Die Täter kamen über ein Baugerüst und stiegen mit einer Strickleiter in die Schatzkammer hinab. Ein Kölner Ex-Polizist erinnert sich.
WDR-Doku zum Domschatzraub 1975So jagte die Kölner Polizei die Diebe nach dem Millionen-Coup
Regen prasselt auf die Domplatte. Die Nacht zum 2. November 1975 ist kalt und windig, die Umgebung am Kölner Dom fast menschenleer – bis auf drei Geschwister, die auf dem Heimweg von einer Feier sind. Und drei Männer mit Bergsteigerausrüstung, Strickleiter und Funkgeräten, die in wenigen Minuten ein historisches Verbrechen begehen werden: Ljubomir E., Borislav T.und Vilijam D.
Sie entkommen in jener Nacht mit 15 Kunstobjekten aus der Domschatzkammer im Wert von damals mehreren Millionen D-Mark. Am kommenden Freitag um 20.15 Uhr zeichnet der WDR diesen spektakulären Coup und die letztlich erfolgreiche Fahndung nach den Tätern in der Doku „Der Raub des Kölner Domschatzes“ nach.
Köln: Drei Täter stahlen Kunstobjekte aus dem Dom für mehrere Millionen D-Mark
Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erinnert sich der inzwischen pensionierte Polizeifahnder Helmut Simon an den Fall, in dem er selbst ermittelt hat und der seinerzeit „eine ganze Stadt geschockt“ habe, wie Simon heute sagt. „Dass der Dom ausgeraubt wurde, war eine Katastrophe für die Kölner.“
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Um kurz nach Mitternacht an jenem 2. November 1975 klettern Borislav T. und Vilijam D. auf ein Baugerüst am nördlichen Querhaus des Doms. Ljubomir E. bleibt unten, er versteckt sich hinter einem Kiosk, hört den Polizeifunk ab und steht Schmiere.
„Irgendwoher wussten die Täter, dass in sechs Metern Höhe ein Lüftungsschacht in die Domschatzkammer führte“, erinnert sich Helmut Simon. Der Schacht war mit zwei Eisengitterstäben gesichert. „Die haben die Täter auseinandergebogen, vorsichtig, denn dort liefen die Kabel der Alarmanlage durch.“ Borislav T., der Schmalste der drei, zwängt sich durch die enge Öffnung, steigt an der Strickleiter in die Schatzkammer hinunter und bricht eine Vitrine nach der anderen auf. „Die waren alle nicht gesichert“, sagt Simon. Heute ist das anders, die Sicherheitsvorkehrungen sind massiv verstärkt worden.
T. greift sich vor allem Juwelen wie etwa Bischofsringe sowie liturgische Geräte, darunter eine barocke Prunkmonstranz von 1657. In dem mit Edelsteinen verzierten goldenen Schaugefäß wurde eine Hostie gezeigt, in der nach katholischem Verständnis Jesus Christus gegenwärtig ist. Die Täter schmolzen sie später ein, um sie zu Geld zu machen.
Wer weiß, was Borislav T. noch alles eingesteckt hätte, wäre ihm nicht ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. „Versehentlich ließ er die große Prunkmonstranz fallen, das gab einen Höllenlärm“, erzählt Ex-Fahnder Helmut Simon. Zwei Domschweizer, die in der Sakristei Nachtwache schoben, rannten zur Schatzkammer, hatten aber keinen Schlüssel. Borislav T. band den Sack mit seiner Beute an ein Seil, das Vilijam D. nach oben in den Lüftungsschacht zog. Borislav T. kletterte auf der Strickleiter hinterher. Bei ihrer Flucht vom Gerüst sprangen die Männer beinahe den drei Geschwistern vor die Füße. Die alarmierten die Polizei, aber da waren die Täter längst über alle Berge.
Die Ermittlungen gestalteten sich mühsam. Helmut Simon kam unter anderem die Aufgabe zu, bei der Rekonstruktion der Tat zu helfen. „Ich war damals genauso groß – oder klein – wie heute, nur etwas leichter und durchtrainiert“, erinnert sich der Ex-Kripomann. „Ich bin für die Rekonstruktion an einem Seil in die Schatzkammer geklettert. Heute würde ich nicht mehr durch den Lüftungsschacht passen.“
Auch wenn die Beweise fehlten: Schnell ahnte die Polizei, wer hinter dem Diebstahl steckte. Simon erinnert sich: „Von der damaligen Oberstaatsanwältin Maria Mösch weiß ich, dass der Ermittlungsleiter sofort nach der Tat sagte: Es gibt in Köln nur einen, der so bescheuert ist, den Domschatz zu klauen: Ljubomir E.“ Und das stimmte.
Ljubomir E., ein Jugoslawe, der als Kunsthändler arbeitete. „Er hatte die zwei Mittäter angeheuert“, sagt Simon. Aber erst zwei Jahre später wurden die drei gefasst, zu verdanken war das auch der engagierten Ermittlungsarbeit von Oberstaatsanwältin Maria Mösch, wegen ihrer Hartnäckigkeit seinerzeit „Bloody Mary“ genannt. Mösch, inzwischen über 90 Jahre alt, kommt in der WDR-Doku zu Wort, ebenso wie der verdeckte Ermittler Werner Mauss, der dabei half, die Täter zu überführen.
1976 und 1977 erhielt die Polizei den entscheidenden Tipp aus der Kölner Unterwelt. „Die drei Täter bekamen hohe Gefängnisstrafen“, erzählt Helmut Simon. Denn eines sei damals schon klar gewesen: „Den Kölner Dom beklaut man nicht.“