Nach der Urteilsbegründung meldete sich plötzlich lautstark einer der verurteilten Haupttäter zu Wort.
„Skrupellos“So begründet der Richter das Mordurteil im Fall Dara K. – wieder Tumult im Gerichtssaal
Der spektakuläre Mordprozess um den am Mülheimer Hafen erstochenen 15-jährigen Dara K. endete am Mittwoch im Landgericht so turbulent, wie er begonnen hatte. Nachdem er lebenslänglich Gefängnis für die Mittäterschaft an der Tötung des Jugendlichen erhalten hatte, bäumte sich der Beschuldigte Ahmet Y. (27) auf und schlug fest auf die Anklagebank. „Ich habe das nicht getan!“, brüllte er. Und zog damit den ebenso lautstarken Zorn der im Saal anwesenden Familie des Opfers auf sich.
Köln: Revierstreitigkeiten führten zur Bluttat in Mülheim
Ahmet Y. gilt als der Kopf einer Drogenbande, die Marihuana im Mülheimer Stadtgarten verkaufte. Er sei der „Beschützer“ der Gruppe gewesen. Mutig und stark nannte der Angeklagte sich in eigenen Worten, was der Vorsitzende Richter Ansgar Meimberg in seiner Urteilsbegründung mit „skrupellos“ übersetzte. Y. sei es gewesen, der eine Waffe gefordert habe, um einen schwelenden Konflikt mit einer konkurrierenden Gruppe zu lösen. Die hatte sein Schützling Joshua M. (19) besorgt – eine Schrotflinte samt Munition.
Bei der geplanten „Aussprache“ vor einer Kneipe in Mülheim war der 15-jährige Dara K. zwischen die Fronten geraten. K. hatte erst für die Bande um Ahmet Y. und Joshua M. verkauft. Als sogenannter Läufer transportierte er Marihuana und verkaufte geringfügige Mengen. Dass er Anfang des Jahres die Seiten gewechselt und wohl auch Stammkunden mitgenommen hat, stieß den früheren „Kollegen“ übel auf. Revierstreitigkeiten nannten das zwei der Angeklagten.
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Köln: Eskalation vor Kneipe – Dara K. wurde entführt
Vor der Kneipe habe Ahmet Y. den Konflikt beilegen wollen, wenn nötig mit Gewalt, sagte der Richter. Er habe die Schrotflinte gezogen und Dara K., dessen neuen Auftraggeber und einen Zeugen bedroht. Der 15-Jährige habe dann, womöglich aufgeputscht durch vorangegangenen Kokainkonsum, selbst eine echt aussehende Schreckschusspistole gezogen. Da sei Ahmet Y. völlig ausgerastet. „Du willst hier Gangster spielen? Du kommst mit!“, habe der 27-Jährige auch laut eigener Aussage gesagt. Und auch: „Den seht ihr nie wieder.“ Es sei Y. also klar gewesen, dass die Angelegenheit tödlich enden könnte.
Mit einem Kopfnicken habe der ältere Angeklagte dann dem jüngeren Komplizen signalisiert, Dara K. zu schnappen. Joshua M. nahm den Jungen in den Schwitzkasten und zerrte ihn etwa 700 Meter zur Katzenbuckelbrücke und dann zur Insel am Mülheimer Hafen. Auf Anweisung von Mehmet Y. habe Joshua K. den 15-Jährigen geschlagen, dann ein Messer gezogen und auf die Beine des Minderjährigen eingestochen. Dara konnte sich losreißen, wurde von den Tätern aber eingeholt.
Köln. Richter spricht von arbeitsteiligen Mord am Hafen
Arbeitsteilig hätte das Mörderduo danach gehandelt, führte der Richter aus. Während Mehmet Y. weiterhin mit der Schrotflinte drohte, habe Joshua M. „die Sache beendet“. Der 19-Jährige hatte angegeben, eine stillschweigende Aufforderung von seinem Komplizen erhalten zu haben. Daher habe er „wahllos“ auf den Brustkorb von Dara K. eingestochen. Der Junge verblutete nach innen, Lunge und Leber wurden getroffen. Um die Spuren zu beseitigen, entkleideten die Täter den Leichnam.
Das Landgericht folgte damit der Einlassung von Joshua M., wonach er sich von Mehmet Y. zur Tat gedrängt gefühlt habe. Als Motive nannte der Richter zum einen Vergeltung für den „Ungehorsam“ Daras, der seine früheren Kollegen mehrfach bei der Polizei angeschwärzt hatte, und zum anderen eine Machtdemonstration in Hinblick auf die konkurrierende Drogenbande. Der 27-Jährige sagte, mit dem Mord nichts zu tun zu haben. Er habe Dara K. zwar mit entführt, sagte Y., dann sei sein Komplize aber völlig ausgerastet.
Köln: Gericht glaubt Einlassung des erwachsenen Angeklagten nicht
„Was hast du getan?“, will Ahmet Y. den Messerstecher noch angebrüllt haben. Er habe nach den ersten Stichen sogar einen Krankenwagen rufen wollen. Völlig abwegig nannte Richter Meimberg diese Geschichte. Joshua M. hätte sich wohl kaum getraut, Dara K. ohne Zustimmung von Y. zu töten. Zudem sprach das Gutachten der Rechtsmedizin gegen den 27-Jährigen. Der Leichnam wies keine Abwehrverletzungen auf, was laut Richter für die Mitwirkung eines weiteren Täters spreche.
Zudem hatte Ahmet Y. sich auch selbst seiner Jacke und Mütze entledigt und diese zunächst in einem Mülleimer entsorgt. Das spreche erst recht für eine aktive Beteiligung an der Tat, sagte der Richter. Y. selbst hatte erklärt, sich nach dem Geschehen „eingeengt“ gefühlt zu haben. Das sei nicht glaubhaft, so der Richter. Daher könne die Strafe nur auf Mord aus niederen Beweggründen und lebenslang Gefängnis lauten. Joshua M. hingegen erhielt nach Jugendstrafrecht lediglich neun Jahre Haft.
Köln: Zwei weitere Angeklagte vom Mordvorwurf entlastet
Als Ahmet Y. nach der Urteilsbegründung den Mordvorwurf lautstark zurückwies, rief die jüngere Schwester des Getöteten: „Du hast meinen Bruder getötet!“ Die Mutter des Opfers schrie apathisch immer wieder den Namen ihres Sohnes. Beim Prozessauftakt hatte sie den Angeklagten Joshua M. beschimpft und bespuckt. Richter Meimberg bat die Angehörigen beider Lager, sich in Zukunft in Ruhe zu lassen und niemanden zu gefährden. „Es ist genug Leid geschehen“, so der Vorsitzende.
Zwei weitere Mitglieder der Drogenbande mussten sich im Prozess dem Mordvorwurf stellen. Den beiden 20-Jährigen wurden aber nur Beihilfehandlungen und versuchte Strafvereitelung nachgewiesen. So hatten sie nach dem Mord etwa geholfen, die blutverschmierte Kleidung des 15-Jährigen zu verbrennen. Einer der Täter erhielt zwei Jahre Haft, der andere wird für sechs Monate unter eine Art Betreuung gestellt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, es gibt die Möglichkeit der Revision zum Bundesgerichtshof.