Der Kölner Erfolgsautor sorgte mit einem durchchoreografierten Multi-Media-Event mit großen Bildern und Musik-Untermalung für Begeisterung.
„Furiose Show“Frank Schätzing präsentiert neuen Roman „Helden“ im Kölner E-Werk
Frank Schätzing betritt die Bühne in einer Art schottischem Kilt moderner Ausprägung und kommt erstmal nicht zum Zug. Auf der Großleinwand spielt sich ein KI-generierter Rotschopf arg in den Vordergrund. Es ist Jacop, der Fuchs, die Hauptperson in Schätzings neuem Großwerk „Helden“, der sich hier wichtigmacht. Aber der Schöpfer lässt sich nicht in die Parade fahren. „Das ist meine Show“, unterbricht Schätzing den jungen Mann barsch, um dann sein Publikum in den Kosmos zu entführen, in dem er sich seit einiger Zeit (wieder) am liebsten aufhält: In der Welt des 13. Jahrhunderts, seinem „Zweitwohnsitz“.
Frank Schätzings „Helden“: Panorama aus Gewalt, Mystik und Chaos
„Helden“ (Verlag Kiepenheuer & Witsch) ist eine Fortsetzung von „Tod und Teufel“ aus den 1990-er Jahren. Ging es im Debüt vor allem um Intrigen im mittelalterlichen Köln, spielt „Helden“ auch an internationalen Schauplätzen. Es ist ein 1000-Seiten-Wälzer geworden, ein „erzählerisches Universum“, das Schätzing nach einer Eingebung unter der morgendlichen Dusche kreierte. Allein die Auflistung der Protagonisten füllt mehr als vier Seiten. Wo käme Schätzing also hin, wenn er sich von jedem reinquatschen lassen würde?
Der Kölner Erfolgsautor entfaltet gleich zum Einstieg in das Buch ein Panorama aus Gewalt, Mystik und Chaos. In vielen Detail zeigt er, wie gewissenhaft er sich in seine Materie eingearbeitet hat. Bei Vollmond nimmt seine Hauptfigur Jacop zusammen mit einer Horde Ritter auf der „Maria Salome“ Kurs auf die englische Steilküste, als das geheime Manöver gründlich schiefgeht.
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Erst schlitzen Felsen die Bordwand auf, dann taucht die unheimliche „Deamhan“ auf, die anders ist als andere Kaperschiffe: „Im blassen Leuchten der Nebelbank nahm etwas Gestalt an. Dunkel und groß.“ So zieht man Leser in eine Geschichte. Der Autor des Science-Fiction-Bestsellers „Der Schwarm“ setzt auch im Mittelalter-Sujet auf sein erzählerisches Talent und den großen Effekt.
Lit.Cologne: Auftritte von Frank Schätzing als „furiose Show“
Nicht anders hält es Schätzing bei seinen Live-Auftritten. Die Lit.Cologne hat die Buchvorstellung im vollbesetzten E-Werk erst gar nicht als Lesung angepriesen, sondern als „furiose Show“. Und die liefert Schätzing ab. Sein Helden-Epos transferiert er in ein durchchoreografiertes Multi-Media-Event mit großen Bildern und Musik-Untermalung, das im Freitag-Abend-Publikum zu keiner Zeit so etwas wie Überforderung oder Langeweile aufkommen lassen will.
Schätzing ist ein Entertainer, ein Conférencier seines Stoffes. Kürzere Leseproben gibt er nur am Anfang und Ende des Programms zum Besten, dazwischen liegen stimmungsvolle Liedvorträge der Sängerin Meta Luis und ein ausführliches Mittelalter-Quiz über das 13. Jahrhundert. Es zeigt, wie damals Aberglaube und Fortschritt Hand in Hand gingen. Ein neues Menschenbild ermöglicht einen Modernisierungsschub, der zu Frühformen des Kapitalismus führt. Gleichzeitig glaubt man an Drachen und Schlangenwesen. Die Kölner rufen schon so etwas wie „Kölle Alaaf“ und halten Katzen für ein probates Nahrungsmittel, wie Ausgrabungen nahelegen. Ein Vulkan sorgt für klimatische Veränderungen und Simon de Montfort, Widersacher des englischen Königs Henry III., setzt auf Populismus und Abschottung - Parallelen zur Gegenwart, die auch in „Helden“ eine Rolle spielen.
Frank Schätzing: „Fand die Rolle der Frau sehr interessant“
„Vor allen Dingen haben mich die Frauen in dieser Zeit interessiert“, sagt Schätzing: „Ich fand die Rolle der Frau sehr interessant, weil wir so wenig über die Frauen wissen.“ Schriftliche Überlieferungen waren schließlich zumeist Männersache, die Sicht der Frau kam nicht vor. Mit Richmodis von Weiden, Eleonor de Provence, Nora de Montfort und der schottischen Heerführerin Muirgheal versucht Schätzing weibliche Perspektiven in seine Geschichte einzubinden. Auch sein Damen-Quartett visualisiert er an diesem Abend mit Hilfe künstlicher Intelligenz.
Per „Live-Schalte ins 13. Jahrhundert“ geben sie über ihr Selbstverständnis inmitten kriegerischer und machthungriger Männer Auskunft. Dabei zeigen sie sich verblüffend selbstbewusst und machen sich über die logischen Fehler in Schätzings erstem Mittelalter-Roman lustig: „In seinem ersten Buch hat er jemanden eine Meerschaumpfeife rauchen lassen.“ Frauen-Power vor 800 Jahren. Diesmal traut sich der Autor nicht, dazwischen zu funken.