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Kommentar

Schwarzfahren muss Straftat bleiben
„Ehrliche Fahrgäste zahlen am Ende für die Unsolidarischen mit“

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Eine Bahn fährt Richtung Sülz.

Öffentlicher Nahverkehr ist durch das Deutschlandticket kein Luxusgut mehr.

Die SPD will, dass Schwarzfahren keine Straftat mehr ist. Eine gute Idee?

Schwarzfahren gilt immer noch als Straftat. Wer sich ohne Ticket in den Bus setzt, kann bis zu einem Jahr im Gefängnis landen. Eine unverhältnismäßige Disziplinierung, die abgeschafft werden muss? Claudia Lehnen sagt Ja. Wer nur einsteigt, darf nicht kriminalisiert werden. Gerhard Voogt sagt Nein und argumentiert damit, dass nur die Abschreckung Menschen von unsolidarischem Verhalten abhält.

Diese Szene kennt wohl jeder, der oft in Bussen und Bahnen unterwegs ist. Wenn Kontrolleure einsteigen, breitet sich bei bestimmten Fahrgästen eine gewissen Unruhe aus. Sie versuchen, sich unauffällig Richtung Tür zu schleichen. Die Nervosität hat einen Grund. Die Passagiere haben keinen Fahrschein – sie fahren schwarz.

Im vergangenen Jahr wurden bei den Kölner Verkehrsbetrieben mehr als 37.800 Menschen beim Schwarzfahren erwischt. Da Kontrollen nur sporadisch durchgeführt werden, dürfte die Dunkelziffer deutlich höher liegen. Fehlende Zugangskontrollen laden die Fahrgäste dazu ein, kein Ticket zu ziehen. An den U-Bahnstationen gibt es keine Drehkreuze, die sich nur mit einem gültigen Ticket öffnen lassen. Die Busfahrer lassen die Leute hinten einsteigen, ohne sich den Fahrschein zeigen zu lassen.

Gerhard  Voogt

Gerhard Voogt

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Mit den lässigen Zugangskontrollen sparen die Verkehrsbetriebe viel Geld bei Personal und Technik. Um Schwarzfahrten einzudämmen, setzen sie allein auf das Prinzip Abschreckung. Wer erwischt wird, muss ein „erhörtes Beförderungsentgelt“ entrichten. Und weil Schwarzfahren ein Straftatbestand ist, droht im Wiederholungsfall sogar eine Gefängnisstrafe. Ist das angemessen? Oder schießt der Rechtsstaat hier mit Kanonen auf Spatzen?

Die SPD-Bundestagfaktion hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) jetzt aufgefordert, das Schwarzfahren zu „entkriminalisieren“. Es sei der falsche Weg, Gefängniszellen mit den „Schwächsten in der Gesellschaft“ zu füllen, die sich kein Ticket leisten könnten. Die hohen Haftkosten stünden in keinem Verhältnis zum entstandenen Schaden.

Eine Entkriminalisierung wäre das falsche Signal an die, die sich unsolidarisch verhalten

Mit der Einführung des deutschlandweit geltenden 49-Euro-Tickets ist die Nutzung des ÖPNV nun aber mittlerweile kein unbezahlbarer Luxus mehr. Im neuen Bürgergeld sind 45 Euro für Mobilitätskosten vorgesehen. Das Argument, den Armen bleibe praktisch keine andere Wahl, als schwarz zu fahren, schwächelt.

Die Warnung, dass Freiheitsstrafen verhängt werden können, ist die einzig wirksame Drohung, die als Abschreckung gegen das Schwarzfahren dienen kann. Neben denen, die sich das Ticket angeblich nicht leisten können, gibt es eine erhebliche Anzahl von notorischen Schwarzfahrern, die das Risiko, erwischt zu werden, einkalkulieren. Sie rechnen sich gezielt aus, wie oft sie nicht erwischt werden, damit sich das Versteckspiel am Ende lohnt. Eine Entkriminalisierung wäre das falsche Signal an die, die sich unsolidarisch verhalten.

Solange der Staat sich nicht dazu entschließt, den ÖPNV kostenfrei zu machen, sind die Verkehrsbetriebe auf Ticketerlöse angewiesen. Die Fahrscheine werden immer teurer - auch weil die ehrlichen Fahrgäste am Ende für die Schwarzfahrer mitbezahlen. Die aus Klimaschutzgründen dringend erforderliche Attraktivierung des öffentlichen Nahverkehrs wird nur durch verstärkte Investitionen gelingen. Dazu bedarf es Mehr-, und nicht weniger Einnahmen.

Statt das Schwarzfahrern zu entkriminalisieren, sollte eher übe andere Formen der Strafverbüßung nachgedacht werden. Verurteilte Straftäter könnten auch dazu verdonnert werden, Bahnen zu putzen oder sich in anderer Weise sinnvoll bei der Unterstützung der Verkehrsbetriebe einzusetzen. Das würde die Gefängnisse entlasten. Es ist sinnvoller, die Sanktionsmechanismen zu überdenken, anstatt vor den hohen Kosten der Strafverfolgung zu kapitulieren.