Köln – Den Versuch der Polizei, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, unterbindet der offenkundige Rädelsführer der gewaltbereiten Union-Berlin-Anhänger am frühen Dienstagmorgen im Innenhof des Polizeipräsidiums mit einer deutlichen Ansage an seine Mitstreiter: „Wir alle sagen nix“, ruft er, als ein Polizist wissen will, wer eine Aussage machen möchte. Und so kommt es auch. Mit der Polizei zu sprechen, gehört sich nicht in diesen Kreisen.
Als „vollkommen unkooperativ“ wird Kripo-Chef Stephan Becker später das Verhalten der Berliner Krawallmacher bezeichnen, aber auch das der 28 vorläufig festgenommen Kölner. 70 weiteren war die Flucht gelungen. Nach dem Angriff auf ihren Bus waren die etwa 80 Union-Fans zur Identitätsfeststellung nach Kalk gefahren worden. Sie wurden durchsucht, mussten ihre Handys abgeben, unter ihnen waren aber auch unbescholtene Fußballfans, Jugendliche, Mädchen und Frauen. Anschließend wurde der Bus durchsucht, dann durfte die Gruppe die Heimreise antreten.
Eine Etage tiefer saßen die 28 Kölner im Zellentrakt des Präsidiums. Viele haben wegen früherer Vorfälle ein Stadionverbot in Müngersdorf. Sie waren am Tatort in Bocklemünd festgenommen worden. Einige sollen beim Versuch zu fliehen mit unbeleuchteten Autos gezielt auf Polizisten zugefahren sein. „Rational lässt sich das nicht mehr erklären“, sagte Polizeipräsident Uwe Jacob. Das Verhalten sei geprägt von „blankem Hass“. Er sei froh, dass niemand verletzt wurde, „was irgendwo ein Wunder ist“. Zur Eigensicherung hätten Beamte ihre Pistolen gezogen, einige Autofahrer hätten gestoppt, den meisten gelang die Flucht.
Einen ähnlichen Ausbruch an Gewalt im Zusammenhang mit einem Fußballspiel hat es in Köln lange nicht gegeben. Jacob stellt eine „zunehmende Radikalisierung“ fest. Gegen die 28 Männer wird nun wegen schweren Landfriedensbruchs, Widerstands, Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt.
Angriff war sorgfältig geplant
Die Polizei hat eine 20-köpfige Ermittlungsgruppe gegründet. Die Beamten prüfen unter anderem, ob Kölner und Berliner sich zu einer Schlägerei in Bocklemünd verabredet hatten. Fest steht offenbar, dass zumindest die Kölner ihren Angriff sorgfältig geplant hatten. Kripochef Becker spricht von einem „beachtlichen Organisationsgrad“. Die etwa hundert Männer seien in 40 bis 50 Autos angereist und hätten im Dunkeln auf die beiden Berliner Fanbusse gewartet. Während der vordere auf die Autobahn gefahren sei, hätte der hintere bremsen müssen und sei sofort mit Steinen beworfen worden. Die Angreifer seien teils mit Teleskopschlagstöcken bewaffnet gewesen, hätten Mundschutz, Sturmhauben und weiße T-Shirts getragen und seien auf den Bus zugelaufen. Dass der von 40 Beamten einer Dortmunder Einsatzhundertschaft begleitet wurde, störte sie nicht.
Den Beamten gelang es, eine Massenschlägerei zwischen den Kölnern und den Gewaltbereiten unter den Bus-Insassen zu verhindern. Insgesamt waren 280 Polizisten rund um das Spiel im Einsatz. Zum Zeitpunkt des Überfalls waren die meisten Beamten schon auf dem Heimweg, „als die Dortmunder Kollegen plötzlich um Hilfe schrien“, erzählt ein Hundertschaftsbeamter. Sein Einsatzzug kehrte sofort um und raste zur Unterstützung nach Bocklemünd.
Dienstagmittag informierte die Polizei auf einer Pressekonferenz über den Einsatz. Er hätte sich gefreut, betonte Polizeipräsident Jacob, wenn auch ein Vertreter des 1. FC Köln als Podiumsgast teilgenommen hätte. Wegen Terminproblemen habe der Verein aber abgesagt, berichtete Polizeisprecher Ralf Remmert.
In einem schriftlichen Statement verurteilte der FC Gewalt „ohne Wenn und Aber“. Der Club tue alles, was in seiner Macht als Fußballverein stehe, um Personen vom Verein und vom Stadion fernzuhalten, „die den Fußball und die Vereine als Bühne und Vorwand für ihre Gewalttaten missbrauchen“. Außerhalb des Stadions und abseits der Spiele seien die Vereine im Kampf gegen Gewalt auf Polizei und Justiz angewiesen.
Einsatz im Parkhaus
Gerade mal drei Stunden nach der Pressekonferenz griff die Polizei erneut ein: Im Park-and-Ride-Parkhaus am Stadion sollen polizeibekannte „Gewalttäter Sport“ Pyrotechnik gezündet und ein Video gedreht haben. „Die Szene ist offenbar in Aufruhr“, kommentierte ein Ermittler. Zehn Streifenwagenbesatzungen kontrollierten die Personalien der Männer und leiteten Strafverfahren ein.