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Guts & GloryVom Schreibtisch in den Boxring

Lesezeit 3 Minuten

Wechselte vom Schreibtisch in den eigenen Boxclub: Maschinenbauingenieur Martin Schneider

Zollstock – Während der fünf Jahre, die er als Ingenieur bei Ford arbeitete, tat Martin Schneider gut daran, langärmelige Hemden zu tragen. An seinem neuen Betätigungsfeld würde das geradezu komisch wirken. Die Entscheidung des 33-Jährigen, den Bürojob zu quittieren, kommt nun insbesondere zwei Personengruppen zugute: denjenigen, die die Bildnisse zwischen Schulter und Handgelenk schon immer mal genauer betrachten wollten, und natürlich denen, die lernen möchten, ihre Fäuste richtig einzusetzen. Der Maschinenbauer hat nämlich gerade einen eigenen Boxclub eröffnet – ein Kelleretablissement, in dem man jedoch eher auf angehende oder fertige Akademiker als auf Halbwelt trifft.

Guts & Glory Boxclub, Gottesweg 54, 50969 Köln, Telefon: 0177/7952031. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 15.30 Uhr bis 21.30 Uhr, freitags 14 bis 20 Uhr und samstags 11.30 bis 15 Uhr, sonntags 11.30 bis 14 Uhr. Probetraining jederzeit möglich. www.guts-n-glory.de

Weitere Angebote in Köln: Boxclub Kurze Rippe, Weyerstraße 57, Nähe Barbarossaplatz, Telefon: 0171/5286751; Worthoff Boxing, Gustav-Nachtigal-Straße 6, Telefon: 0171/5286751; Hakan Balis Kampfsportzentrum Bali-Dojang, Neusser Straße 81, Telefon: 0221/29496689; Jerry Elliott Boxing Gym, Vogelsanger Str. 348, Tel.: 0221/69052490. (she)

Dabei ist der Eingang wie geschaffen für einen Film aus entsprechendem Milieu: Ein Hinterhof in Zollstock mit Gewerbeeinheiten. Schließlich am Ende ein rundläufiges Treppengeländer, an dem sich der Besucher entlanghangeln kann, wenn er über eine schmale Wendeltreppe in die Tiefe steigt. Schließlich steht er in düsterer Ungewissheit vor einer dieser Türen, die man zögerlich öffnet, weil dahinter alles sein könnte. Hier ist es ein unvermutetes Parkdeck, wo auch Schneiders 43 Jahre alter, giftgrüner Dodge Challenger steht. Ein ziemlich cooler Schlitten. Hinter der nächsten Tür hört man Musik, und spätestens da erledigt sich das mulmige Gefühl.

Schneiders von weitem ein wenig wie ein Kampfhund wirkende Bulldogge ist frommer als ein Lämmchen, und die Augen des bunt tätowierten Mannes mit dem dichten schwarzen Bart erscheinen mitunter so sanft, dass man ihm den Fausthieb kaum zutrauen möchte.

Technik richtig lernen

Der Kölner kam über den Hochschulsport ans Boxen. „Ich wollte das als Ausgleich machen, fand es toll, und dann habe ich gemerkt, ich habe auch Talent.“ Elf Monate später fand sein erster Kampf statt. Schneider verlor, „aber respektabel“, wie er grinsend einräumt. Dafür gewann er die folgenden beiden Hochschulmeisterschaften und wurde Mittelrheinmeister.

Später war er neben dem Job eine Weile Trainer im Kölner Club Kurze Rippe, weil er längst gemerkt hatte, dass ihn keine andere Sportart mehr reizte als das Boxen, das er als „super anspruchsvolles Ganzkörpertraining“ betrachtet.

Die Idee vom eigenen Boxclub habe er schon länger im Kopf gehabt, sagt Schneider. Aber er habe seinen sicheren Job nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen. Also wog er zunächst alle Eventualitäten ab, sah sich nach einer geeigneten Räumlichkeit um und machte schlussendlich Nägel mit Köpfen. Anfangs hatte er Bedenken, dass Leute kommen könnten, „die sich nicht benehmen können“. Doch die Sorge war unbegründet. Im Guts & Glory trainieren mittlerweile auch etliche Frauen, vielleicht auch, weil eine der Trainerinnen, Lisa Kempin, eine ehemalige deutsche Meisterin ist. Schneider möchte „authentisches Boxen“ anbieten und legt Wert darauf, dass seine Leute die Technik richtig lernen.

Wenn er heute an seinem Podestring steht, den Blick durch das einstige Regallager schweifen lässt und dabei an dem herrlich kitschigen Kronleuchter hängenbleibt, weiß er: Die Entscheidung war richtig. Man könne in Köln zwar in mehreren Vereinen boxen, aber Clubs mit eigenem Ring gebe es wenige. Deshalb lässt er die Athleten für die deutsche Hochschulmeisterschaft kostenfrei trainieren. „Das ist gewissermaßen mein pay back für die Uni.“