Am Sonntag waren Tokio Hotel in Köln. Musikalisch hat sich die Band verändert, doch vieles war wie früher. Ein alter Song war der Höhepunkt.
Konzert im Kölner E-WerkDreiminütige Zeitreise mit Tokio Hotel ins kreischende Teenie-Alter
Schon beim ersten Ton des nächsten Liedes ertönte schrilles Kreischen aus dem Publikum. Jeder Fan wusste, welcher Hit hier gerade von der vierköpfigen Band auf der Bühne angestimmt wird – und alle sangen vom ersten Ton, bis hin zum Ende mit: „Ich muss durch den Monsun, hinter die Welt, ans Ende der Zeit, bis kein Regen mehr fällt.“
Es ist „Durch den Monsun“, der Hit, der die Mitglieder der deutschen Band Tokio Hotel im August 2005 über Nacht zu Stars gemacht hatte. Und der Song war auch fast 18 Jahre später bei ihrem Konzert, im Rahmen ihrer zuvor verschobenen „Beyond the World“-Tour, am Sonntagabend im Kölner E-Werk der unausgesprochene Höhepunkt des Abends. Den viele Zuschauer per Facetime auch mit den Fans teilen wollten, die nicht beim ausverkauften Konzert dabei sein konnten.
Köln: „Durch den Monsun“ war Höhepunkt beim Tokio Hotel Konzert
Es war eine knapp dreiminütige Zeitreise zurück ins Teenie-Alter – für die Fans, die an diesem Abend zu kreischenden Erwachsenen mutiert sind, aber auch für die Band. Denn die eineiigen Zwillinge, Sänger Bill Kaulitz und Gitarrist Tom Kaulitz, waren damals erst 16 Jahre alt, Bassist Georg Listing und Schlagzeuger Gustav Schäfer 17 Jahre alt.
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Doch so schön das gemeinsame Schwelgen in Erinnerungen auch ist, auch dieser Moment war am Ende des Songs wieder vorbei, und das war auch okay so. Denn in Songs wie „Durch den Monsun“ fanden zwar viele junge Menschen Halt und es half ihnen, das Teenie-Dasein zu meistern, aber musikalisch, und vor allem textlich, darf man die Musik von Tokio Hotel aus ihrer Anfangszeit durchaus hinterfragen.
In ihrer rund anderthalb stündigen Show am Sonntag zeigte die Band daher: Auch die Jungs rund um Frontmann Bill Kaulitz haben sich weiterentwickelt. Nicht unbedingt beim Bühnenbild, das wie früher immer noch schlicht war. Und auch nicht bei den Outfits, denn dass der androgyne Bill Kaulitz einen pink-glitzernden Jumpsuit mit Cowboyhut beim Show-Auftakt trug, war beim Gedanken an seine Frisur aus dem Jahr 2005, doch wenig überraschend.
Vielmehr ist es eben die Musik, die sich weiterentwickelt hat. Wer beim ersten Song den Hut und die nicht genutzte Metalgitarre von Bill Kaulitz ausblenden konnte, hörte schon bei „White Lies“ von ihrem aktuellen Album „2001“, dass Tokio Hotel jetzt tanzbare Mainstream-Musik machen, und das in einem sehr positiven Sinne.
Und genau dieser Sound, die Lieder vor 2014 noch mit rockigen Akzenten und zwischendurch auch Lieder aus dem Synthie-Pop, veranlassten die Fans im E-Werk, die ganze Zeit über mitzutanzen und mitzusingen. Auch zum Kreischen gab die Band weiteren Anlass, als Gitarrist Tom Kaulitz, der mit seiner ungebändigten Mähne auf der Bühne stand, ein Gitarrensolo gab und danach Plektrum und Wasserflasche ins Publikum warf – und vermutlich mal wieder das ein oder andere Herz an diesem Abend brach.
Das war aber auch der einzige Moment, in dem mal nicht Bill Kaulitz im Mittelpunkt der Show stand. Der zwar mehrmals sein Outfit wechselte und nicht selten mit gekonntem Hüftschwung selbst mittanzte, aber, anders als man es erwartet hätte, durchaus wortkarg war. Mal sagte er kurz, dass er unglaublich viel Spaß habe und sich die ganze Band ganz besonders auf Köln gefreut habe, ein anderes Mal erzählte er, dass er sich die Songtexte von den alten Liedern noch einmal durchlesen musste.
Beim Song „Spring nicht“ aus dem Jahr 2007 zeigte er sich dann textsicher. Und mit voller Sympathie sagte er dazu: „Es ist ein Lied, dass ihr euch so sehr gewünscht habt und vielen von euch ganz viel bedeutet, das habe ich damals gar nicht so gewusst“. Was die Millennials im E-Werk mit diesem Song genau verbinden, weiß man zwar nicht, aber die Tränen einiger Fans zeigten: Tokio Hotel hat viele junge Menschen bewegt und genau diese sind der Band bis heute treu geblieben.