Köln – Wenn Parteien ihre Kandidatinnen und Kandidaten für eine Wahl aufstellen, sind das sehr unspektakuläre Termine: Längst ist abgesprochen, wer für welchen Wahlkreis kandidiert. Mit breiter Mehrheit werden die Damen und Herren dann in einem eher symbolischen Wahlakt aufgestellt und sammeln Applaus ein.
Anders bei der SPD. Im November wollte die designierte Parteichefin Susanna Dos-Santos Hermann ihre Kandidatur in Mülheim bestätigen lassen. Ihr zentral gelegener Wahlkreis in der Innenstadt war ihr offenbar zu unsicher geworden. In Mülheim scheint die Sozialdemokratie gesetzt.
Kölner SPD: Carolin Kirsch war selbst überrascht von ihrer Aufstellung
Doch Carolin Kirsch hatte etwas dagegen. „Wir müssen zeigen, dass es uns um den Menschen in der Stadt geht, nicht um uns selbst“, sagte sie in ihrer Aufstellungsrede, nach der sie mit zwei Stimmen Vorsprung vor Dos Santos gewählt wurde. Die Parteispitze war unangenehm überrascht vom Votum der Basis, auch Kirsch selbst hatte damit nicht gerechnet, wie sie im Anschluss sagte.
Ihr großes Thema: Der Erhalt des Krankenhauses in Holweide. Im Wahlkampf unterstützte sie auch Spitzenkandidat Thomas Kutschaty auf den Wiener Platz. Mit Blick auf den vorgelegten Krankenhausentwicklungsplan des amtierenden NRW-Gesundheitsministers, der viele Kürzungen vorsieht, sagte er: „Herr Laumann darf nicht die Chance bekommen, ihn umzusetzen.“ Kutschaty spricht von Wertschätzung, Versorgungssicherheit und einem „drohenden Kahlschlag“, Kirsch nickt kräftig. Der Erhalt von Holweide ist auch für die gesamte nordrhein-westfälische SPD ein Symbol für eine Gesundheitspolitik, die im Sinne einer stabilen Grundversorgung auch finanzielle Verluste in Kauf nimmt.
Kölner Grüne halten SPD-Position zu Holweide für unehrlich
Leon Schlömer von den Grünen hält die Position der SPD für „maximal unehrlich“. Schon Karl Lauterbach habe in seinem Wahlkampf für die Bundestagswahl versprochen, er sorge dafür, dass Holweide erhalten bleibe. Tatsächlich hatte Lauterbach als Wahlkämpfer mit erheblich mehr Lockerheit über Holweide gesprochen als nun. Der Druck, doch mal etwas zu sagen, wuchs in den vergangenen Wochen erheblich. Anfang Mai nahm er eine Einladung der Initiative zum Erhalt des Krankenhauses an und schob der amtierenden Landesregierung und Oberbürgermeisterin Henriette Reker die Schuld in die Schuhe. Es müsse nun darum gehen, Holweide „zumindest als Notfallklinik zu retten“.
Schlömer, Jurist, 24 Jahre alt, hält den Erhalt für unrealistisch, egal wer in der kommenden Landesregierung sitzt. Und er hält es auch nicht für falsch, Stationen in Merheim zu bündeln und in Holweide nur eine kleinere, krankenhausähnliche Einrichtung zu erhalten: „Ich bin da auf Linie mit meiner Ratsfraktion. So fallen keine Betten weg“, sagt Schlömer. Entscheidend sei, die Verkehrsanbindung nach Merheim zu verbessern – und die Fallpauschalen abzuschaffen. Im Landtag will er sich mit Innenpolitik und der Ausstattung der Polizei befassen, will außerdem als „Lobbyist für soziale Gerechtigkeit“ auftreten. Für mehr Kita-Plätze und bessere Arbeitsbedingungen. Er ist sich sicher, auch mit Blick auf die hohe Zustimmung für die grünen Bundesminister: „Es ist nicht unmöglich, dass Mülheim grün wird.“
CDU will den Mülheimer Süden mit Investoren schnell voranbringen
Auch Dominik Kaven (CDU) will mitreden, wenn es um das Direktmandat geht. Er sagt, er setze sich „selbstverständlich für den Erhalt des Krankenhauses Holweide“ ein. Auch, wenn die Kölner CDU dagegen ist. Als Konflikt erlebe er das nicht: „In dem Wissen hat mich meine Partei aufgestellt.“ Sein großes Thema: die Baustellen im Mülheimer Süden.
„Es gibt hier riesiges Potenzial, wir müssen schauen, dass wir die Dinge hier schnell voranbringen.“ Kaven will Investoren locken, um „wirtschaftliche und soziale Themen zu versöhnen“, wie er sagt. Die hohe Arbeitslosenquote in seinem Wahlkreis will er im selben Zug mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Stadtentwicklung senken. „Das neue Köln entsteht auf der Schäl Sick“, sagt er. Und will seinen Teil beitragen. Auch der 27-Jährige hat den Anspruch, den Wahlkreis direkt zu gewinnen. Und natürlich, auch SPD und Grüne wollen den Mülheimer Süden schnell entwickeln, setzen dabei auch auf Gelder von Stadt und Land.
Sollte es Schlömer oder Kaven tatsächlich gelingen, das Direktmandat zu holen, hätte die SPD ein riesiges Problem. Mülheim, so etwas wie der letzte Arbeiterwahlkreis, muss sozialdemokratisch bleiben, so ist das Selbstverständnis der Partei in Köln. Die Frage nach der Glaubwürdigkeit der SPD bei der Rettung des Krankenhauses wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Wohl auch bei kommenden Wahlen.