Beim Aschermittwoch der Künstler in Köln zeigt sich eine Kunstfertigkeit, die den Kölnern besonders eigen ist.
Kölner KardinalWoelkis Warnungen am Beginn der Fastenzeit
Die Kölner, Kölnerinnen ausdrücklich inbegriffen, haben vielerlei Fertigkeiten. Besonders gut aber verstehen sie sich auf die Kunst des Eingemeindens. Kölscher „Stammbaum“, „Drink doch eine met!“ und „der Herrjott is nitt esu“ – bis Dienstag war das wieder „en Levensaat“, die in Köln „su schnell nitt usstirv“. Und dann der Aschermittwoch.
„Nach den Tagen des bunten Treibens erinnert er an die Vergänglichkeit“, sagt Kardinal Rainer Woelki im Dom zum Beginn der Fastenzeit. Entschlossen, mit routiniertem Strich zeichnen er und die Konzelebranten den Gläubigen das Aschenkreuz auf die Stirn. Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst! So ist es Tradition, überall in der katholischen Kirche.
Fastenessen und eine Akademie mit 200 Gästen
Tradition in Köln ist auch der Aschermittwoch der Künstler. Nach dem Pontifikalamt ein schlichtes Fastenessen im Maternushaus: – Tomatensuppe, Laugenbrötchen mit Hering, Fischgulasch, zum Nachtisch eine verschämte Crème brulée. Und im Anschluss eine „Akademie“ mit Kardinal und knapp 200 Gästen.
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Vor zwei Jahren, als Woelki nach seiner vom Papst verordneten fünfmonatigen Aus- direkt in die österliche Bußzeit fiel, war das sein erster öffentlicher Termin. Das Erzbistum stand Kopf, vor dem Dom wurde demonstriert, und niemand wusste so recht, wie es nach dem halben Jahr ohne Woelki jetzt mit ihm weitergehen sollte. Aber der Aschermittwoch der Künstler fand statt, unbeeindruckt, unbeirrt. Und der Kardinal unternahm die ersten Versuche der Wiederannäherung.
Schriftsteller Patrick Roth hält in Köln Vortrag
Zwei Jahre weiter ist es, als wäre überhaupt nie etwas gewesen. Smalltalk im Maternushaus, Erinnerungsfotos mit dem Kardinal, eine ausgesucht freundliche Begrüßung des Gastgebers durch den neuen Künstlerseelsorger, Diakon Patrick Oetterer. Und ein Vortrag des Schriftstellers Patrick Roth, der das Unbewusste im Menschen subtil mit Gott gleichsetzt, eine Selbstentfremdung des Menschen von Gott beklagt und dazu einlädt, eine „religiöse, persönlich verpflichtende, lebendig gelebte Einstellung zu unserer Psyche zu entwickeln“. Kunstsinnigkeit wie gemacht für einen Kirchenmann.
Roth wartet mit einer Fülle biblischer Bezüge auf, zitiert aus dem Effeff in Griechisch, Hebräisch, Latein sowieso. Was fehlt, ist die Geschichte von der Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei. Nachdem die Israeliten unter Führung des Moses trockenen Fußes durch das Rote Meer gezogen sind, so erzählt es das Buch Exodus, kehren die Meeresfluten zurück in ihr Bett. Als wäre nie etwas gewesen.
Kölner Kardinal Woelki sieht katholische Kirche in „Wüstenzeit“
Missbrauchsskandal? Massenexodus der Gläubigen? Widerstand im Erzbistum gegen Gemeindereformen? Streit über die Kirchensteuerfinanzierung einer Hochschule, die niemand braucht? Unverständnis für Woelkis Reformverweigerung auf dem „Synodalen Weg“? Und, ach ja, laufende Ermittlungen wegen Meineidverdachts? Nichts davon ist an diesem kirchenoffiziellen Aschermittwoch auch nur in Spurenelementen wahrnehmbar.
In Woelkis Predigt ist es – Kunststück! – um die Fastenzeit gegangen. Die erinnere an den 40-tägigen Rückzug Jesu in die Wüste oder auch an die 40-jährige Wüstenwanderung des Volkes Israel. „Wüstenzeit“ sei die Zeit „äußerster Gefährdung und großer Versuchung“, sagt Woelki, Zeit der Auflehnung gegen Gott.
Woelki warnt vor Versuchung der „Kundenfreundlichkeit“
Im Bild der Wüste sei auch die aktuelle Situation der Kirche gut erfasst, und zwar so, „dass wir das gelobte Land irdischer Segnungen und Behausungen in der irdischen Welt weithin verloren haben. Vieles ist uns genommen worden“, sagt Woelki mit Leichenbittermiene und klagendem Tonfall. Als ob es der Kirche bald ans letzte Hemd ginge.
Woelki warnt sodann vor drei „typischen Halluzinationen“, denen einst auch Jesus ausgesetzt war, und die Woelki als „drei Variationen der einen großen Versuchung“ deutet: „Kundenfreundlich die Menschen mit dem zu versorgen, was sie selbst wollen: Brot, Sensationen und den Triumph der Macht.“
Die Kirche in der Versuchung, auf Wunsch der Menschen mit Macht aufzutrumpfen? Auf diese Volte kirchlicher Herrschaftskritik muss man als auch erst mal kommen, zumal wenn man machtbewusst und auf die eigene Macht bedacht an der Spitze des Erzbistums Köln steht.
Aber wenn es denn stimmte: Wenn die Menschen als Kunden im Supermarkt Kirche wirklich auf den „Triumph der Macht“ aus wären – worin bestünde dann wohl die Kunst der Kirche, dem zu widerstehen? Und was wäre ihre Bußübung? Ob beim Aschermittwoch der Künstler 2025 darauf Antworten zu erwarten sind, das steht dahin.