Köln – Zum Finale eines tollen Konzerts im mit rund 1200 Besuchern gut gefüllten E-Werk stürmen Miljö am Freitagabend den „Wolkeplatz“, um dann von Polarlichtern zu singen: „Ich wollt schon immer de Polarleechter sinn,/ Et sin nor dreißig Stunde Fahrt bes dohin,/ Ich wollt schon immer de Polarleechter sinn,/ Un mir fahre durch die Naach, denn hück es alles drin, alles drin.“ Die euphorisierte Menge wiegt sich im Licht ihrer Mobiltelefone und träumt.
Ja, alles ist drin, trotz schwieriger Zeiten, es gibt eine Zukunft, trotz Pandemie, trotz Krieg in der Ukraine, trotz Inflation. Das kleine Glück dieses gemeinsamen Abends bringt Energie und nimmt Ängste. Es ist dieser Optimismus, für den die einstige Schülerband Miljö seit zehn Jahren steht, der sich in ihrer oft fröhlichen Musik spiegelt, und den sie in gut geschriebenen, differenzierten Texten immer wieder postuliert.
Trotz Mitgliederwechsel – da performt eine echte Einheit
Probleme kann man lösen. Etwa, wenn Mike Cremer, der beliebte Sänger der Band, aus gesundheitlichen Gründen aufhören muss. Dann schafft sich eben Nils Schreiber ein neues Instrument, die Gitarre, drauf, wird zum Frontmann, und gibt Keyboards und Akkordeon ab an Daniel Pottgüter, einen hervorragenden Musiker, der auch menschlich passt.
Dä! So einfach ist das. Und dass man all die Arbeit, die dieser Wechsel mit sich bringt, nicht merkt auf der Bühne des E-Werks, spricht für die Qualität von Miljö – da performt eine echte Einheit. „Null oder hundert“ ist keine Frage, sondern eine Feststellung, der sich das Publikum bei Songs wie „Noh Huss“ oder „Schöckelpääd“ textsicher mitsingend hingibt. „Egal, was in den letzten zwei Jahren kaputt gegangen ist, wir bauen es wieder auf“, sagt Nils Schreiber, „Nix is för immer“.
„Zeigt eure Solidarität gegen Rassismus“
„Immer wigger“ heißt das neue Album, von Cremer produziert und ab sofort erhältlich, und der erste Song daraus an diesem Abend ist ein politisches Statement. „Mol di Veedel bunt“ ist Miljös Beitrag für die AG Arsch huh, die im November 30. Geburtstag feiert mit einer großen Kundgebung in der Lanxess-Arena. Schreiber, mit Friedenstaube auf der akustischen Gitarre, fordert sein Publikum auf, daran teilzunehmen: „Zeigt eure Solidarität gegen Rassismus.“
Dann stimmt er mit Unterstützung von Sängerin Linda Teodosiu, die als Vorgruppe mit ihrer All-Mädels-Band Mätropolis eine viel versprechende Bühnenpremiere feiert, den Weltmusik-Rock-Song an. „Magst du Einheitsbrei, drüsch un fad?/ Hätt brunger Driss-Verzäll sich dir in et Uhr jelaat?/ Willst du nur jestern un de joode ahle Zick?/ Mach dich op de Reis‘ - vielleicht häs do woanders Jlöck!“ heißt es da, das Schlagzeug prügelt live pure Energie in den Saal, man sieht die Regenbogenfahnen von Kirchtürmen leuchtend vor sich. „Mol di Veedel bunt, bunt, bunt,/de Stadt in Färv jetunk, -tunk, -tunk,/ strohle heller wie des Sunn, Sunn, Sunn./ Sinn mer verschiede us/ mer all sin he zo Huss.“ Das ist stark.
Mit das Beste, was Kölsche Musik zu bieten hat
Auch die anderen neuen Lieder beeindrucken. Die Liebeserklärung „Et Jrößte“ etwa wird im Saal schon mitgesungen. Oder „Einfach su“, das mit Cat Ballou-Sänger Oliver Niessen vorgetragen wird. Oder „Zigg zoröck“,das die Band schon länger live spielt, und bei dem Mike Cremer einen umjubelten Gastauftritt hinlegt. Oder „För ein Naach“, die Hymne für junge Fetze, unsterblich und nicht zu bremsen, denen für eine Nacht die Stadt zu gehören scheint: „En Jalaxie us Fantasie, för ein Naach!“ Der Song hat alles, was ein Sessions-Hit braucht und trotz sehr vieler Nanana’s einen starken Text.
Fazit: Miljö hat die Pandemie gut überstanden, ein starkes neues Album herausgebracht und mit neuem Frontmann ein überzeugendes Livekonzert hingelegt. In dieser Form gehört die Band zum Besten, was Kölsche Musik zu bieten hat. Und warum sollte sich das ändern: „Sulang beim Lommi die Leechter noch brenne…“.