AboAbonnieren

Mit Herz und roter MützeEx-Stunker bringt den Fußball in Problemviertel

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann mit roter Baskenmütze auf dem Kopf steht am Rheinufer, im Hintergrund ist das Sürther Bootshaus zu sehen.

Sebastian Koerber vor dem Sürther Bootshaus

Der Sürther Sebastian Koerber engagiert sich seit Jahren für soziale Projekte, wie etwa die Rheinflanke. Auch bei der Stunksitzung war er Gründungsmitglied.

„Meine erste rote Kappe habe ich bei Dauerregen in einem Münchener Hutgeschäft gekauft. Um dem trüben Regenwetter etwas entgegenzusetzen, habe ich mich für die Farbe Rot entschieden. Das war vor 30 Jahren“, erinnert sich Sebastian Koerber, ein Mann, der niemals ohne seine rote Kappe das Haus verlässt. Im Schnitt trägt er eine Kappe zwei Jahre, dann ist sie verwaschen und landet in der Karnevalskiste. Das Modell und die Farbe werden niemals gewechselt. Den Sürther stört es nicht, dass die Menschen ihn auf der Straße erkennen, grüßen oder die Augen verdrehen. Im Gegenteil: Er genießt es, erkannt zu werden, er ist die Bühne gewohnt.

Der Diplom-Sozialarbeiter hat in Köln viele kulturelle Projekte initiiert und angeschoben. Mit der Gründung der Kölner Spielewerkstatt hat er in den 80er Jahren versucht, mit Kulturangeboten die Jugendlichen in sozialen Brennpunkten informell anzusprechen. Koerber ist auch Gründungsmitglied der Kölner Stunksitzung. Er und Jürgen Becker gehörten zu den 25 befreundeten Studenten an der Kölner Fachhochschule, die bei einem Kölsch beschlossen, den traditionellen Karneval zu unterwandern. Die erste Stunksitzung vor einigen hundert potenziellen Karnevals-Hassern ging ab wie eine Rakete.

Von der Stunksitzung zur Ziegenbartsitzung

„In den Pionierjahren haben wir noch alles selbst gebaut, geschrieben und wir standen auf der Bühne“, erzählt Koerber, der die einstige Sponti-Veranstaltung verließ, als diese sich immer mehr zu einer Kabarettshow entwickelte und der zeitliche Mehraufwand sich nicht mehr mit seiner Familiengründung vertrug. Der Karnevalsfunke sollte auch auf seine sechs Kinder überspringen, so entstand die Idee der Ziegenbartsitzung mit einer lebendigen Ziege als „Präsidentin“ auf der Bühne.

Alles zum Thema Feuerwehr Köln

Der 64-Jährige lebt seit über 30 Jahren in Sürth, weil das Dorf am Rhein – wie er sagt – viel Charme habe und man in der Aue und dem Weißer Bogen gut entspannen könne. Was ihn aber störte, war die kulturelle Flaute im Kölner Süden. Kurzerhand etablierte der Sürther gleich zwei kulturelle Highlights. Zum einen gründete er 2003 den Chor „O-Ton-Süd“ in dem er inkognito, soll heißen ohne Mütze, mitsingt; zum anderen gab er Mitte der 1990-er Jahre den Startschuss zum „Kulturbeutel“, eine Kabarettveranstaltung, die der Ex-Stunker mit einem selbst genähten Kulturbeutel auf dem Kopf moderierte.

Ein Mann steht vor drei großformatigen Bildern auf einer Bühne.

Sebastian Koerber mit dem Kulturbeutel auf dem Kopf auf der Bühne

„Die Idee war, bekannte Kabarettisten in die Vororte zu holen. Die Abende waren ausverkauft.“ Nach zehn Jahren kehrte er der Bühne den Rücken und wechselte als Geschäftsführer zur „Rheinflanke“, einem gemeinnützigen Verein, der sich mit Fußballprojekten um die Integration von sozial benachteiligten Jugendlichen kümmert. „Gemeinsam mit meinem Freund Christoph Bex, übrigens auch ein Sürther, waren wir lange die Doppelspitze bei der Rheinflanke“, sagt der Mann, dem die Sürther den Spitznamen Rotkäppchen gegeben haben.

Lobbyisten für die Jugendlichen

Den Weg aus dem alternativen Karneval über die Kölner Spielewerkstatt hin zu sportbezogenen Projekten in sozialen Brennpunkten sieht Koerber als Einheit. „Wir sehen uns als Lobbyisten für diese Jugendlichen, wir versuchen, die Missstände konkret anzupacken und setzen uns mit unserer Arbeit für eine positive Gesellschaftsveränderung ein.“ Mit dem Team der Rheinflanke konnte Koerber in den letzten 25 Jahren viele Erfolge erzielen, nur auf dem Kölnberg, da klappte es nicht auf Dauer, da seitens der Stadt keine verlässliche Finanzierung für die Quartierarbeit zu bekommen war. Nach drei Jahren vor Ort hat sich die Rheinflanke aus Meschenich zurückgezogen.

„Meschenich hat ein systemimmanentes Problem, dort ist es schwieriger als in Chorweiler. Auf der Besitzerebene gibt es vermehrt Heuschrecken, die nur Mieten kassieren und sich nicht um die Immobilen und somit zu wenig um die Menschen kümmern. Wir waren immer die Feuerwehr.“ Koerber freut sich über jeden Prominenten, der die Arbeit der Rheinflanke unterstützt und hofft auf Interesse der Fußballprominenz: „In Sürth und im Hahnwald leben viele Profi-Fußballer, die mit ihrer Persönlichkeit vielen Jugendlichen ein Vorbild sein könnten.“ Vielleicht trifft man sich mit der roten Mütze und kommt ins Gespräch.