Nomen est Omen.“ Glaubt man dem alten lateinischen Sprichwort, dann ist – wörtlich übersetzt – ein Name immer auch ein Zeichen. Zufall oder nicht: Ausgerechnet die deutsche Bundeskanzlerin hätte wohl keinen zutreffenderen Nachnamen als Merkel haben können. „Der Name ist abgeleitet von dem altgermanischen Wort Markwart“, erklärt Professor Jürgen Udolph. Und ein Markwart sei niemand anderes gewesen als ein Wächter der Grenze. Angela Merkel, die Wächterin der deutschen und europäischen Grenzen – so gesehen passt der Name, der inzwischen die Koseformendung „-el“ trägt, ziemlich gut. . .
Äußerst passend scheint auch der Name von Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn zu sein. Kahn sei eine Nebenform von „Kohn“, das wiederum eine Variante des althochdeutschen „kuon“, was nichts anderes als kühn bedeutet – eine Eigenschaft, die man Titan Kahn angesichts vieler seiner Paraden durchaus zuschreiben möchte. Weniger zutreffend erscheinen hingegen auf den ersten Blick die Nachnamen von Alt-Bundespräsident Walter Scheel, Ex-Innenminister Otto Schily und Dichter Friedrich Schiller. Sehfehler der drei sind nämlich nicht bekannt. Namenstechnisch aber haben sie gemein, dass wohl alle einen schielenden Vorfahren gehabt haben müssen, erläutert Deutschlands bekanntester Namensforscher.
Am Donnerstag, 30. August, ist Udolph ab 19 Uhr im studio dumont zu Gast und wird erklären, was verschiedene Familiennamen bedeuten und wie man die Erforschung seines Familiennamens am besten beginnt. Ausgewählte Namen wird er erklären.
Seit mehr als 40 Jahre beschäftigt sich der gebürtige Berliner und langjährige Inhaber des einzigen deutschen Lehrstuhl für Onomastik – so der Fachbegriff für die Namensforschung – mit der Herkunft von Namen. Mehr als 10000 Familiennamen hat der 69-jährige Sprachwissenschaftler inzwischen erforscht – und so vielen Menschen geholfen, das Rätsel um den Ursprung ihres Namens zu lösen.
Einblicke in die Vor- und Frühgeschichte
Auch wenn Udolph wie kaum ein anderer in Deutschland die bisweilen mühsame Erforschung von Namen beherrscht, dass er sich einmal der Onomastik verschreiben würde, ist eher einem Zufall zuzuschreiben. 1970 schlug ihm während seines Sprachwissenschaftsstudiums in Göttingen sein Professor vor, eine Hausarbeit über slawische Gewässernamen zu schreiben. Klingt auf den ersten Blick für den Außenstehenden vielleicht nicht so spannend. Aber Udolph wusste schnell: „Das ist genau das, was ich machen will.“ „Da die slawischen Gewässernamen als älteste Namentypen Einblicke in die Vor- und Frühgeschichte geben, sind sie für Namensforschung besonders interessant“, erläutert er. Zugute kamen ihm schon damals seine umfassenden Kenntnisse slawischer Sprachen und Dialekte. „Wenn ich wissen will, woher ein Name kommt, muss ich wissen, aus welcher Sprache er kommt“, sagt Udolph.
Zur Erforschung von Familiennamen freilich kam er erst Mitte der 90er Jahre durch einen Zeitungsbericht, in dem behauptet wurde, dass er anhand von Ortsnamen die Sage vom Rattenfänger von Hameln aufgeklärt habe. Danach entführte der Rattenfänger 1284 die Kinder der Stadt an einen unbekannten Ort, weil ihm der Lohn verweigert wurde. Udolph konnte Parallelen zwischen Ortsnamen im Weserbergland und dem heutigen Brandenburg feststellen.
„Hinter dieser Sage steckt offenbar die Auswanderung von deutschen Siedlern nach Osten“, erläutert der Sprachwissenschaftler. Diese Erkenntnis weckte das Interesse der Medien und führte dazu, dass Udolph bald zum beliebten Experten einer Radiosendung über Familiennamen avancierte. Der Namensforscher wurde zum gefragten Showstar: Radio Eins Berlin, Antenne Bayern, MDR, NDR. . . – bei neun Radiostationen ging Udolph bis heute auf Sendung und erklärte den Anrufern, woher ihr Nachnamen kommt.
Sprachenkenntnisse aus dem Slawistik-Studium
Die Basis für seine Recherchen bietet Udolph der Deutsche Familiennamenatlas und eine Telefonbuch-CD von Deutschland, auf der 35 Millionen Namen verzeichnet sind. Besonders hilfreich ist ein Telefonbuch-CD-Exemplar von 1998, die zu jedem verzeichneten Namen auch eine kartographische Darstellung von dessen regionaler oder deutschlandweiten Verbreitung liefert. „Das kann schon wertvolle Hinweise liefern und auch Aufschluss bieten, woher die eigenen Vorfahren kommen“, berichtet der Leipziger Namensforscher. Dieses Wissen alleine allerdings führe nicht immer zum Ziel. Wichtig sei es auch zu wissen, was sprachlich hinter einem Namen stecke. Und auch bei dieser Recherche kommen Udolph ein ums andere Mal seine Sprachenkenntnisse aus dem Slawistik-Studium zugute. Denn immerhin 30 Prozent der insgesamt eine Million deutschen Familiennamen haben einen slawischen Ursprung.
Herr Breitkreuz hatte ein breites Kreuz
500 000 von ihnen kommen übrigens nur ein einziges Mal vor. „Unikate“, das weiß Namensforscher Udolph, sind es deshalb wohl trotzdem nicht. „Oft handelt es sich dabei nur um Varianten eines anderen Namens, und wir müssen überlegen, was diesem Namen zugrunde liegen könnte“ – infrage kommt dafür ein „Fundus“ von 25000 verschiedene Familiennamen, die zum Teil regional abgewandelt wurden oder sich über Jahre verändert haben.
Grundsätzlich ließen sich Familiennamen verschiedenen Untergruppen zuordnen, erläutert der Namensforscher. Häufig seien Berufsnamen wie Schneider, Müller oder Meier. Weit verbreitet sind auch Herkunftsnamen wie Merseburger oder auch Schweinsteiger (Letzterer, so vermutet Udolph, hat seinen Ursprung in dem kleinen Ort Schweinsteig bei Rosenheim). Der Namenszusatz „von“ deute übrigens eher auf den Herkunftsort der Familie als auf adlige Vorfahren hin. Weitere Familiennamentypen sei Rufnamen wie Werner oder Udolph und Übernamen, die etwas über die Person aussagen (etwa Herr Breitkreuz hatte ein breites Kreuz), oder auch Spitznamen wie Rehbein für jemanden, der feine Glieder hat.
Auch wenn sich im Laufe der Jahre immer wieder neue Varianten eines Namens entwickeln, manche Namen sterben auch aus – nicht weil die Familie keine Nachkommen mehr hat, sondern weil das heutige Verständnis des Namen anrüchig oder schlüpfrig erscheint und deshalb Namensänderungen beantragt werden. Nahezu von der Bildfläche verschwunden ist etwa der Familienname „Puff“ – obwohl der Name ursprünglich nichts mit einem Bordell zu tun hat. „Puff“ kommt von „Bufe“, dem Dialektwort für Bube.
Fasziniert von Namen
Offiziell ist Namensforscher Udolph seit dem Jahr 2008 in Ruhestand. Damals gab er seinen Lehrstuhl an der Uni Leipzig auf – zur Ruhe gesetzt hat sich der 69-Jährige dennoch nicht. 2011 gründete er in Leipzig sein privat finanziertes Institut für Namensforschung, vor wenigen Wochen eröffnete eine Dependance des Instituts in New York – aus gutem Grund: „Viele Amerikaner haben deutsche Wurzeln und wollen mehr über ihre Vorfahren erfahren“, weiß Udolph. Gegen Honorar helfen er und seine Mitarbeiter ihnen dabei. Der Verdienst ist dennoch nicht Udolphs Triebfeder. „Ich bin einfach fasziniert von Namen. Namen sind irre spannend und ich will das auch in meinen Vorträgen unterhaltsam rüberbringen“, betont er.
Dass die Bild-Zeitung ihn als „Namenspapst“ titulierte, hört Udolph trotzdem nicht gerne. „Das ist zu gewaltig. Namen deuten ist eine schwierige Aufgabe, manchmal scheitern wir daran“, gesteht er und erzählt, dass er ausgerechnet die Familie von Moderator Günther Jauch vor Jahren in der falschen Ecke Deutschlands angesiedelt hatte. Aufgrund der Verbreitung des Namens habe er angenommen, dass die Jauchs aus Baden-Württemberg stammten. Weitere Recherchen aber ergaben, dass die Familie wahrscheinlich aus dem Örtchen Jaucha in Sachsen-Anhalt stammt.
Die Veranstaltung
„Merkel, Schweinsteiger, Lagerfeld – Woher kommen und was bedeuten unsere Familiennamen?“Ein spannender und unterhaltsamer Abend mit Deutschlands bekanntestem Namensforscher Professor Jürgen Udolph
Donnerstag, 30. August, 19 Uhr Studio dumont, Breite Straße 72
www.studiodumont.de