieses Tages hat die EG Fokus elf Anzeigen geschrieben, drei Straftaten verhindert, einen gesuchten Straftäter gefasst – und der Szene klargemacht, dass sie ihr auf den Füßen steht.