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Betroffene erzählenAktionstag gegen Wohnungslosigkeit in Köln

Lesezeit 3 Minuten
Die Organisatoren stehen hinter einem Banner mit der Aufschrift „Aktionstag gegen Wohnungslosigkeit“.

Beim Aktionstag gibt es warmes Essen und die Möglichkeit sich auszutauschen sowie Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.

Auf dem Rudolfplatz gab es warmes Essen, viele Informationen und Hilfsangebote für obdachlose Menschen.

Vier Jahre lang hat Sebastian Breuer „am Abgrund gelebt“, wie er rückblickend sagt. Erst ein Streit mit der Freundin, die ihn mit Räumungsklage aus der gemeinsamen Wohnung warf, kurz darauf der Verlust des Arbeitsplatzes, Schulden und schließlich die Perspektivlosigkeit. „Dann vor allem Scham“, sagt der 50-Jährige, der zunächst bei Freunden übernachtet, in Garagen „und dann an immer anderen Orten, die gerade Gelegenheiten gewesen sind“.

Dass er am Mittwoch und mit Klarnamen beim jährlichen „Kölner Aktionstag gegen Wohnungslosigkeit“ auf dem Rudolfplatz offen über seine Geschichte spricht, liegt daran, dass Sebastian Breuer das alles inzwischen hinter sich gelassen hat. „Ich bin wieder auf die Beine gekommen“, so der 50 Jahre alte Mann, der am Info-Stand des Kölner „Johannesbund“ steht und mit Menschen ins Gespräch kommen will.

Köln: Über 8000 Menschen in Köln sind wohnungslos

Viele sind vor Ort, die sich in ähnlichen Situationen befinden, wie er selbst früher. Hier finden sie Ruhe, essen warme Erbsensuppe, trinken Kaffee und genießen das Gefühl, willkommen zu sein. Genau das, die Akzeptanz, ist auch aus Sicht der Vertreter von Caritas, Diakonie, Sozialdienst katholischer Männer und Frauen (SKM und SKF), Heilsarmee und auch der Stadt Köln das zentrale Mittel, um wohnungslosen Menschen dabei zu helfen, ihre Lage zu verbessern.

Alles zum Thema Rudolfplatz

„Die Angebote in Köln für Wohnungslose sind vielfältig, der Austausch funktioniert, um individuell die beste Unterstützung zu bieten“, sagt Sarah-Fee Jackmuth, Sozialarbeiterin bei „Auf Achse“. Fehlender Wohnraum, hohe Mieten und bürokratische Hürden seien die größten Probleme. „Politik und Gesellschaft könnten und sollten mehr unternehmen“, ergänzt Jane van Well, die beim SKM die niedrigschwelligen Hilfen koordiniert.

Sebastian Breuer steht neben einem Plakat mit der Schrift „Und welches Päckchen trägst du?“

Sebastian Breuer hat sich lange geschämt, wohnungslos gewesen zu sein.

Stigmatisierungen und Wegschauen würden nicht helfen, denn das Problem nehme „für alle deutlich wahrnehmbar“ in den vergangenen Jahren in der größten Stadt in Nordrhein-Westfalen deutlich zu. Bereits im vergangenen Jahr ist die Zahl wohnungsloser Menschen im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft angestiegen. Mit mehr als 8000 Personen belegt Köln dabei weiterhin Platz eins in NRW, wo landesweit offiziell weit über 100.000 unter diese Kategorie fallen. „Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein, zumal zwischen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit die klare Trennschärfe häufig sehr schwer ist“, sagt Jane van Well.

Auch Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke mahnt beim Aktionstag, dass „die Wohnungslosigkeit eine echte Gefahr für die Demokratie“ darstelle. Er rufe alle Akteure in Politik und Stadtgesellschaft auf, „bei der Bekämpfung dieses Problems nicht länger so zurückhaltend zu agieren“, so der Grünen-Politiker. Menschen eigene Wohnungen zu bieten und Selbstbestimmung zu ermöglichen, sei nicht zuletzt ein Menschenrecht.

Sebastian Breuer ist dankbar für die Hilfe

Damit die vielen positive Fälle, die es auch gibt, auf dem Rudolfplatz nicht zu wenig Aufmerksamkeit bekommen, dafür will Sebastian Breuer mit seinem Beispiel sorgen. „Ich bin wieder auf die Beine gekommen – das können andere auch schaffen“, ist der 50-Jährige überzeugt. Er ist „unglaublich dankbar für die Hilfe“, die ihm vor zwei Jahren von Einrichtungsleiterin Monika Scholz und ihrem Team im „Johanneshaus“ an der Annostraße entgegengebracht worden ist, sagt er.

Zunächst untergebracht mit den rund 300 Personen in der Notschlafstelle in der Südstadt, inzwischen in einer der vom Johannesbund knapp 80 im Stadtgebiet angemieteten Wohnungen, hat Breuer sich „zurückgekämpft ins normale Leben“, wie er es nennt. Er ist immer noch in Betreuung, bekommt Hilfe bei Anträgen und Gängen zu Ämtern und Behörden. Aber inzwischen hat er eine unbefristete Anstellung als Haustechnik-Mitarbeiter im Johanneshaus und wieder mit Kontakt zu seinen Kindern. „Vor allem aber“, so Sebastian Breuer, „ohne diese ganze Scham – und mit einem Glücksgefühl, das ich vorher lange Zeit nicht mehr kannte.“

Informationen und eine Übersicht über Hilfen und Angebote für wohnungslose Menschen sind im Internet auf www.wohnungslos-in-koeln.de zu finden.