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OB Reker über das Corona-Jahr„Ich glaube an die Kraft der Krise“

Lesezeit 7 Minuten
Reker Interview 191220

Henriette Reker bei einem Interview kurz vor Weihnachten

  1. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker blickt im großen Interview auf das Corona-Jahr zurück.

KölnFrau Reker, Sie haben mitten im Corona-Jahr Ihre zweite Amtszeit angetreten, in einer Lage, in der die Stadt so noch nie war. Wie haben Sie das Jahr 2020 erlebt?

Das war insgesamt ausgesprochen herausfordernd. Natürlich haben wir schon im Frühjahr und Sommer ganz viel gelernt über die Corona-Situation. Es war also nicht alles völlig neu für mich. Sicher ist es mir auch zugutegekommen, dass ich im Frühjahr selbst eine Weile in Quarantäne war. In der Zeit habe ich mich mit dem damals noch weitgehend unbekannten Thema sehr beschäftigt. Das hat mir geholfen.

Nun fällt ja weiterhin vieles aus, was auch Ihnen eigentlich Spaß macht: An Silvester wird die Stadt weitgehend stillgelegt, der Karneval reduziert sich auf ganz wenige Veranstaltungen. Tut Ihnen das weh?

Es muss jetzt einfach so sein. Ich gehöre nicht zu denen, die den Dingen hinterherjammern, die nicht zu ändern sind. Außerdem füllt Jammern keine Kammern, sagt unsere Kämmerin.

Schon der Plan, in Coronazeiten überhaupt ein Dreigestirn zu proklamieren, stößt auf Kritik. Was sagt die bekennende Karnevalistin Reker dazu?

Ich finde es richtig und wichtig, dass wir ein Dreigestirn haben. Und die Proklamation wird ja völlig anders ausfallen, in einem ganz kleinen Rahmen. Das Dreigestirn hat es verdient, sie treten ja für zwei Jahre an und sind so die Einzigen, die „Zweimol Prinz zo sin“ singen können. Aber ich habe auch entschieden, dass sie die Insignien zwischendurch wieder abgeben müssen.

Das Gesundheitsamt, sonst eher im Verborgenen tätig, ist in diesem Jahr zu einer der wichtigsten Behörden geworden. Wie beurteilen Sie die Leistungen Ihrer Mitarbeiter? Es gibt ja immer wieder auch Kritik am Gesundheitsamt.

Die Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsamt haben wirklich Übermenschliches geleistet, auch im Zusammenwirken mit vielen anderen Ämtern der Stadtverwaltung. Allein die Neueinstellungen im Gesundheitsamt waren eine gigantische Aufgabe. Wir haben ja in manchen Wochen bis zu 160 Leute eingestellt. Da arbeiten jetzt 1245 Personen, normalerweise sind es 350. Wir können dadurch inzwischen alleine im Kontaktpersonenmanagement 800 Mitarbeiter einsetzen. Das trägt sicher dazu bei, dass die Inzidenzzahl in Köln unter dem Landes- oder Bundesdurchschnitt liegt. Wir haben das auch in den schwierigsten Zeiten durchgezogen. Die Mitarbeiter haben dabei aber wirklich an den Grenzen der Belastbarkeit gearbeitet.

Und wenn die Lage doch noch schlimmer wird?

Wir alle wollen ja, dass es nicht mehr schlimmer wird. Und ich bin zuversichtlich, weil wir jetzt Licht am Ende des Tunnels sehen und unserem Ziel näher kommen. Ich glaube übrigens auch an die Kraft der Krise. Wenn Menschen in einem derart fordernden Projekt gemeinsam erfolgreich sind, setzt das noch einmal ganz neue Kräfte frei.

Nach der Kommunalwahl im September hat sich nun im Stadtrat Ihre bisherige Unterstützerkoalition wieder zusammengefunden. Freuen Sie sich darüber?

Ja.

Die Farben sind allerdings nicht mehr Schwarz-Grün, sondern Grün-Schwarz. Werden Sie jetzt auch grüner?

Ich bin ja nicht schwarz oder grün, ich bin vernünftig. Ich glaube, dass wir eine klimafreundlichere Politik anstreben müssen, um unsere Lebensbedingungen zu erhalten. Und dass wir dafür auch Einschnitte in Kauf nehmen müssen, die sich aber langfristig auszahlen. Ich denke bei solchen Themen aber eher volkswirtschaftlich als betriebswirtschaftlich. Das sind alles langfristige Investitionen, die aber notwendig sind.

Ihr Unterstützerbündnis, zu dem ja auch noch Volt gehört, hat eine klare Mehrheit im Rat. Kommen denn jetzt die Dinge schneller voran?

Ich hoffe es. Und ich glaube es auch, weil die Verwaltung jetzt durch diese deutliche Mehrheit eine klarere Vorgabe hat. Wenn eine Verwaltung nicht genau weiß, wo die Mehrheit hingeht, dann ist sie ambivalenter in dem, was sie vorbereitet. Wichtig ist mir aber, dass wir klare Prioritäten haben.

Henriette Reker im Interview

Oberbürgermeisterin Henriette Reker

Welche sind das für 2021?

Ich will erstens beim Schulbau weiterkommen, zweitens bei der Verkehrswende vor allem mit Blick auf den Ausbau durchgängiger Fahrradwege und drittens beim Wohnungsbau. Außerdem müssen wir als Metropole wahrgenommen werden – wir sind die viertgrößte Stadt in Deutschland. Dann müssen wir auch so auftreten.

Braucht die Stadt einen Neustart auch in der politischen Kultur? Die Debatten im Rat waren je zuletzt nicht immer erfreulich.

Ich würde mir das wünschen. Ich fände es gut, wenn der Rat es schafft, sich um strategische Themen zu kümmern, die die Stadt auch weiterbringen. Es muss ja weitergehen. Man sollte sich nichts vormachen: Wir leben in einer wachsenden Stadt. Und wenn eine Stadt wächst, bedeutet das eben auch Verdichtung und Flächenverbrauch.

Die städtischen Tochtergesellschaften, vor allem die Messe und der Flughafen, haben in diesem Jahr auf weite Teile der erwarteten Einnahmen verzichten müssen. Macht Ihnen das Sorgen?

Mir macht es Sorgen. Aber wir werden alles dafür tun unsere Strukturen zu erhalten. Unser Schwerpunkte und unsere Herausforderungen bleiben ja, auch wenn uns Corona zur Neujustierung zwingt. Natürlich sehe ich, dass das Auswirkungen auf den Haushaltsausgleich haben kann. Wir brauchen daher weitere Hilfen von Land und vom Bund, denn die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind noch nicht vorbei.

Zur Verhinderung der Geißbockheim-Erweiterung, die Sie ja nicht mehr wollten, haben sich die Grüne und CDU auf einen fehlenden Pachtvertrag besonnen. Der FC sieht das anders und fordert Verlässlichkeit und Vertragstreue ein. Auch bei den Pachtzahlungen für das Stadion hakt es. Läuft die Stadt hier Gefahr, dass das Verhältnis zu ihrem wichtigsten Sportverein nachhaltig beschädigt wird?

Das glaube ich nicht. Gerade bei den Pachtzahlungen sind wir in guten Gesprächen mit dem FC und suchen nach einem gerechten Interessenausgleich. Ich habe immer gesagt: Was gut ist für den FC, ist auch gut für die Stadt. Wir haben nur manchmal einen Dissens darüber, was gut ist für den FC und was nicht.

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Vom Fußball zur Kultur: Wie suchen Sie die Nachfolgerin oder den Nachfolger für Opernintendantin Birgit Meyer – und was sind die wichtigsten Auswahlkriterien?

Wir haben einen Personalberater beauftragt, der eine Findungskommission zusammenstellen soll. Und die soll dann einen Vorschlag zur Besetzung der Stelle machen. Das läuft jetzt.

Was wünschen Sie sich denn von der künftigen Besetzung?

Dass wir eine Intendantin odereinen Intendanten finden, der das dann sanierte Ensemble am Offenbachplatz mit einem großen Aufschlag eröffnet und dem Haus zu neuem Glanz und internationalem Renommee verhilft.

Wenn die Pandemie überwunden ist, wird neben großer Erleichterung und Freude sicher auch gefeiert werden. Was werden Sie tun?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Dazu bin ich aber auch noch viel zu sehr in das Management dieser Krise eingebunden. Ich werde sicher keine großen Feiern veranstalten. Aber ein frisch gezapftes Kölsch in einer Kneipe, das wird es geben. Und darauf freue ich mich sehr.

Jetzt steht aber erst einmal Weihnachten vor der Tür. Wie sieht da der Ablauf bei Ihnen aus?

Wie jedes Jahr besuche ich an Weihnachten eine Feuerwache, was immer sehr schön und stimmungsvoll ist. Und dann trinke ich mit meinem Mann ein gutes Glas Wein. Und ich freue mich, dass ich an den Feiertagen Zeit habe, mit einigen Menschen zu telefonieren, für die ich sonst wenig Zeit habe. Ich habe schon eine kleine Telefonliste gemacht.

Welche Botschaft haben Sie an die Kölnerinnen und Kölner für die Festtage und den Jahreswechsel?

Ich wünsche mir, dass wir alle mit unseren Familien zusammen sein können und dass wir alle gesund bleiben. Und ich wünsche mir, dass wir gerade in diesem Jahr an diejenigen denken, die trotz Weihnachten arbeiten müssen, etwa in den Intensivstationen unserer Krankenhäuser. Natürlich wünsche ich mir auch, dass sich die Kölnerinnen und Kölner auch an den Festtagen so vernünftig verhalten, dass es danach nicht wieder zu einem Anstieg der Fallzahlen kommt.

Wer sind für Sie die Helden des ablaufenden Corona-Jahres?

Das sind ganz eindeutig all jene, die in unseren Krankenhäusern, Gesundheitsämtern und Pflegeheimen arbeiten. Es sind aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsdienstes, die die Einhaltung der Corona-Regeln überwachen müssen und sich dabei wirklich alles Mögliche gefallen lassen müssen von Menschen, die keine Vernunft annehmen wollen. Und es sind im übrigen all jene Menschen, die für sich selbst Verzicht üben und damit andere schützen.

Wenn wir Ende 2021 auf das Jahr zurückschauen, dann ...

... werden wir uns wundern, wie gut wir das doch überstanden haben. Außerdem werden wir besser verstehen, welche Menschen für das Funktionieren unserer Gesellschaft unverzichtbar sind. Und wir werden gelernt haben, was uns wirklich wichtig ist – und was weniger wichtig.