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Corona in KölnNur einer von zehn Patienten ist geimpft – Klinik fürchtet Überlastung

Lesezeit 5 Minuten
Uniklinik-Chef Edgar Schömig

„Mein Eindruck ist, dass das Virus aktuell vom Wahlkampf profitiert“, sagt Prof.  Edgar Schömig, Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor der Kölner Uniklinik.

Köln – Die Belastung der Kliniken durch Covid-Patienten nimmt wieder deutlich zu. Insgesamt liegen in Kölner Kliniken nach Angaben der Stadt aktuell 151 Patientinnen und Patienten, die gegen das Virus kämpfen. 54 von ihnen werden auf Intensivstationen behandelt. Vor zwei Wochen lag die Zahl der behandelten Patientinnen und Patienten noch bei 109 – bei 40 Intensivbehandlungen.

„Auch an der Uniklinik merken wir, dass die Zahl der Covid-Patienten in dieser vierten Welle zunimmt“, sagte Prof. Edgar Schömig, Chef der Kölner Uniklinik, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. So befänden sich derzeit 17 schwer erkrankte Covid-Patienten auf Stationen seiner Klinik, davon acht auf Intensivstationen. „Fünf von ihnen werden künstlich beatmet“, so Schömig. „Vor zwei Wochen lagen die Zahlen bei einem Drittel, die Zahl steigt von Woche zu Woche an.“

Corona-Stationen: Fast nur Ungeimpfte an der Kölner Uniklinik

An seiner Klinik sei derzeit „etwa einer von zehn Patienten, die aufgenommen werden, geimpft.“ Der Großteil der Klinikpatienten ist dagegen nicht gegen Covid-19 geschützt – obwohl die Uniklinik besonders häufig geimpfte Covid-Patienten mit schweren Verläufen übernehme. Unter den wenigen Geimpften wiederum seien auch Patienten, die vor kurzem erst ihre Erstimpfung erhalten haben und vor der Infektion noch nicht ausreichend geschützt waren. „Insgesamt ist diese vierte Welle eine Welle der Ungeimpften, das ist eindeutig“, sagt Schömig.

Das durchschnittliche Alter der Patienten liege bei 44 Jahren, der jüngste Patient, der beatmet werden muss, ist demnach 27 Jahre alt. „Wir erhalten aufgrund unserer personellen und technischen Möglichkeiten viele Patienten von kleineren Häusern, die Schwierigkeiten bei der Behandlung haben – das sind relativ häufig auch junge Menschen“, sagt Schömig einschränkend. Dennoch lag der Schnitt „in der zweiten und dritten Welle bei über 60 Jahren“, so der Mediziner: „Der Unterschied ist deutlich.“

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In Köln liegt die Quote der Erstgeimpften laut Stadt inzwischen bei mehr als 70 Prozent, rund 66,5 Prozent der Kölnerinnen und Kölner sind vollständig geimpft (Stand: Sonntag). Von den über 60-Jährigen sind rund 90 Prozent erstgeimpft, bei 18 bis 59-Jährigen liegt die Quote bei etwa 78 Prozent. Zwölf- bis 17-Jährige liegen mit nun 40 Prozent deutlich unter diesen beiden Gruppen. Insgesamt liegt Köln leicht über dem Landesschnitt: In Nordrhein-Westfalen sind laut Robert-Koch-Institut (RKI) etwa 64 Prozent der Menschen vollständig geimpft.

Vierte Welle: Überlastung des Gesundheitssystems nicht auszuschließen

Nach Ansicht von Edgar Schömig „wären wir in Deutschland schon aus dieser Krise, wenn sich genug Menschen hätten impfen lassen. Dass wir überhaupt noch mit dieser Pandemie zu tun haben, hängt fast ausschließlich damit zusammen, dass sich eine relativ große Gruppe nicht impfen lässt.“ Schömig umschreibt diesen Umstand als „kein Zeichen übermäßiger Klugheit, denn jede und jeder wird Antikörper gegen dieses Virus entwickeln – entweder durch eine Impfung oder eine Infektion.“ Das Verständnis dafür sieht Schömig nicht ausreichend ausgeprägt. Es sei aus verschiedensten Bereichen der Medizin bekannt, „dass Bildung im Durchschnitt mit einem höheren Gesundheitsbewusstsein einher geht“ – und das stellt sich mit Blick auf die Gruppe der Geimpften auch in dieser Pandemie so dar.

Die aktuell gültige 3G-Regel, bei der Getestete, Genesene und Geimpfte dieselben Freiheiten haben, hält der Ärztliche Direktor der Uniklinik Köln für falsch. So müsse eine „konsequente 3G-Regel auf PCR-Tests setzen.“ Doch auch diese „bieten keinen Eigenschutz für die Getesteten“, betont Schömig. Er plädiere daher für eine 2G-Regel, bei der nur Geimpfte und Genesene bei Veranstaltungen zugelassen wären. Diese würde die Impfbereitschaft erhöhen. Der Einwand, dass Ungeimpfte für ihre Infektion selbst verantwortlich seien, treffe zwar zu – aber „hier muss ich wiederum einwenden, dass die ohnehin knappen Behandlungskapazitäten bei einer weiter anschwellenden Welle durch die Ungeimpften belastet werden“, sagt Schömig. So würden ungeimpfte Covid-Patienten „im Zweifel anderen Patienten mit Herzinfarkt ihren Platz auf der Intensivstation nehmen.“

Mit einem weiteren Anstieg rechnet Schömig fest, dieser könne „auch sehr schnell kommen“. Das Potenzial für eine Überlastung des Gesundheitssystems durch Ungeimpfte, die sich infizieren, sei in Deutschland „definitiv noch vorhanden“. Dies betonte zuletzt auch Prof. Jochen Werner, Leiter der Uniklinik in Essen: Eine Auswirkung der Corona-Lage auf die Versorgung von Patienten mit allen anderen Krankheitsbildern sei „nicht mehr lange auszuschließen.“ Insgesamt liegen in Deutschland laut RKI mehr als 1300 Covid-Patienten auf Intensivstationen.Sollte es durch eine erhöhte Belastung wieder vermehrt zu Einschränkungen kommen, würden sich bislang Ungeimpfte „vielleicht auch doch impfen lassen“, sagt Schömig.

Kommunen wollen Impfungen aktiv anbieten und bewerben

Im Kölner Umland versuchen diverse Kommunen, Impfungen möglichst niedrigschwellig anzubieten. Die Stadt Leverkusen etwa geht nach eigenen Angaben verstärkt auf Jugendliche und Menschen mit Migrationsgeschichte zu. Dort gibt es inzwischen etwa Impftermine an Schulen, zu denen auch Eltern und Geschwister kommen können. Am kommenden Samstag ist eine große Impfaktion am Leverkusener Haus der Integration geplant. Dort können sich Menschen, die kein Deutsch sprechen, im Austausch mit Dolmetschern über die Corona-Impfung informieren.

Einige Themen kämen besser an, wenn sie in der Muttersprache besprochen würden, erklärt Sam Kofi Nyantakyi, Vorsitzender des lokalen Integrationsrats. Ebenso bietet der Kreis Euskirchen bei Integrationskursen, Jobcentern oder den Tafeln unkompliziert Impfungen an. Aus dem Impfzentrum in Rhein-Berg hieß es, die Impfquote könne nachhaltig nur erhöht werden, indem aus der bestehenden 3G-Regel eine 2G-Regel wird. Die Stadt Köln will an mobilen Impfangeboten in den Stadtteilen festhalten und verweist auf mehr als 25000 Impfungen, die hierüber bereits durchgeführt wurden. Eine flächendeckende 2G-Regelung hält Oberbürgermeisterin Henriette Reker weiterhin für unangemessen.

Schömig: 2G-Regel „das Mindeste“, Impfpflicht auf Sicht nicht auszuschließen

Für Edgar Schömig ist die Sache eindeutig: „Jede Anstrengung, die Impfquote zu erhöhen, lohnt sich.“ Er denke, dass „jede Aufklärungskampagne hilft – aber keine ausreichend sein kann, um an einer 2G-Regel vorbeizukommen.“ Die 2G-Regel sei „das Mindeste, was wir jetzt brauchen“. Schömig appelliert nur indirekt an die politisch Verantwortlichen: „Mein Eindruck ist, dass das Virus aktuell vom Wahlkampf profitiert.“

Sollten die politischen Anstrengungen die Impfquote auch nach der Wahl nicht entscheidend voranbringen, ist eine Impfpflicht für Edgar Schömig mittelfristig nicht auszuschließen. „Eine Impfpflicht konnte die Pocken fast vollständig besiegen. Egal, was wir wollen oder nicht wollen: Wenn diese Pandemie zu einer unendlichen Geschichte wird, dann werden wir an einer Impfpflicht womöglich doch nicht vorbeikommen“, sagt Schömig. Derzeit fordere er dies nicht, aber „das Virus macht, was es will, unsere Diskussionen sind dafür ziemlich egal.“ Man müsse sich „irgendwann ein Konzept überlegen, diesem Spuk ein Ende zu setzen.“