Omnibusse, Diagonalqueren für Fußgänger und Stadtteil-Kino – an der Kreuzung Neusser Straße und Wilhelmstraße gab es einige Experimente.
Köln früher und heuteDiese Innovationen erlebte die Neusser Straße in Köln-Nippes
Wer an der Kreuzung von Neusser Straße und Wilhelmstraße als Fußgänger Grün hat, steht vor ungeahnten Möglichkeiten. Hier befindet sich nämlich eine von ganz wenigen Diagonalqueren in Deutschland, wahlweise auch „Barnes Dance“ genannt. Grün für Fußgänger bedeutet Rot für alle Autofahrer und damit freies Gehen aus allen Richtungen in alle Richtungen, also zum Beispiel auch diagonal. Der 1968 gestorbene amerikanische Verkehrsingenieur Henry Barnes verhalf dieser Ampelschaltung in den USA zu größerer Popularität. Offenbar waren Fußgänger so happy damit, dass sie auf den Kreuzungen tanzten.
Die ersten Omnibusse in Nippes galten als „Unglücksfahrzeuge“
Eine andere Innovation funktionierte an der Neusser Straße weniger gut. Nachdem am 22. Mai 1907 die letzte von Pferden gezogene Straßenbahn von der Neusser in die Wilhelmstraße eingebogen war, sollten neuartige Omnibusse die Linie zwischen Nippes und der Flora bedienen. Doch das Experiment, das als besonders kostengünstig galt, ging schief: Die Fahrzeuge waren zu reparaturanfällig, zu unbequem und die Nippeser beschwerten sich über Lärm und Abgase: „Die durch Schmutz, Staub und üble Gerüche bei dem Betrieb hinlänglich belästigten Anwohner sähen die Unglücksfahrzeuge am liebsten gar nicht mehr wieder“, hieß es im „Kölner Stadt-Anzeiger“. 1909 wurde der Versuch gestoppt. Erst in den 1920er Jahren nahm der Busbetrieb unter günstigeren Vorzeichen wieder Fahrt auf.
Vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich die Kreuzung von Neusser Straße und Wilhelmstraße zum Zentrum des Stadtteils. 1907 eröffnete zwischen Wilhelmstraße und Viersener Straße das erste Stadtteil-Kino. Das „Biophoto-Theater“ startete seinen Betrieb mit dem Film „Aschenbrödel“, der mit 30 Minuten außergewöhnlich lang war. Im Jahr zuvor hatte dort, wo der stinkende Bus Richtung Riehl einbog, das Kaufhaus Bluhm eröffnet, ein schmuckes Jugendstil-Gebäude mit einer stilisierten Erdkugel auf dem Dach.
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Neusser Straße wurde erstmals 1330 als Handelsroute erwähnt
Später wurde daraus eine Kaufhof-Filiale, die noch heute existiert. Leider nicht mehr vorhanden ist das ursprüngliche Kaufhaus. Obwohl es den Zweiten Weltkrieg überstand, wurde es wahrscheinlich 1954 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. „Warum hat man dieses fantastische Gebäude abgerissen, man versteht es nicht?“, wundert sich Stadtteil-Chronist Reinhold Kruse: „So ist man in Köln mit vielen Gebäuden umgegangen.“
Mit der Eingemeindung nach Köln im Jahr 1888 nahm der Städtebau in Nippes einen enormen Aufschwung. Dabei war schon lange vorher einiges los. Der erste Hinweis auf ein Haus an der Neusser Straße geht laut Reinhold Kruse auf das Jahr 1549 zurück, es handelte sich um ein Gasthaus, das dort stand, wo seit dem 30. August 1913 heute die Gaststätte „Em Golde Kappes“ zu finden ist. Die Straße selbst wird erstmals 1330 erwähnt, sie diente als Handelsroute von Köln Richtung Neuss und war als Allee bekannt.
Bis in die 1970er Jahre fuhr die Bahn hier noch oberirdisch
„Casanova kam 1760 und Napoleon 1804 per Kutsche über die Neusser Straße durch Nippes“, so Kruse. Dabei werden sie auch die traditionelle Engstelle passiert haben, die an der Einmündung der Mauenheimer Straße und der Florastraße ein Nadelöhr bildete. Nur in sieben Metern Abstand standen sich hier die Gebäude gegenüber. Die Preußen nutzten die Gelegenheit, um eine Mautstelle einzurichten. Noch heute orientiert sich die Bebauung an der Neusser Straße zum Teil an diesen alten Fluchtlinien. So etwa der gelbe „Nippes Tower“, zu sehen im Hintergrund des aktuellen Fotos.
Auf der historischen Aufnahme sind die Straßenbahngleise noch oberirdisch verlegt, erst Mitte der 1970er Jahre wanderten sie in den Untergrund. Seit dem Jahr 1903 waren in Köln auf allen früheren Pferdebahnstrecken elektrische Bahnen im Einsatz. Nur die Linie Nippes-Flora blieb eine Ausnahme. Als es am 22. Mai 1907 auch damit zu Ende war, feierten tausende Kölner Abschied von der „Päädsbahn“ und sangen dabei: „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus.“