Köln – Wenn Wojciech Marcinek (50) zur Arbeit will, muss er hoch hinaus. Wie viele Stufen er täglich klettert, hat er nie gezählt. Es dauert aber zehn bis 15 Minuten, bis er die lange Leiter erklommen hat und im Führerhaus des 70 Meter hohen Krans auf der Baustelle des Centrums Integrierte Onkologie (CIO) sitzt. Hoch oben über der Lindenthaler Joseph-Stelzmann-Straße hat Marcinek eigentlich eine gute Sicht auf die Stadt. „Ich kann sogar den Dom sehen“, sagt der Kranführer, der seit 25 Jahren im Geschäft ist und bereits an der Münchner Allianz-Arena und am Potsdamer Platz in Berlin gearbeitet hat. Meist hat er aber keine Zeit dafür. Denn höchste Konzentration ist gefragt, wenn er bis zu 2,5 Tonnen schwere Betonschalen zentimetergenau zu seinen Kollegen manövriert, die das Material anschließend weiter verarbeiten.
MASTERPLAN
Das Bauprojekt CIO gehört zu dem knapp eine Milliarde Euro teuren Masterplan, den die Uniklinik ausgetüftelt hat und der weitestgehend bis 2025 umgesetzt werden soll. Ein guter Teil davon wurde bereits realisiert: Das Herzzentrum (76 Millionen Euro), das Zentrum für Molekulare Medizin Köln (ZMMK, 38 Millionen Euro) oder auch das Diagnostik- und Therapiezentrum (197 Millionen Euro) sind fertig. Weitere zwei Dutzend Projekte stehen aber noch auf der Liste von Medfacilities, dem Tochterunternehmen der Uniklinik, das die Bauprojekte plant. Kürzere Wege, mehr Effizienz und modernere Labore für die Wissenschaftler wollen die Planer durch die Umstrukturierung schaffen.
Seit 2015 sind Kranführer Marcinek und 49 weitere Bauarbeiter auf der Lindenthaler Baustelle mit dem CIO beschäftigt. Sie haben die Fundamente ausgehoben, haben den Bau auf die erste Etage getrieben und werden – mit anderen Firmen – bis 2018 insgesamt 6600 Kubikmeter Beton und 700 Tonen Stahl verarbeiten. Dann werden im CIO Dutzende Spitzenmediziner einziehen und endlich unter einem Dach arbeiten können. Bislang waren die Wissenschaftler über den Uniklinik-Campus verstreut, die Patienten wurden größtenteils in der fünften Etage des Bettenhauses betreut. Das neue Haus, das 114 Millionen Euro kosten wird, bietet Platz für die zahlreicher werdenden ambulanten Patienten, so Uniklinik-Sprecher Timo Mügge. Derzeit werden 16 000 an Krebs erkrankte Menschen im Kölner CIO behandelt.
FORSCHUNGSCAMPUS
Läuft alles nach Plan, sollen in den nächsten zehn bis 15 Jahren die Lehrgebäude an der Gleueler Straße, die Krankenbehandlung vor allem an der Kerpener Straße sowie die Forschung an der Robert-Koch-Straße und der Joseph-Stelzmann-Straße konzentriert werden. Ein Plan, der möglicherweise über den bis 2025 terminierten Masterplan hinausweist. Heute schon haben an beiden letzteren Straße mit dem ZMMK, dem Zentrum für altersbedingte Erkrankungen (Cecad) der Universität Köln und den außeruniversitären Max-Planck-Instituten für die Biologie des Alterns und für Stoffwechselforschung wissenschaftliche Leuchtturmprojekte ihren Sitz. Der Vorteil: Hunderte Wissenschaftler müssen nur die Straßenseite wechseln, um miteinander ins Gespräch kommen zu können. „Wenn alles klappt, haben wir in neun Jahren einen medizinischen Forschungscampus in Lindenthal, der in Europa seinesgleichen sucht“, sagt Edgar Schömig, Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor der Uniklinik. Nur wenige Meter vom CIO-Baufeld laufen auch die Vorbereitungen für ein weiteres Forschungsgebäude, das neben dem ZMMK entstehen soll. Bis 2020 soll hier für 61 Millionen Euro ein Forschungsgebäude entstehen, in dem die Krebsforschung zentral gebündelt wird.
ELTERN-KIND-ZENTRUM
Ab 2018 rollen die Bagger auch auf dem Baufeld West, um unter anderem ein Eltern-Kind-Zentrum zu errichten. Dieses soll anstelle der in die Jahre gekommenen Gebäude der Psychosomatik, der Arbeits- und Sozialmedizin, der Kinderklinik und Onkologie an der Kerpener Straße entstehen. Im Neubau, der bis zum Jahr 2020 auf einer Fläche von 21 000 Quadratmetern errichtet wird, werden alle Fachbereiche zusammengefasst, die zur Versorgung von Schwangeren und Müttern benötigt werden. Das Zentrum bietet Eltern schwer kranker Kinder zudem die Möglichkeit, während der Behandlung im gleichen Gebäude zu wohnen. Auf demselben Areal sollen auch die derzeit auf mehrere Standorte verteilten Operationssäle gebündelt werden. Zudem soll die zentrale Notaufnahme vom Bettenhaus in den Komplex verlegt werden. Alles in allem kostet der Bau 210 Millionen Euro.
SANIERUNGEN
Hinzu kommen zahlreiche Sanierungen auf dem Uniklinik-Campus: So läuft etwa die Instandsetzung des Bettenhauses, Zentrum der Krankenversorgung der Klinik, auf Hochtouren. Das Gebäude aus den 1970er Jahre ist in die Jahre gekommen und wird seit 2005 – im laufenden Betrieb – Etage für Etage renoviert. Erneuert werden unter anderem Teile der Fassade, Brandschutz, Dämmung und Lüftungstechnik. Kosten: 146 Millionen Euro. Zudem soll an der Augenklinik ein Anbau entstehen und auch die Hals-Nasen-Ohren-Klinik überholt werden. Die finanzielle Förderung für beide Projekte ist allerdings noch nicht gesichert.
2025 UND DARÜBER HINAUS
Die Liste ließe sich fortsetzen. Klar ist: Auch nach dem Jahr 2025 werden sich vermutlich die Kräne über der Uniklinik drehen – Masterplan hin oder her. „Der Bedarf verändert sich ständig“, sagt Mügge. Kaum vorhersehbar, wie sich die Patientenzahlen künftig entwickeln. Kaum vorhersehbar, welche Forschungsprojekte auf dem Klinikareal realisiert werden können. Vielleicht wird eines Tages sogar Wojciech Marcinek nach Köln zurückkehren, um hier ein weiteres Mal einen wuchtigen Kran zu lenken. Nach diesem Job in Köln will er auf jeden Fall erst einmal in seine Heimat Polen zurückkehren und ausspannen – bis der nächste Auftrag kommt.