Köln – 1000 Euro Bußgeld. Der Mülheimer Klaus Müller (75) konnte kaum glauben, als er ein Schreiben las, das Mitarbeiter des Ordnungsamts am Zelt eines Obdachlosen angebracht hatten. Die Stadt hatte am 5. November dem – nicht-anwesenden – Wohnungslosen ein Bußgeld in saftiger Höhe angedroht, falls er sein Zelt am Mülheimer Stadtgarten nicht umgehend räumen sollte. Müller „Von diesem Gegenstand geht eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus“, stand auf dem Papier, das Müller fotografiert und auf Facebook gestellt hat. „Dass da gleich solche Geschütze aufgefahren werden, finde ich unglaublich“, sagte Müller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Gefahr sei an den „Haaren herbeigezogen“.
Obdachlosigkeit könne nicht durch Verdrängung, sondern durch die aktive Arbeit mit den Betroffenen beseitigt werden, sagt Müller, der auch Fotograf ist. Er fordert, dass die Stadt Obdachlose nicht von den Plätzen vertreibe, sondern einen Beschluss des Sozialausschusses umsetze.
Das Gremium hatte im Januar beschlossen, dass obdachlosen Menschen ein abschließbares Einzelzimmer zur Verfügung gestellt werden solle. Dies wurde aber bislang nicht umgesetzt. „Die Menschen werden stattdessen in Massenquartieren untergebracht, was diese nicht wollen.“
Dass sich Obdachlose mit einem Zelt vor den derzeit schon winterlichen Temperaturen schützen, sei überlebenswichtig, sagt Linda Rennings vom Verein Heimatlos in Köln, der sich für Obdachlose einsetzt. Rennings, einst selbst obdachlos und in der Szene als „Kölsche Linda“ bekannt, macht derzeit eine „Politik der Vertreibung auf dem Wiener Platz“ aus, die vom Ordnungsamt ausgehe. Derzeit gebe es viele Kontrollen auf dem Platz. „Fakt ist natürlich, dass wildes Campen verboten ist“, sagt Rennings. Ein derart hohes Bußgeld anzudrohen, sei aber völlig unangebracht. „Das schürt Frust und Wut.“ Würden Obdachlose von Plätzen vertrieben, habe dies Nachteile für die Betroffenen. Denn einerseits falle der „Bettelplatz“ weg, andererseits seien die Plätze wichtig, um Freunde zu treffen und Informationen zu erhalten. „Viele Obdachlose haben kein Handy, die sind auf mündliche Informationen angewiesen.“
Die Stadt bestätigt ihr Vorgehen und beruft sich auf die Kölner Stadtordnung. Diese regle, dass es verboten sei, sich im öffentlichen Raum einen Schlafplatz einzurichten oder zu nutzen, teilt eine Stadtsprecherin mit. Würden Zelte im öffentlichen Raum außerhalb der Winterhilfe festgestellt, versuchen die Mitarbeiter zunächst, die Personen auf das Zelt-Verbot hinzuweisen und über Hilfsangebote zu informieren. Werde niemand angetroffen, hinterlasse der Ordnungsdienst eine Benachrichtigung mit einem Hinweis darauf, dass das Lager geräumt werden müsse. „In Einzelfällen kann das Lager/Zelt auch mit einem grünen Aufkleber versehen werden, bei dem immer eine entsprechende, angemessene Frist zur Räumung des Lagers gesetzt wird“, so die Stadtsprecherin. „Ist die Frist erfolglos verstrichen und das Lager nicht geräumt, kann die AWB mit der Räumung beauftragt werden.“
Wiener Platz in Köln im Fokus
Im fraglichen Fall habe der Ordnungsdienst den Mann einige Zeit zuvor am Wiener Platz angetroffen, wo er zuerst sein Lager aufgeschlagen habe. Nachdem eine entsprechende Räumungsaufforderung durch den Ordnungsdienst erfolgt sei, schlug er sein Lager kurze Zeit später im Stadtgarten Mülheim auf. „Nachdem die Ordnungsdienstkräfte den Mann zunächst nicht persönlich antreffen konnten, wurde der Hinweiszettel mit der Aufforderung der Räumung vor Ort hinterlassen.“ Der Wiener Platz sei ein zentraler Platz, auf dem zahlreiche Berufspendler und Besuchende von örtlichen Geschäften und Behörden im Bezirksrathaus oder Jobcenter unterwegs seien. „Dementsprechend steht er im Fokus des Ordnungsdienstes, der den Platz auch gemeinsam mit der Polizei regelmäßig bestreift.“