- Der Christopher Street Day sollte in diesem Jahr unter dem Motto „Einigkeit! Recht! Freiheit!“ stattfinden.
- Mehrere Bündnisse und Organisationen kritisieren das Motto als „unverantwortlich in Zeiten von verstärktem Nationalismus“. Schließlich wurde es geändert.
- Die Änderung zeuge von einer bedenklichen Geringschätzung für diese Gesellschaft und ihre Errungenschaften, findet unser Autor.
Köln – „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – sie beschwört der Dichter Hoffmann von Fallersleben in seinem „Lied der Deutschen“ aus dem 19. Jahrhundert für eine damals noch zersplitterte, vordemokratische Nation. Aus gutem Grund wird die zu Übermacht-Fantasterei und Übermenschen-Ideologie verzerrte erste Strophe bei offiziellen Anlässen nicht mehr verwendet. Aber die dritte Strophe besingt als Nationalhymne in lyrischer Form, was das Grundgesetz in der Sprache des Rechts bestimmt.
Dass Einigkeit, Recht und Freiheit wegen angeblich nationalistischer Anklänge nicht mehr das Motto der diesjährigen Parade beim Christopher Street Day in Köln sein dürfen, zeugt von einer bedenklichen Geringschätzung für diese Gesellschaft und ihre Errungenschaften. Und dass Gegner ihre Position gar tumultartig durchsetzen zu müssen glaubten, ist ein Armutszeugnis. Als wäre gedankenlos ein Reflex eingerastet, weil das Motto für sie nach Staat und Obrigkeit klingen.
Deutschland bietet alle Möglichkeiten, für Gleichberechtigung einzutreten
Es ist ja richtig, dass es auch in Deutschland mit der Gleichberechtigung Homo- und Transsexueller noch hapert. Aber dieses Land bietet alle Möglichkeiten, sich für die Überwindung von Missständen einzusetzen: Demonstrations- und Versammlungsfreiheit zum Beispiel oder den Rechtsweg bis zum Verfassungsgericht, das die Anliegen der queeren Community in einer Reihe von Urteilen gestärkt hat.
Der „Kölner Lesben- und Schwulentag“ (KLuST) hatte das Motto für die „Cologne Pride“ 2020 viel politischer gewählt als in den Vorjahren. Da gab es Nichtssagendes wie „Liebe ist. . .“ (2011), Anbiederndes wie „Wir sind »nur« der rosa Karneval“ (2014) oder gut gemeint Moralisches wie „Nie wieder!“ (2017). Die Anleihe bei der Nationalhymne war nicht – wie die Kritiker es offenbar sehen – als plumpes Mit- oder Nachsingen gedacht, nicht als patriotische Wohlfühl-Woge, wie sie gern mal durch Fußballstadien spült. Mit den Rufzeichen nach jedem der drei Begriffe markierten die Veranstalter, dass sie in puncto Konsens (Einigkeit), Gleichbehandlung (Recht) und Entfaltung (Freiheit) noch Defizite sehen, für deren Beseitigung es sich zu kämpfen lohnt (Rufzeichen).
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Und wenn man fragt, von wo mental und soziokulturell heute die größten Widerstände ausgehen und wo die Diskriminierung von Lesben und Schwulen sozusagen zum guten Ton gehört, dann landet man flugs in rechten Kreisen und ihrer parlamentarischen Vertretung. Es ist absurd, dem KLuST eine (unfreiwillige) Nähe zu diesen Kräften vorzuwerfen, weil er – gegen sie – die allen gemeinsamen Rechte und Freiheiten ausdrücklich für Schwule, Lesben und Transgender-Menschen reklamiert.
Unter dem Ersatz-Motto „Für Menschenrechte“ wird die CSD-Parade nun also durch die Straßen ziehen. Nichts dagegen! Wie auch? Nur: Von der positiven Provokation des einkassierten Mottos ist bloß unscheinbare Blässe geblieben. Die Kritiker des KLuST haben der Community vors Schienbein getreten – und ihrem Anliegen ein Bein gestellt.