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Kölner U-Bahn-Stationen in der KritikDie Kunst in Kölns Untergrund

Lesezeit 6 Minuten

Leuchtende Fliesen bilden am Hans-Böckler-Platz über zwei Stockwerke einen Krummstab (Bild oben); Anlehnung an antike Säulen am Rudolfplatz (links unten); Foto-Kunst an zentraler Stelle am Neumarkt

Köln – Für 2,40 Euro ins Museum? Die KVB macht's möglich, denn viele Kölner U-Bahn-Haltestellen sind künstlerisch gestaltet. Es lohnt sich, sie einmal abzufahren. Wobei Sie sich doch eine Streifenkarte oder ein Tagesticket kaufen sollten, denn im Kreis oder zurückfahren dürfen Sie ja streng genommen nicht. Ich will auf keinen Fall schuld sein, wenn die Museums-Tour Sie am Ende 40 Euro kostet.

Um Kunst in der U-Bahn geht es nicht erst bei der Detailgestaltung, sondern grundsätzlich. So stellt sich sehr bald die Frage: Wie sollen die Haltestellen aussehen? Alle gleich, durchrhythmisiert? Oder individuell verschieden? In Köln hat man sich für Letzteres entschieden, nicht zuletzt damit die Passagiere wissen, wo sie gerade sind, auch ohne dafür nach den Schildern sehen zu müssen.

Für die einzelnen Stationen wurden Architektenwettbewerbe ausgeschrieben. An den Siegerentwürfen waren oft auch Künstler mit eigenen Konzepten beteiligt. Kunst in der U-Bahn muss pflegeleicht sein und ins Auge fallen. Eine U-Bahn-Haltestelle ist an sich ja kein Erlebnisraum. Man wartet nun einmal viel entspannter, wenn es etwas zu sehen gibt. Außerdem glaube ich als ästhetisch sensibler Mensch: In einer eleganten Umgebung benehmen sich die Leute auch besser.

Heumarkt

Ulrich Coersmeiers Station für die neue Nord-Süd-Bahn am Heumarkt ist mit ihren kühnen Durchblicken über mehrere Stockwerke hinweg architektonisch eine Wucht. Vom Schauwert auf dem Bahnsteig selbst dagegen geht es öde zu. Die originelle Installation des „Geisterzugs“, den man einmal am Tag einfahren hört, obwohl er gar nicht existiert, kann die Glasbaustein-Langeweile logischerweise nicht wettmachen.

Rathaus

Die Wand am Gleis der Haltestelle Rathaus, Architekt: Joachim Schürmann, hat Heimo Zobering mit einem langen Buchstabenfries in blankem und mattem Aluminium versehen. Die einzelnen Wörter sind so stark einander geschoben, dass immer nur einzelne Buchstaben zu erkennen sind. Ich finde das spannend: Der Künstler animiert den Betrachter, sein Buchstabenrätsel zu entschlüsseln, und bis er es geschafft hat, ist sicher schon die nächste Bahn da. Ansprechend ist auch das Yves-Klein-Blau der U-Bahn-Röhre, in der die technisch bedingten Aussparungen einen eigenen Rhythmus ergeben.

Dom/Hbf

Beim Weiterfahren kommen Sie über Dom/Hauptbahnhof. Sie strafen diese hässliche, einfallslose Station am besten dadurch, dass Sie gar nicht erst aussteigen. Die gescheckte Fliesenwand der Architekten Koerfer und Menne hat keinerlei optischen Reiz und sieht nach Baumarkt aus. Schade, dass ausgerechnet die wohl wichtigste Haltestelle im Kölner U-Bahn-Netz am schlechtesten weggekommen ist. Wenigstens mindern die vielen Reklamen, die andernorts nur stören, das traurige Bild.

Friesenplatz

Schnell weiter also zum Friesenplatz! Auf der Zwischenebene sind die Fliesenwände im Op-Art-Stil der 1980er Jahre gestaltet: Der Fußboden ist in Weiß und Grau gemustert. An den Wänden scheint die Fläche in verschiedenen Blautönen perspektivisch vor- und zurückzuspringen. Die optische Täuschung wirkt leider wegen der davorgedonnerten Werbung heute nicht mehr so gut wie ursprünglich. In der Mitte der Verteilerebene steht eine Metallplastik von Manfred M. Ott, der 1933 in Köln geboren wurde. Ursprünglich war diese Skulptur samt einer zugehörigen farbigen Reliefdecke aus Platten und Halbkugeln in der Haltestelle Neumarkt aufgestellt und sollte dort den Ausgang zur Kunsthalle akzentuieren. Nach dem Umbau der Haltestelle kam die Skulptur an die heutige Stelle. Die Decke ist leider immer noch eingelagert. Otts Arbeit aus Kupfer und Aluminium wirkt auf mich wie eine stark abstrahierte Gruppe von Wartenden. Sie wertet die Haltestelle spürbar auf.

Hans-Böckler-Platz

Geflieste Wände begegnen Ihnen auch am Hans-Böckler-Platz. Es liegt nahe, dass Architekten und Künstler gern zu diesem Material gegriffen haben: Fliesen sind bezahlbar, strapazierfähig und gut zu reinigen. Die am Böckler-Platz bestechen mit leuchtendem Gelb und Rot in geometrischen Formen. Der Pfeil in Richtung Ausgang wird so zum Dekorations-Element, und der Mäander, der aus einem Pfeiler über zwei Stockwerke herauswächst und einen Krummstab bildet, ist schon eine Bild-Erfindung, die haften bleibt.

Appelhofplatz

Auf die Pfeiler der Station Appellhofplatz sind Kölner Originale gemalt – mal mehr, mal weniger bekannt. Im Vorbeifahren kann es Ihnen passieren, dass Sie plötzlich Alfred Biolek anschaut. In jüngeren Jahren allerdings. Nach Auskunft von Reinhard Thon, der bei der Stadt viel mit den Haltestellen zu tun hatte, gehen die Porträts auf die spontane Aktion einer Werbeagentur im Jahr 1990 zurück. Ein Schild an der Schmalseite eines der Bahnsteige nennt neben dem Namen des Kunstwerks „Kölner Köpfe“ und seines Gestalters Tabot Velud auch einen großen Tabakkonzern als Sponsor. Über Velud habe ich sonst nichts weiter in Erfahrung bringen können. Seine Malerei konnte er ohne größere Gefahr ungewollter „Verschönerung“ hinterlassen, weil an die Pfeiler, die zwischen den Gleisen stehen, so leicht keiner rankommt.

Neumarkt

Der Neumarkt gehört zu meinen Lieblingsstationen und den Höhepunkten der U-Bahn-Kunst in Köln. Peter Trint hatte die Wände ursprünglich mit Alu-Wellplatten und einem rosa umrandeten Fries in der Mitte verkleidet. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ war despektierlich von „Pinkys Wellblechbude“ zu lesen. In der Stadt der „photokina“ wollte Trint unbedingt ein Stück Fotokunst an zentraler Stelle im öffentlichen Raum. Den Auftrag gab er 1987 den Studenten Stefan Worring und Wolfgang Zurborn. Diese hatten ein Jahr vorher mit sechs Kommilitonen die „galerie lichtblick“ als Ausstellungsraum für zeitgenössische Fotografie in Nippes gegründet.

Der Neumarkt als Platz, sagt Worring, den Sie seit 1990 als Fotograf des „Kölner Stadt-Anzeiger“ kennen, „ist ja nun nichtssagend, es sei denn, es ist gerade was darauf los“. Zurborn und er entschlossen sich, die Vielfalt rund um den Neumarkt „in ihrer Komplexität zu zeigen, als eine Welt der alltäglichen Banalitäten“. Man sieht Umgebungsdetails wie den Richmodis-Turm, vor allem aber viele Menschen in den verschiedensten Situationen. Neben Farb- und Schwarzweiß-Fotos haben die Künstler bewusst auch verfremdende Kopien eingesetzt. Als die Station neue Bahnsteighöhen für den barrierefreien Einstieg bekam, verschwand das „Wellblech“. Die ursprünglich auf Aluminium gezogene Foto-Collagen wurde auf Wunsch der Architekten – ausführend war Trints Sohn Kai – erhalten, aber zu

Rudolfplatz

Ein Highlight schließlich ist auch der Rudolfplatz. Faber + Partner zitieren hier die Antike, sympathisch modernisiert und wieder in Fliesentechnik. Die achteckigen Stützen mit ihren gebrochenen Kanten haben eine Art Kapitell. Vor die Wände sind Pilaster gestellt. Das Ganze in schönen Blautönen und Weiß – ein Hingucker, der trotz der Fliesenfarben jede Badeanstalt-Assoziation vermeidet.

Auf einer Bahnsteigseite in der Mitte steht seit 1987 eine Spiegelwand nach dem Entwurf von Margarethe Czischke-Sabara. Auf einer Seite erscheint im darauf geätzten Umriss das Hahnentor. Auf die andere Seite ist ein Foto des alten Opernhauses gedruckt, das bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg in der Nähe am Ring stand. Die Spiegelwand durchbricht die Decke, verbindet zwei Etagen, aber auch Vergangenheit und Gegenwart. Eine originelle Idee: Im Spiegel – wenn Sie so wollen, im Spiegel der Geschichte – erscheinen unten im U-Bahn-Schacht Bauwerke, auf die man oben im Original treffen konnte oder immer noch treffen kann.

Am Ende unserer Rundfahrt muss ich Ihnen leider eines sagen: Mit einem Überblick aller Kölner Haltestellen und ihrer Kunst werden Sie sich schwer tun. Weder bei der Stadt noch bei der KVB gibt es eine Gesamtdokumentation. Beide haben aber den dringenden Wunsch danach, und ich – ich hätte gute Lust, so was zu machen: einen Galerieführer durch die U-Bahnhöfe der Stadt. Das dürfen Sie ruhig als Bewerbungsschreiben verstehen.

Von Barbara Schock-Werner (aufgezeichnet von Joachim Frank)