Mit einem neuen Forschungszentrum will die Uniklinik zum wichtigsten deutschen Standort für Infektiologe werden.
„Infektionsmedizin ist eine große Stärke“Kölner Uniklinik will neues Infektionszentrum bauen
Die Kölner Uniklinik plant, ein neues Forschungsgebäude für Infektiologie zu bauen. Ob der Plan aufgeht, entscheidet sich im kommenden Jahr: Für den Bau ist die Uniklinik auf eine Förderung von Bund und Land im zweistelligen Millionenbereich angewiesen. Als einer von zwei Standorten in Nordrhein-Westfalen hat sich die Uniklinik auf den Bau beworben.
Kölner Uni-Klinik kämpft um Förderung von Bund und Land
„Wir versuchen, eine gemeinsame Förderung von Bund und Land für ein infektionsmedizinisches Forschungsgebäude zu bekommen, mit der wir das Gebäude finanzieren können“, sagte Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Es soll ein reines Forschungsgebäude sein, in dem vor allem Labore betrieben werden. Wir haben hier sehr viel Unterstützung vonseiten des Klinikums, der Universität und des Landes“; so Fätkenheuer. Die Konkurrenz sei allerdings sehr groß und nicht beschränkt auf die Infektiologie oder überhaupt auf die Medizin, „aber wir denken, dass unsere Chancen nicht schlecht sind“, so der Mediziner. Derzeit läuft ein mehrstufiger Antragsprozess, im Sommer soll eine Projektskizze beim Wissenschaftsrat eingereicht werden.
Mit dem Bau wäre Köln langfristig der wichtigste deutsche Forschungsstandort für Infektiologie. Schon heute bewegt sich die Uniklinik in diesem Gebiet auf Augenhöhe mit der Berliner Charité, in der Corona-Pandemie hat man mit den „Lollipop-Tests“ für Kinder und der Antikörper-Therapie für Infizierte zwei Methoden entwickelt, die im Kampf gegen das Virus weit über Köln hinaus entscheidend geholfen haben.
Alles zum Thema Corona
- „Dringender Handlungsbedarf“ Wieso Kinder und Jugendliche psychisch immer stärker belastet sind
- Traktoren geschmückt Lichterfahrt mit Disney-Anklang zieht durch Elsdorf
- Betrugsfälle länger nachweisen Unterlagen zu Corona-Tests müssen bis 2028 aufbewahrt werden
- Corona, Grippe, RSV Wie sinnvoll sind Kombi-Selbsttests, um Infektionen zu erkennen?
- Nach fünf Jahren „Covid ist immer noch keine normale Erkältung“ – Müssen wir uns Sorgen machen?
- Kongress in Köln Weltweite Messe-Branche feiert Comeback
- Corona-Shitstorm RTL-Star nutzte Hasswelle, um Millionengeschäfte zu machen
Unabhängig von dem Gebäude hat die Uniklinik Ende 2022 das „Centrum für Infektionsmedizin“ (CIM) gegründet, in dem Fachleute verschiedener Disziplinen, die das Thema Infektiologie betreffen, zusammengebracht werden. „Wir haben das CIM gegründet, um alle Bereiche zusammenzuschalten, die sich mit Infektionen befassen – von der Mikrobiologie bis zur klinischen Infektiologie“, sagte Fätkenheuer. „Infektionsmedizin ist eine große Stärke der Uniklinik, die wir weiter ausbauen möchten.“
Infektiologie in Köln seit dem HIV-Virus weiterentwickelt
Fätkenheuer selbst treibt das Forschungsfeld in Köln seit Jahrzehnten voran, er arbeitet an der Uniklinik seit 1987 an dem Thema. „Meine intensive Beschäftigung mit der Infektiologie ergab sich durch die HIV-Infektion, die sich damals rasant ausbreitete und meist tödlich verlief.“ Die Erforschung und die inzwischen sehr erfolgreiche Behandlung der HIV-Erkrankung hätten der Infektiologie einen sehr großen Schub gegeben – in der Forschung, aber auch in der direkten Patientenversorgung.
„Mit anderen Kollegen zusammen habe ich damals in der Uniklinik angefangen, Kollegen bei allen möglichen Fragen zu Infektionskrankheiten zu beraten.“ Zu Beginn sei dies eher skeptisch aufgenommen, inzwischen werde die Arbeit aber sehr geschätzt und intensiv genutzt. „Wenn beispielsweise Patienten nach einer komplizierten Herz-OP mit Infektionen zu kämpfen haben, rufen uns die Chirurgen regelmäßig hinzu und besprechen die Behandlung mit uns direkt am Krankenbett.“ Die Pandemie war der nächste entscheidende Schub.
Neue Facharzt-Bezeichnung: Infektiologie ist auf dem Vormarsch
Je weiter die medizinische Forschung fortschreitet, desto wichtiger wird auch die Infektionsmedizin. Eine moderne Infektiologie gilt als Voraussetzung für die Anwendung von komplexen Behandlungen. „Dafür, dass ein massiv immunsupprimierter Patient nach einer Organ-Transplantation nicht nur die komplizierte Operation überlebt, sondern auch alles Weitere, braucht es gut weitergebildete Infektionsmediziner“, erklärt Fätkenheuer. Und: „Je älter die Menschen werden, desto schwächer wird auch das Immunsystem und desto anfälliger werden sie für Infektionskrankheiten.“
Seit einigen Monaten gibt es auch eine Facharzt-Bezeichnung für Infektiologen, für die Forscher wie Fätkenheuer seit langem kämpfen. Damit sind Fachleute nun zumindest formell auf einer Stufe mit Onkologen oder Kardiologen. Bei der Finanzierung seiner Disziplin sieht Fätkenheuer allerdings weiterhin Defizite: „Jetzt müssen wir erreichen, dass unsere Leistungen, die ja hauptsächlich aus Untersuchungen von Patienten und aus Gesprächen und Beratung bestehen, auch finanziert werden.“ Bislang seien Laboruntersuchungen klar bevorteilt.
Klimawandel könnte das Forschungsfeld noch wichtiger machen
Die Uniklinik kämpft auch in Erwartung weiterer pandemischer Viren für eine Ausweitung des Forschungsfeldes. „Tropische Viruserkrankungen, die schwer und tödlich sein können, kommen im Zuge des Klimawandels immer näher an uns heran“, betont Fätkenheuer. „Je wärmer es wird, desto wohler fühlen sich tropische Mücken und andere Krankheitsüberträger auf immer mehr Teilen der Welt. Und so rücken uns mit den Mücken auch neue Krankheitserreger immer mehr auf die Pelle.“
Entscheidend sei bei der infektiologischen Forschung die Vernetzung. „Je näher die verschiedenen Bereiche, die Infektionen betreffen, zusammenrücken, desto besser ist das für die Forschung und somit auch für die Patientinnen und Patienten.“ Ein Beispiel: Die Erforschung von Antikörpern gegen Viruserkrankungen am Virologischen Institut betrifft die Infektiologie ebenso wie Forschungen, die sich mit der Abwehr gegen bakterielle Infektionen befassen.
Beides findet an der Uniklinik statt, in einem neuen Forschungsbau könnten die Erfahrungen in beide Richtungen noch im Forschungsprozess geteilt werden. „Diese Dinge zusammenzubringen, schafft in der Forschung große Synergien. Alleine die räumliche Nähe hilft hier sehr“, so Fätkenheuer. Im CIM wird die Planung für das neue Gebäude derzeit so weit konkretisiert, dass nach dem Beschluss im kommenden Jahr sofort mit der Umsetzung des Baus begonnen werden könnte.