Die Südstadt war gut besucht, nicht so voll wie vor Jahren, aber deutlich voller als 2021. Auf dem Chlodwigplatz standen Grüppchen von Jecken, vor einigen Kneipen bildeten sich kleine Schlangen.
Karneval in der SüdstadtEntspannte Atmosphäre auf dem Chlodwigplatz
Ben und Luca stehen auf dem Mittelstreifen der Alteburger Straße und trinken Bier. Ihre Talare glänzen in Kardinalspurpur. Die Bischofsmütze leuchtet in Blutrot. An Ketten vor der Brust baumeln allerdings keine goldfarbenen Kreuze, sondern kleine Anhänger in Form des Buchstabens „q“, was für „queer“ steht. Die Talare seien alles andere als „kulturelle Aneignung“, sagt Ben, der als gebürtiger Kölner die Diskussionen der vergangenen Wochen intensiv verfolgt hat. „Das ist reflektierte Kritik an den Positionen der Kirche“, sagt er lachend und prostet seinem Kumpel Luca mit einem Reissdorff zu. Der hebt seine Brinkhoff's und prostet zurück. Brinkhoff's?
Luca und Ben studieren Architektur in Dortmund. Und während Ben dem heimischen Getränk zuspricht, sobald der gebürtige Dellbrücker die Stadtgrenzen überquert, hält sich sein westfälischer Freund an das Pils. „Das ist richtiges Bier“, erklärt er mit Nachdruck, schließt aber einen Umstieg auf Kölsch nicht kategorisch aus, wenn der mitgebrachte Vorrat aus Westfalen zur Neige gehen sollte. Er rechnet damit in den späteren Nachmittagsstunden.
Auf dem Chlodwigplatz haben alle Jecken ausreichend Platz. Einen perfekten Überblick hat Cornelia Jülich-Rademacher, Pächterin der Severinstorburg, von deren Wehrgang. „Der Platz war am Elften im Elften schon mal deutlich voller“, zieht sie einen Vergleich zu den Zeiten vor Corona. In der Tat sind große Lücken in der jecken Schar zu erkennen. Richtig voll ist es im Umfeld der Samba-Kapelle, die als Marching-Band auf dem zentralen Platz der Südstadt ihre Kreise zieht.
Unter dem Motto „Rennen, saufen, siegen“ stehe das Trinkspiel namens Flunkyball im Schatten der Severinstorburg, erklärt Mitspieler Jonas. Das Spiel sei denkbar einfach: Es gibt zwei Mannschaften mit gleich vielen Mitspielern, die sich gegenüber stehen. Man muss mit einem Plastikball in eine Flasche treffen, die zwischen den Teams steht.
Lieber Chlodwigplatz als Zülpicher Straße
Fällt die Flasche um, muss das gegnerische Team sie wieder aufstellen und den Ball einsammeln. In der Zwischenzeit darf das Team des Werfers trinken. Wer zuerst sein Bier leer hat, hat gewonnen. Bei Jonas und den anderen sind die Spiele relativ schnell beendet. Treffer auf die Flasche in der Mitte sind selten. Stattdessen trifft die gegnerische Mannschaft regelmäßig die Kölsch-Flaschen, aus denen man eigentlich trinken wollte, und die Wettkämpfer waten in Bierpfützen.
Justus und seine Freundin Lara genießen die entspannte Atmosphäre in der Südstadt. „Wir wollten eigentlich auf die Zülpicher Straße. Aber das war die Hölle.“ In der Südstadt sehen beide sogar eine einigermaßen realistische Chance, in einer Kneipe unterzukommen, wenn die Sonne weg. „Ich glaube, das wird kalt heute Abend“, fürchtet Lara. Die Perspektive „Kneipe“ hat Kiavo an diesem Abend nicht. Er hält Wache auf dem Severinswall neben einem Glas-Container und kontrolliert, ob jemand Glas mitnehmen will in die verbotene Zone. Der Container ist fast leer.