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Kölner Schülersprecher im Interview„Wir Abiturienten fühlen uns verarscht“

Lesezeit 5 Minuten
Corona-Abitur3

Ein Hinweisschild mit der Aufschrift „Abitur-Prüfungen - Bitte Ruhe!“ hängt vor einem Flur in einem Gymnasium in Pulheim.

  1. Der stellvertretende Schülersprecher des Montessori-Gymnasiums Luzian Leser beklagt großen Frust unter den Abiturienten
  2. Durch den zweimaligen Lockdown gibt es an vielen Schulen große Stoffrückstände bei den Prüfungsthemen.
  3. Er fordert flexiblere Prüfungsinhalte und eine Kürzung des Abiturstoffes.

KölnLuzian Leser, eigentlich hat man schon beim letzten Abitur-Jahrgang gedacht: Die armen Abiturienten 2020. Die Rede war vom Corona-Abitur. Aber jetzt sieht es so aus, als ob die Einschränkungen für die Abiturienten 2021 noch viel größer wären…Luzian Leser: Das stimmt. Als für den vorigen Abiturjahrgang der Lockdown kam, waren wir mit dem Stoff quasi durch und in der Wiederholungsphase. Wir erleben jetzt aber schon den zweiten Lockdown in unserem letzten, wichtigen Jahr an der Schule.

Das bedeutet: Wir sitzen schon wieder über einen längeren Zeitraum alleine zuhause. Gleichzeitig wird der Abiturstoff nicht gekürzt.

Wie empfinden Sie die Stimmung unter den Abiturienten?

Alles zum Thema Armin Laschet

Wir hängen vollkommen in der Luft und fühlen uns ganz platt gesagt verarscht. Die Unsicherheit ist riesig. Erst heißt es Wellenbrecher, jetzt heißt es Durchhalten bis Mitte Februar. Man hat keine Perspektive, wie es für uns weiter geht. Es ist immer ein Zyklus aus Hoffnung und Enttäuschung. Frau Gebauer redet von Präsenzunterricht und Recht auf Bildung und zwei Tage später machen alle Schulen zu. Wir wollen Klarheit, aber keine falsche. Unser Gefühl ist, dass es jetzt reicht und dass wir Abiturienten irgendwie zumindest in kleinen Gruppen wieder in die Schule müssen.

Luzian Leser

Luzian Leser ist stellvertretender Schülersprecher des Montessori-Gymnasiums in Köln

Ministerpräsident Armin Laschet hat noch um Geduld gebeten bezüglich genauerer Informationen, ob das Abitur im Frühjahr regulär durchgeführt wird. Es entsteht der Eindruck, mit genaueren Ansagen könne man sich noch Zeit lassen. Was sagen Sie dazu?

Das stimmt ja so nicht. Bereits am 8. Februar beginnen die Abitur-Vorklausuren, die in die Abi-Note einfließen. Das ist schon in drei Wochen und die Termine fallen in den jetzt bis Mitte Februar verlängerten Lockdown. Außerdem fließt dieses Halbjahr inklusive der jetzigen Schulschließung voll in die Abinote ein. Ebenso wie das ja für uns nur aus drei Monaten bestehende zweite Halbjahr, das ja nun auch teilweise im Distanzunterricht bestritten werden muss.

Was bedeutet das Ihrer Meinung nach für Ihren Abiturjahrgang?

Der Schulerfolg ist jetzt halt noch viel mehr Glückssache als ohnehin schon. Wie gut ist die eigene Schule digital aufgestellt, hat man einen digital affinen LK-Lehrer oder nicht? Wir haben hier an meiner Schule Glück. Weil wir schon lange vor Corona mit dem Office-Paket gearbeitet haben, gab es schon im 1. Lockdown digitalen Unterricht. Aber was ist mit denen, deren Schule nicht so gut aufgestellt ist? Es gibt genügend Schulen, wo das mit den Lernplattformen noch nicht gut funktioniert. Den Abiturienten dort fehlt teilweise ein halbes Jahr vermittelter Stoff. Was ist mit denen, die zuhause gar kein eigenes Zimmer haben, um zu lernen?

Ist denn mit gutem Digitalunterricht eine gute Abiturvorbereitung möglich?

Theoretisch schon, aber man muss sich nichts vormachen: Digitalunterricht, so gut er auch vorbereitet ist, reicht selten an den analogen Unterricht ran. Es macht vom Verstehen her einen Unterschied, ob der Lehrer am Bildschirm erklärt oder vor einem steht. Und auch der Lehrer bekommt viel unmittelbarer mit, wenn der Kurs etwas nicht verstanden hat. Es gibt Schüler, die habe ich seit dem Lockdown im Unterricht gar nicht mehr gehört, weil es ihnen am Bildschirm schwerer fällt sich zu melden.

Bildungsministerin Yvonne Gebauer hat die Klausuren jetzt um zwei Wochen nach hinten verschoben, um mehr Zeit zum Lernen zu geben. Hilft euch das?

Das ist keine Hilfe: Der Beginn der Klausuren wurde zwar nach hinten verschoben, die letzte Klausur bleibt aber am vorgesehenen Termin. Sinnvoll wäre das nur, wenn nicht nur komprimiert, sondern auch weiter gestreckt würde.

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Als weiteres Zugeständnis an die schwierigeren Bedingungen soll der NRW-weit zentrale Aufgabenpool um ein Thema erweitert werden, das die Schule einbringen kann. Hilft das?

Ja, das hilft uns wirklich, da die Lehrer ja am besten wissen, welcher Stoff geschafft wurde und ein Thema wählen, das tatsächlich behandelt worden ist. Es ist der einzige Weg zu mehr Fairness, den Lehrern mehr Entscheidungsmöglichkeiten bei den Themen zu geben. Noch besser wäre, wenn man einen Teil des Stoffs einfach rausnehmen würde aus dem Prüfungskanon. Aber da hält man im Ministerium trotz der Bedingungen eisern daran fest, alles in die Zeit reinzuquetschen.

An ihrer Schule läuft es gut – oder etwas gewaltig schief? Schreiben Sie uns!

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Was halten Sie von den Vorschlägen von Lehrerverbänden, die Durchschnittsnote aus den Jahren zur Abinote zu machen und auf das schriftliche Abitur zu verzichten?

Ich denke, diese Frage würde jeder Abiturient anders beantworten. Ich fänd‘ das super, weil mir das entgegenkäme. Andere wollen die Prüfungen machen, um sich noch zu verbessern oder für ihr Studium bestimmte Durchschnittsnoten zu erreichen. Oder sie haben Sorge, dass bei Arbeitgebern oder Universitäten ein „Abi ohne Abi“ mit Makeln behaftet wäre. Mein Vorschlag wäre, jedem die Abiturienten die Wahl zu lassen.

Und wenn nun jedes Bundesland seine eigene Abitur-Lösung strickt?

Wichtig wären bundeinheitliche Lösungen. Wenn jedes Bundesland seine eigenen Corona-Abiturbedingungen schafft, das gibt Chaos und schafft noch mehr Nachteile, wenn man nach dem Abi in einem anderen Bundesland studieren will.

Mal ganz abgesehen vom verpassten Schulstoff. Normalerweise wäre jetzt die Zeit der Studienfahrten, der Feten: Es ist im sozialen Miteinander der Höhepunkt der Schulzeit, der den Abiturienten genommen ist.

Ja, es ist einfach schade und super traurig um unser letztes Schuljahr. Es fehlen ja nicht nur Feten oder Abifahrten: Es fehlt der Schulalltag und selbst die gemeinsamen Pausen, die wichtig sind. Man trifft sich ja auch außerhalb der Schule nicht mehr mit Freunden oder redet über den Schulstoff. Als wir vor Weihnachten aus der Schule gingen, sagte ein Freund von mir düster: Schade, dass wir uns als ganzer Kurs jetzt vielleicht das letzte Mal gesehen haben. Der Optimismus ist weg. Und alle Planungen für die Zeit danach – Auslandsjahre und so weiter – liegen auf Eis. Was wir gelernt haben, ist nur von heute bis morgen zu denken.