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Kölner StunksitzungNeue Darstellerin über Kartenkauf – „Dachte, die stehen für was Cooles wie Rihanna an“

Lesezeit 4 Minuten
Aischa-Lina Löbbert ist neues Mitglied des Stunker-Ensembles.

Wir stellen Aischa-Lina Löbbert vor, die diese Session neu im Stunker-Ensembles ist.

Die Schauspielerin Aischa-Lina Löbbert ist im Geiste der Stunksitzung groß geworden und steht nun selbst auf der Bühne im E-Werk.

Die junge Mutter mit Baby im Arm hat glücklich zu sein. Das ist zumindest die Erwartungshaltung ihrer Umwelt. Und so lächelt „Zornröschen“ – in der es aber ganz anders aussieht. Für ihre Dornröschen-Parodie, in der sie das gesellschaftliche Glücksdiktat als verlogen entlarvt, wird Aischa-Lina Löbbert nicht nur vom weiblichen Publium gefeiert.

Das jüngste Mitglied des Stunker-Ensembles durfte sich mit dieser Nummer also nicht nur als neue Darstellerin der diesjährigen Stunksitzung einbringen, sondern auch als Autorin. „Ich habe überlegt, was macht mir richtig Stunk, wo stinkt es mir: Ich bin so froh, dass die Kollegen mich so unterstützt haben und mich als Neuling haben die Nummer schreiben lassen“, sagt Löbbert. Neben ihrem „Zornröschen“ mag sie den Schotten-Chor am Ende der Sitzung mit am liebsten. „Das ist der Abschluss der Show, dann sind wir alle schon gelöst. Da ist Anarchie und auch das Wilde mit drin.“

Stunksitzung: Halbzeit erreicht

Wir treffen die 40-Jährige Schauspielerin in ihrem Stammcafé „Caffe Bar“ in der Südstadt. An diesem Montag ist spielfrei, die Hälfte der 55 Sitzungen ist erreicht, die Premiere weit weg und der Druck, der im Vorhinein auf Löbbert lastete, abgefallen.

Die Begeisterungsfähigkeit der Stunker bleibe aber stabil. Jede Sitzung fühle sich wie ein Fest an, so Löbbert, sodass sie abends so „von dem Glück der Leute aufgeladen“ sei, „dass ich abends oft nicht einschlafen kann, weil ich so aufgedreht bin“. Anders als die Schauspielerin es vom Stadttheater kennt, spulten die Stunker trotz der vielen Shows nicht einfach nur ihr Programm ab. „Wir treffen uns immer noch eine Stunde vorher und proben, feilen an Worten, nehmen eventuell noch Tagesaktuelles rein“, sagt Löbbert.

Aischa-Lina Löbbert (r.) als Gleichgültigkeitsbeauftragte der Stadt Köln.

Aischa-Lina Löbbert (r.) als Gleichgültigkeitsbeauftragte der Stadt Köln.

Die Stunker, die pro Session zehntausende Menschen unterhalten, sind eine eingeschworene Gemeinschaft, eine Familie. „Das ist eine Gruppe Freunde, die das vor 40 Jahren gegründet haben und die sich darüber professionalisiert haben. Die Stunksitzung ist mit so viel Liebe gemacht: Sie organisieren alles selber, machen sogar die Tischdecken selber drauf“, sagt Löbbert.

Aischa-Lina Löbbert als Schottin bei der Pressekonferenz im September 2024.

Aischa-Lina Löbbert als Schottin bei der Pressekonferenz im September 2024.

Stunksitzung: Tochter von Gründungsmitglied

Sie selbst hat von dieser Liebe schon früh viel abbekommen: Als Tochter von Gründungsmitglied Sebastian Koerber, der sich seit Jahren für soziale Projekte, wie etwa die Rheinflanke engagiert, war sie schon von klein auf Teil des Stunker-Kosmos. Mit neun Jahren stand sie für die Kinder-Stunksitzung auf der Bühne, die es einige Jahre gab. Mit sechs Jahren war sie das erste Mal als Zuschauerin der Stunksitzung dabei.

„Ich weiß noch, dass ich die Nummern toll fand, aber Jürgen Becker doof, weil ich das Erwachsenenniveau seiner Nummern nicht verstanden habe.“ Sie erinnert sich, dass ihre Eltern ihr minutiös Bericht erstatten sollten, welche Gags es bei der Premiere gab und ob bei der Derniere, der letzten Vorstellung, irgendwas verändert wurde. „Ich finde die Derniere seitdem so spannend. Manche hassen es wie die Pest und ich liebe es so, weil man sich fragt, was lässt man sich jetzt noch einfallen?“, sagt Löbbert.

Manche Theater würden diese Tradition unterbinden. „Man soll die Kollegen überraschen, aber nicht das Stück sprengen. Manche sprengen auch das Stück.“ Als Mephisto in Goethes Faust I wechselte Löbbert einmal bei jeder Szene die Perücke.

Theater und Karneval seien zum Teil konträre Welten. Zum Beispiel in Bezug auf Comedy. „Im deutschen Theater ist Comedy etwas verpönt, dabei ist das eigentlich eine Kürdisziplin. In der Garderobe feilt Biggi Wanninger immer noch mit mir an den Gags und wie man sie serviert, sodass die Leute noch mehr lachen.“ Beim Theater heißt es hingegen: Die Lacher sollen nicht durchgehen, das störe die Gesamtspannung.

Zornröschen: Aischa-Lina Löbbert über das Glücksdiktat der Gesellschaft.

Zornröschen: Aischa-Lina Löbbert über das Glücksdiktat der Gesellschaft.

Löbbert sorgt sich nicht um Karnevals-Nachwuchs

Und die Zukunft der Stunksitzung? Auch wenn das Publikum vor allem aus Ü50-Personen besteht, wird der Nachwuchs nachziehen, ist sich Löbbert sicher. Dass die Jüngeren weniger kommen, habe eher etwas mit den Umständen zu tun: Studierende könnten sich die Karten womöglich noch nicht leisten, die Generation danach hat oft kleine Kinder und braucht für einen Abend den Babysitter. Oder geht doch lieber in Kneipen feiern. Noch.

Doch wo man die Jungen sah, war beim Anstehen für die begehrten und meist direkt ausverkauften Karten. „Wir haben die Schlangen betreut und die vielen jungen Leute kommen vielleicht nicht so gut über Netzwerke an Karten. Ich dachte erst, die müssen doch für was Cooles anstehen wie Rihanna oder so, aber die wollten gute Karten für die Stunksitzung ergattern“, sagt Löbbert und freut sich, dass sie auch viele jüngere Bekannte ins E-Werk locken konnte.

Wie es für Löbbert weitergeht, die zuvor jahrelang bei der Bonner Karnevalsrevue Pink Punk Panthon aufgetreten ist, weiß sie noch nicht. Sie vertritt gerade Ensemble-Mitglied Martina Bajohr, die sich eine Pause genommen hat. Nach Karneval ist Löbbert dann erstmal wieder im Theater unterwegs: vom 27. bis 29. März für die Studiobühne mit dem Stück „Edelweißpiraten. Kölner Jugend zwischen Rebellion und Freiheitsliebe“.