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Trotz AltersbeschränkungKölner Kioskbesitzer: So einfach kommen Jugendliche an E-Zigaretten

Lesezeit 5 Minuten
Kioskinhaberin Ceyda Güzel zeigt eine Auswahl der in ihrem Laden in Mülheim erhältlichen Einweg-E-Zigaretten.

Kioskinhaberin Ceyda Güzel zeigt eine Auswahl der in ihrem Laden in Mülheim erhältlichen Einweg-E-Zigaretten.

Einweg-E-Zigaretten sind insbesondere bei Jugendlichen beliebt, machen aber süchtig – Händler können die Altersgrenzen nur bedingt kontrollieren.

Bunt schillernd, häufig mit blinkenden LED-Lichtern umrahmt und fast immer direkt an der Kasse positioniert – E-Zigaretten zum einmaligen Gebrauch, auch Vapes genannt, ziehen in Kölner Kiosks schnell die Aufmerksamkeit auf sich. Und die Bandbreite angebotener Geschmacksrichtungen ist breit: Banane, Kirsche, Wassermelone, Pfirsich, Cappuccino oder Tiramisu sind darunter.

Das ist auch im „Kiosk Güzel“ von Inhaberin Ceyda Güzel an der Keupstraße in Mülheim der Fall. Sie betreibt ihr Büdchen seit 2020 und bestätigt, dass bei ihrer Kundschaft die Vapes, elektronische Verdampfer, „ungefähr seit Ende der Corona-Pandemie“ im Trend liegen. „Hier gibt es eine Abendschule, ein Gymnasium und mehrere Konzert-Locations in direkter Nachbarschaft – da kommen den ganzen Tag über Kunden aller Altersstufen, die E-Zigaretten kaufen“, sagt die 25-Jährige.

Kauf von Einweg-E-Zigaretten ist für Jugendliche unter 18 Jahren verboten

Als Unternehmerin weiß Güzel, welchen Bestimmungen die häufig in Form handlicher, schmaler Stifte produzierten Vapes beim Verkauf unterliegen. Die Abgabe an unter 18-Jährige ist verboten. „Ich lasse mir immer den Ausweis zeigen, bevor ich Tabakwaren, Alkohol oder auch E-Zigaretten verkaufe“, sagt die junge Frau, die auch selbst ausprobiert hat, wie die Vapes schmecken. „Schon interessant und nicht unlecker“, sagt Güzel, „aber als absolute Nichtraucherin habe ich sofort gemerkt, wie viel Nikotin in diesen Verdampfern steckt und bin aus dem Husten nicht mehr rausgekommen.“

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Zwei bunte Packungen mit E-Zigaretten, darauf ist ein Warnhinweis mit der Aufschriftt: „Dieses Produkt enthält Nikotin, einen Stoff, der sehr stark abhängig macht“

Bunt und mit Warnhinweis kommen die Verpackungen der E-Zigaretten daher.

„Vapes sind für junge Menschen attraktiv, weil sie viele Nachteile des Tabakrauchens nicht haben“, sagt der Kölner Professor für Sucht und Persönlichkeitspsychologie Ulrich Frischknecht im „Kölner Stadt-Anzeiger“-Podcast „Talk mit K“. Man stinkt nicht nach Zigarettenrauch, und man inhaliert auch nicht die krebserregenden Stoffe, die in klassischen Zigaretten stecken. „Durch die hohen Konzentrationen an Nikotin erzeugen sie aber eine Abhängigkeit wie Zigaretten.“

Und die Gesundheitsschäden, die Nikotin in Deutschland jedes Jahr verursache, seien „gigantisch“, sagt Frischknecht, der an der Katholischen Hochschule NRW in Köln forscht und lehrt. „Sie liegen bei etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr. In der Mitte des Lebens, ab 50 Jahren, führt Nikotin zu Spätfolgen wie koronaren Herzerkrankungen und Bluthochdruck.“ Zwar sei die Abgabe von Vapes an Jugendliche verboten, „aber in der Realität ist es ein Klacks, an sie ranzukommen“, sagt Frischknecht.

„Dass E-Vapes so interessant für junge Menschen sind, hat auch damit zu tun, wie sie beworben werden“, sagt der Suchtexperte. „Sie sind omnipräsent. Wenn man durch Köln läuft und in ein Kiosk-Schaufenster guckt, fallen schnell die Vapes auf, die wie bunte Farbstifte aussehen.“

Güzels Ansicht nach ist der Trend bei vielen jungen Leuten unter anderem durch die sozialen Netzwerke gefördert worden: Dort werde ein weniger gesundheitsschädliches Image als bei Tabakprodukten, die verbrannt werden, vermittelt – gepaart mit jugendlichem Lifestyle und interessantem Geschmack.

Ulrich Frischknecht bestätigt den Eindruck: „Das Marketing richtet sich ganz klar an Kinder und Jugendliche. Da gibt es komische Aromen, die man als Erwachsener oft gar nicht mehr als positiv empfindet. Aber Jugendliche finden sie toll. Es wird auch auf die Farbgebung geachtet. In einem Regal voller Vapes finden sich alle intensiven und leuchtenden Farben, das ist verführerisch für Kinder.“

Die Herstellerindustrie werbe damit, dass das reine Nikotin nicht so gefährlich sei, sagt Frischknecht. „Im Vergleich mit Zigaretten hat sie vermutlich recht. Aber weniger schlimm bedeutet eben nicht: ungefährlich.“

„Das zieht, und ich werde regelmäßig angefragt, ob ich größere Vapes mit mehr als 600 Zügen Inhalt habe“, berichtet Kioskbesitzerin Güzel. Diese Anzahl der Züge im Tank, beziehungsweise zwei Milliliter Fassungsvolumen, sind die in Deutschland gesetzlich vorgegebene Maximalgröße.

Meiner Meinung nach ist es für die unter 18-Jährigen viel zu einfach, da ranzukommen, weil sie überall zu sehen sind
Melanie Gouran, Verkäuferin im „Bac-Kiosk“ am Wiener Platz

Ob die E-Zigaretten weniger schädlich oder stärker suchterzeugend sind als andere Rauchwaren, will Güzel ebenso wenig beurteilen wie ihre Kollegin Melanie Gouran, die im „Bac-Kiosk“ am Wiener Platz als Verkäuferin arbeitet. Der Laden dort ist aufgrund der Lage am Mülheimer Verkehrsknotenpunkt zwischen Bus- und Bahnstationen rund um die Uhr geöffnet. Die 35-Jährige identifiziert hauptsächlich jüngere Menschen als Abnehmer der Einweg-E-Zigaretten. „Auch viele Jugendliche sieht man mit den Geräten – meiner Meinung nach ist es für die unter 18-Jährigen viel zu einfach, da ranzukommen, weil sie überall zu sehen sind“, sagt Gouran. Ausweise werden auch bei ihr im Laden immer kontrolliert, aber dass viele die Altersgrenze durch ältere Freunde oder anders umgingen, sei ihrer Beobachtung nach im Alltag klar ersichtlich.

In Belgien sind die Wegwerf-Vapes seit dem 1. Januar ausnahmslos verboten. Das Land ist damit Vorreiter in der Europäischen Union, wiederbefüllbare Geräte bleiben allerdings erlaubt. Der Grund liegt dabei weniger im Jugend- als im Umweltschutz. Die Einmal-E-Zigaretten bestehen aus Plastik, Elektronik und Batterien und sind entsprechend schwer zu recyceln.

Gouran, selbst Mutter, würde ein Verbot, zumindest aber eine stärkere Kenntlichmachung der Risiken begrüßen. „Da passiert auch viel durch Gruppenzwang“, ist die Kioskverkäuferin sicher, „der Einstieg in die Nikotinsucht ist mit den Einmal-Vapes also viel schneller möglich.“


Hören Sie das Interview mit Ulrich Frischknecht, Professor für Sucht und Persönlichkeitspsychologie an der Katholischen Hochschule NRW in Köln, in voller Länge im Podcast „Talk mit K“, dem Talkformat des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Jeden Donnerstag um 7 Uhr gibt es eine neue Folge auf allen gängigen Plattformen oder auf: www.ksta.de/podcast.