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Rom-WallfahrtKölner Ministranten protestieren während Messe gegen Woelki

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Woelki Protest Rom STIER

Kölner Ministranten demonstrieren in Sankt Paul vor den Mauern in Rom gegen Kardinal Woelki.

Rom/Köln – Zum Auftakt der traditionellen Wallfahrt von Ministrantinnen und Ministranten aus dem Erzbistum Köln nach Rom ist es zu einer Aufsehen erregenden Protestaktion von Teilnehmenden gegen Kardinal Rainer Woelki gekommen.

Während der Predigt des Erzbischofs in der altehrwürdigen Basilika Sankt Paul vor den Mauern stand eine Reihe von Jugendlichen in ihren Messdiener-Gewändern auf und kehrte dem Kardinal demonstrativ den Rücken zu.

Als erste seien drei Jugendliche aufgestanden und hätten sich umgedreht, berichtete der 29 Jahre alte Lehrer Max Stier, der die Wallfahrt als Betreuer begleitet, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“*. Dann hätten sich – ähnlich wie in der Schluss-Szene des Robin-Williams-Filmklassikers „Der Club der toten Dichter“ – immer mehr Messdienerinnen und Messdiener angeschlossen.

Das „domradio“ bezifferte die Zahl dem Augenschein nach auf 150 bis 200. Diözesanjugendseelsorger Tobias Schwaderlapp gab intern den Anteil der Protestierenden mit 20 Prozent an. Fotos und Videos der Aktion begannen unmittelbar danach in den sozialen Medien zu kursieren. Überdies habe eine erhebliche Zahl von Jugendlichen während der Messe zu Beginn von Woelkis Predigt demonstrativ die Kirche verlassen, erzählte Stier. Weiter hätten teilnehmende Ministrantinnen und Ministranten beim Einzug Woelkis in die Kirche als Zeichen ihres Missfallens den Daumen gesenkt. Woelki habe dies zunächst noch mit dem „Daumen hoch“-Zeichen gekontert.

Woelki in Fulda

Kardinal Rainer Woelki predigt im Dom von Fulda

Auch in seiner Predigt ging Woelki dann spontan auf den Protest ein. Er sehe, dass hier einige mit dem Rücken zu ihm stünden, sagte der Kardinal. Jesus hätte so etwas nicht getan. Er habe den Menschen nie den Rücken zugekehrt. „Jesus hat immer offen sein Gesicht gezeigt, das ist das Gesicht des Vaters, der jeden Menschen annimmt und liebt“, sagte der Kardinal. Unklar ist, ob der einsetzende Applaus den Worten des Kardinals galt oder den symbolischen Protest unterstützen und den Kardinal unterbrechen sollte. So berichtete es ein Kölner Messdiener dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ nach Gesprächen mit anderen Teilnehmenden. In dem Videoausschnitt ist zu sehen, dass viele Hände sich überhaupt nicht regten.

Woelki verlässt Kirche Sankt Paul vor den Mauern durch Seitenausgang

Die Predigt war laut einer an Ort und Stelle präsenten Mitarbeiterin des „domradio“ dann schnell beendet. Wie weitere Augenzeugen berichteten, zog Woelki am Ende der Messe nicht durch den Mittelgang aus, sondern verließ die Kirche über einen Seitenausgang, eskortiert von Security-Kräften. Damit, so Max Stier, habe er eine weitere geplante Aktion unterlaufen: Auf bunten Zetteln in den Farben des Regenbogens hätten Messdienerinnen und Messdiener vor Beginn der Messe ihre Erwartungen an die Kirche geschrieben. Darauf standen Wünsche wie Gleichberechtigung für Schwule, Lesben und Transgender, Aufklärung des Missbrauchsskandals. Die Zettel sollten Woelki und den ihn begleitenden Klerikern beim Auszug entgegengehalten werden.

Schon vor Beginn des Gottesdienstes habe sich Diözesanjugendseelsorger Schwaderlapp „deutlich angefasst“ in einer kurzen Ansprache an die Besucherinnen und Besucher gewandt, nachdem an verschiedenen Stellen in der Kirche wie auch auf den Toiletten Flugblätter mit Woelkis Porträt und der Aufschrift „Woelki, nein danke“ entdeckt worden seien. Schwaderlapp habe gesagt, man könne über alles sprechen. Aber jetzt sei dafür nicht die richtige Gelegenheit. Die Wallfahrerinnen und Wallfahrer sollten sich den Gottesdienst mit dem Kardinal als gemeinsamen Moment des Miteinanders gönnen.

Jugendseelsorger Schwaderlapp: Konträre Meinungen ernst nehmen

Auf Anfrage sagte Schwaderlapp, angesichts innerer Spannungen in der Kirche und im Erzbistum Köln überrasche es ihn nicht, „dass wir diese auch auf einer Ministrantenwallfahrt des Erzbistums Köln nach Rom nicht einfach hinter uns lassen“. Die Jugendseelsorger nähmen die Gedanken, Sorgen und zum Teil konträre Meinungen ernst. Aus diesem Grund habe er die Gruppenleiter darum gebeten, mit Gesprächsangeboten auf die Jugendlichen zuzugehen. „Auch Kardinal Woelki hat sich unmittelbar nach der Heiligen Messe Zeit genommen, um mit einigen Jugendlichen ins Gespräch zu kommen.“

Der eigentliche Grund der Wallfahrt bleibe ungeachtet dessen die Gemeinschaft und die Feier des Glaubens. „Diese Wallfahrt dient dazu, Brücken zu suchen und Brücken zu bauen, Gemeinschaft im Glauben zu finden und sich an ihr zu freuen.“

Nach einem Bericht der „Katholischen Nachrichten-Agentur“ (KNA) sprach Woelki im Anschluss an den Gottesdienst mit einigen Besuchern. Dem „domradio“ sagte er, die Protestierenden hätten es sicher aus ihrer Sicht gut gemeint und für Wahrheit und Gerechtigkeit eintreten wollen. Es sei aber schade, dafür den Gottesdienst zu nutzen. Die Messe sei eine Feier der Einheit und des Friedens.

Messdienerin: „Angespannte Stimmung“ während der Messe mit Kardinal Woelki

Der Remscheider Stadtdechant Thomas Kaster, der die Aktion im Altarraum der Kirche verfolgte, bestätigte die Aktion aus eigenem Erleben. Es sei „natürlich schade, dass das die Stimmung geprägt hat. Es war aber vielleicht auch nicht anders zu erwarten. Die Jugendlichen, die sich bei uns in den Gemeinden engagieren, empfinden in Rom ja nicht anders als zuhause im Erzbistum.“

Im „domradio“ berichtete die 17 Jahre alte Solinger Messdienerin Lea S. von einer „angespannten Stimmung“ während der Messe. Ein ebenfalls anwesender Kölner Priester sprach von einem ziemlich heftigen Signal des Protests. Woelkis sei vergleichsweise ruhig geblieben. Auch in der Stimmführung habe er keine heftigere Emotion erkennen lassen. „Ich weiß nicht, wie ich in seiner Rolle reagiert hätte“, sagte der Geistliche.

Kölner Ministranten demonstrieren mit Regenbogen-Masken

Teilnehmende berichteten weiter, vor der Messe seien im Eingangsbereich Regenbogen-Flaggen zu sehen gewesen. Etliche Jugendliche hätten auch FFP2-Masken in den Farben der LSBTQI-Bewegung getragen, um dem Wunsch nach Reformen in der Kirche Ausdruck zu verleihen. Ein Teilnehmer habe ein Schild mit der Aufschrift „Woelki muss weg“ hochgehalten. Vereinzelt sei dieser Ruf auch im Gottesdienst zu hören gewesen.

Nach der Messe habe Woelki sich relativ schnell verabschiedet und sei dann auch nicht mehr gesehen worden. Eigentlich wäre es notwendig gewesen, in den Dialog mit den Kritikerinnen und Kritikern zu gehen, sagte der Geistliche. Das sei aber angesichts der großen, schwer überschaubaren Gemeinde schwierig gewesen, räumte er ein.

Beobachter spricht von „geistlichem Missbrauch“

Den Vergleich mit dem Verhalten Jesu nannte er „nicht hilfreich“. Stier sagte, diese Reaktion Woelkis sei bei den Jugendlichen, mit denen er gesprochen habe, „sehr schlecht angekommen“. Sie hätten den Jesus-Vergleich „voll daneben“ gefunden. „Das war unsouverän“, sagte Stier. „So kann man nicht sprechen.“ Ein Beobachter sagte, es grenze an geistlichen Missbrauch, dass Woelki den Jugendlichen, die in einer symbolischen Handlung ihre Kritik bekundet hätten, unjesuanisches Verhalten vorgeworfen habe.

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An der Kölner Ministranten-Wallfahrt, die traditionell alle drei Jahre in den Herbstferien stattfindet, nehmen nach Bistumsangaben 2000 Kinder und Jugendliche aus dem Erzbistum Köln teil. Die insgesamt 96 Gruppen sind in 29 Reisebussen unterwegs. Die Reise dauert bis zum 8. Oktober. Zu den Höhepunkten gehören ein Abendgebet mit Lichterprozession an der „Lourdes-Grotte“ in den Vatikanischen Gärten sowie die Teilnahme an der wöchentlichen Generalaudienz von Papst Franziskus am Mittwoch. Zwischenhalt auf der Rückreise ist Assisi, Geburtsort und Wirkungsstätte des heiligen Franziskus.

*Der Bericht wurde ergänzt.