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15-Jähriger erstochenKölner Mordverfahren um Dara K. geht weiter – Anwalt legt Revision ein

Lesezeit 4 Minuten
In diesem Bereich im Mülheimer Hafen wurde der 15-Jährige im März 2024 getötet.

In diesem Bereich im Mülheimer Hafen wurde der 15-Jährige im März 2024 getötet.

Das Landgericht Köln hatte vergangene Woche unter anderem lebenslange Haft verhängt.

Der emotionale Strafprozess um die Ermordung des 15-jährigen Dara K. im Mülheimer Hafen geht weiter. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, wehrt sich der Beschuldigte Ahmet Y. (27) gegen seine Verurteilung zu lebenslanger Haft. Sein Verteidiger Ingmar Rosentreter bestätigt auf Nachfrage, dass er Revision zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe einlegen wird. Auch der zweite Haupttäter Joshua M. (19), der zugestochen hat, will seine Jugendstrafe von neun Jahren Gefängnis nicht akzeptieren.

Köln: Jugendlichen unter Waffenvorhalt entführt

Ahmet Y. war es, der in der Tatnacht im März vor einer Kneipe in Mülheim für die Entführung des Jugendlichen gesorgt hatte. Er bedrohte den Jungen und Zeugen mit einer Schrotflinte und rief Dara K. nach eigener Aussage zu: „Du willst hier Gangster spielen? Du kommst jetzt mit!“

Es war der Höhepunkt eines schwelenden Konflikts im Drogenmilieu. Der 15-Jährige hatte zunächst für die Täterseite Marihuana im Bereich des Mülheimer Stadtgartens verkauft, dann die Gruppierung gewechselt.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Der Angeklagte Ahmet Y. (27) mit seinem Verteidiger Ingmar Rosentreter im Landgericht Köln

Der Angeklagte Ahmet Y. (27) mit seinem Verteidiger Ingmar Rosentreter im Landgericht Köln

Komplize Joshua M. hatte Dara K. nach der Ankündigung von Y.  in den Schwitzkasten genommen und bis zum Mülheimer Hafen geschleppt. Was dort genau auf der Insel am Rhein passierte, darüber gingen die Schilderungen der beiden Angeklagten im Prozess vor dem Landgericht auseinander. Der 27-Jährige hatte erklärt, sein jüngerer Mittäter sei völlig ausgerastet und habe Dara K. im Alleingang mit einem Messer getötet. „Der hat das verdient“, habe Joshua M. danach sogar noch geäußert.

Kölner Schwurgericht glaubte dem 19-jährigen Komplizen

Richter Ansgar Meimberg und seine Kammer glaubten jedoch den Schilderungen des 19-Jährigen. Demnach sei es zwar richtig, dass er Dara K. erst ins Bein und dann viermal in die Brust gestochen habe. Jedoch sei es Ahmet Y. gewesen, der den 15-Jährigen, als dieser nach den ersten Stichen flüchten wollte, zu Boden gerissen und mit der Flinte bedroht habe. „Ich habe das als Aufforderung verstanden, die Sache zu beenden“, hatte M. gesagt. Er habe dann „wahllos“ zugestochen.

Der Angeklagte Joshua M. (19) mit seiner Verteidigerin Pantea Farahzadi im Kölner Landgericht

Der Angeklagte Joshua M. (19) mit seiner Verteidigerin Pantea Farahzadi im Kölner Landgericht

Das Gericht hatte daher von einem arbeitsteiligen Mord aus niederen Beweggründen gesprochen. Von Vergeltung und einer Machtdemonstration war die Rede. Ahmet Y. erhielt die Höchststrafe, Joshua M. profitierte vom milderen Jugendstrafrecht. „Ich habe das nicht getan“, hatte der 27-Jährige nach der Urteilsbegründung am Mittwoch in den Gerichtssaal gerufen und auf die Anklagebank geschlagen – und damit seinen Unmut über die Mordverurteilung geäußert.

Kölner Anwalt: Zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer Mordplan

Dass Verteidiger Rosentreter Revision für seinen Mandanten einlegt, ist daher keine Überraschung. Der Anwalt verweist auf Anfrage auf sein Plädoyer. Joshua M. sei ein „eiskalter, ich will nicht Killer sagen, aber eiskalter Täter“, der alle täusche, hatte Rosentreter geäußert.

M. habe sich vor Gericht gut verkauft und seinen Mandanten als den richtigen Bösewicht in der Geschichte dargestellt. Y. trage sicher auch eine moralische Schuld, sagte Rosentreter, aber davon müsse man sich lösen.

Der Verteidiger hatte dargestellt, dass es zu keinem Zeitpunkt einen gemeinsamen Mordplan gegeben habe. Mit einem Gewehr in der Hand habe dieser Dara K. auch nicht zu Boden reißen können. Dem Mandanten sei es nur um eine Abreibung gegangen. Für eine Machtdemonstration im Drogenmilieu eine lebenslange Freiheitsstrafe in Kauf zu nehmen, mache überhaupt keinen Sinn. Rosentreter: „Dann sitzt er im Knast und nach zwei Monaten spricht keiner mehr von ihm.“

Köln: Weitere Indizien führten zur Verurteilung wegen Mordes

Richter Meimberg hatte jedoch ausgeführt, dass er Ahmet Y. auch ohne die Aussage des Komplizen wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt hätte. So sprächen die fehlenden Abwehrverletzungen am Körper des Getöteten für das aktive Mitwirken eines weiteren Täters. Auch hatte Y. seine Jacke und Mütze ausgezogen und zunächst in einen Mülleimer geworfen. Das mache nur Sinn, wenn man Spuren beseitigen wolle. Ahmet Y. hatte das damit erklärt, sich „eingeengt“ gefühlt zu haben.

Das Landgericht hat nun einige Wochen Zeit, ein schriftliches Urteil zu verfassen. Danach werden der oder die Verteidiger dieses auf Rechtsfehler prüfen und eine Revisionsbegründung zum Bundesgerichtshof verfassen. Kippt das Urteil, dann käme es zur Neuverhandlung in Köln. Die Anwälte von Joshua M., Pantea Farahzadi und Daniel Schmidt, haben die Entscheidung des Landgerichts ebenfalls angegriffen – sie hatten nicht mehr als sieben Jahre Haft wegen Totschlags beantragt.

Köln: Weiterer Angeklagter legte bereits Revision ein

Für die Familie des Getöteten – Mutter, Vater und die jüngere Schwester hatten jeden Prozesstag als Nebenkläger verfolgt – heißt das, mit dem Strafverfahren weiterhin nicht abschließen zu können. Ohnehin hätten sie das Urteil mit gemischten Gefühlen aufgenommen, hatte Opfer-Anwalt Jan-Victor Khatib geäußert. Es bestehe zwar ein Stück weit Erleichterung darüber, dass Höchststrafen ausgesprochen worden seien. „Auf der anderen Seite überwiegen weiterhin Wut und Trauer.“

Ein weiterer Angeklagter hat über seinen Verteidiger Bernhard Scholz bereits Revision eingelegt, der Anwalt sieht eine zu dünne Beweislage. Marcel M. (20) hatte wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und Freiheitsberaubung zwei Jahre Haft ohne Bewährung erhalten. Der vierte Beschuldigte, der beim Beseitigen von Spuren geholfen hatte, akzeptiert laut Anwalt Markus Haupt sein Urteil. Der 20-Jährige muss lediglich sechs Monate eine Betreuungsmaßnahme absolvieren.