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Poblicius-GrabmalGeschichte eines Sensationsfundes

Lesezeit 4 Minuten

Blickfang des Römisch-Germanischen Museums: das Grabmal des Poblicius. In der Mitte ist der Stifter, ein Veteran der 5. Legion, zu sehen.

Der Mann ist ein Ur-Kölner, sein Name: Lucius Poblicius, ein wohlhabender Römer, der in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts nach Christus für sich und seine Familie ein pompöses Grabmal an der Heerstraße nach Bonn errichten ließ. Dieses Grabmal ist seit der Eröffnung – neben dem Dionysos-Mosaik – der Blickfang des Römisch-Germanischen Museums. Entdeckt wurde das Poblicius-Grab Mitte der 1960er Jahre von Amateurarchäologen, es war eine archäologische Weltsensation.

„Das ist ein Steinsarkophag!“ Josef Gens kann sich noch genau erinnern, was den jungen Leuten durch den Kopf ging, als sie 1964 auf den ersten antiken Quader stießen. Gens, Jahrgang 1943, und sein älterer Bruder Heinz hatten an jenem Tag bei der Anlage eines Fundaments für den Neubau des väterlichen Geschäfts geholfen – und Fundstücke aus der Römerzeit waren ihnen nicht fremd: „Wir waren ja Südstadtkinder, aufgewachsen in der Nachkriegszeit, wir kannten die Funde unter St. Severin, und auch beim Spielen in den Kellern zerstörter Häuser kam man immer wieder mit römischen Relikten in Berührung“, sagt er.

Das Geschäftshaus Chlodwigplatz 24, in dem die Familie Gens einen Textilladen betrieb, war nach dem Abriss der mittelalterlichen Stadtmauer im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts errichtet worden. Das im Krieg halb zerstörte Haus sollte aufgestockt und im Gartenbereich erweitert werden. Bereits 1884 waren beim Bau der ersten Häuser in unmittelbarer Nähe der Severinstorburg einige größere Quader zutage gekommen, die vermutlich zu einem oder mehreren Gräbern gehörten.

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„Diese Steine landeten damals im Rheinischen Landesmuseum Bonn“, weiß Gens. Nachdem die Brüder, unterstützt von einigen Freunden, in ungefähr sieben bis acht Metern Tiefe weitere Quader mit ausgezeichnet erhaltenem Reliefschmuck ausgebuddelt hatten, meldeten sie den Fund im Frühjahr 1965 dem Römisch-Germanischen Museum (RGM), das damals noch im Aufbau begriffen war.

Vor dem Jahr 42 nach Christus errichtet

Dessen Direktor, der Archäologe Otto Doppelfeld, war begeistert ob der Fundstücke, vor allem von einem Block mit dem Hirtengott Pan. Andererseits sahen sich Doppelfeld und sein Stellvertreter Peter La Baume, die damals als „Vertrauensleute für kulturgeschichtliche Bodenaltertümer“ fungierten, gezwungen, den jugendlichen Ausgräbern jede weitere Suche zu verbieten, schriftlich wurden die Gens-Brüder zudem dringend ermahnt, die Baustelle umgehend abzusichern.

„Danach passierte aber monatelang nichts“, erinnert sich Josef Gens, der Maschinenbau studierte und später mehr als 40 Jahre bei KHD arbeitete. Daher gingen die Freunde, angehende Ingenieure und Philologen, eine Kinderpflegerin, ein Destillator, ein Feinmechaniker im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, erneut ans Werk:

Nachdem sie sich bergmännisches Know-how angeeignet hatten, opferten sie mehr als ein Jahr lang jedes Wochenende, um nach und nach einen großen Teil des Grabmonuments heimlich zutage zu fördern. „Als wir erneut am Chlodwigplatz auftauchten, waren wir überrascht – die jungen Leute hatten Quader auf Quader geschichtet und so die passenden Teile aufeinandergefügt“, bemerkte La Baume. Aus der Inschrift auf dem Sockel des Monuments ging hervor, dass Lucius Poblicius, ein Veteran der 5. Legion, die wegen ihres Helmfederbusches den Beinamen „Haubenlerche“ führte, das Grab vor dem Jahr 42 nach Christus errichten ließ.

Trotz höherer Angebote aus dem Ausland ans Römisch-Germanische Museum verkauft

Nach den Bestimmungen des Preußischen Ausgrabungsgesetzes von 1920 – ein Bodendenkmalschutzgesetz gab es noch nicht – lag das Besitzrecht auf Seiten der Entdecker, und die richteten nun im Keller des Hauses ein „Privatmuseum“ ein, das im Laufe der nächsten Jahre mehr als 15 000 Besucher zählen konnte. Wegen der Eigenmächtigkeiten der Ausgräber entbrannten damals heftige Diskussionen in Köln.

Dass der einmalige Fund der Stadt erhalten blieb, ist – so sagte Doppelfeld später – „in erster Linie der Loyalität der jungen Entdecker zu verdanken“. Denn trotz weitaus höherer Angebote aus dem Ausland verkauften Gens und Co. die Fundstücke im Jahre 1970 für rund 500 000 Mark an das Römisch-Germanische Museum, das endlich sein neues Gebäude über dem Dionysos-Mosaik erhielt.

Für das vom Bauhistoriker Gundolf Precht rekonstruierte Grabmal musste im Westbereich des Museums das Dach um drei Meter erhöht werden – denn erst nach Baubeginn war die Höhe des Monuments von 14,60 Meter ermittelt worden. Für Gens ist es bis heute eine große Genugtuung, dass Doppelfeld ihm und seinen Mitstreitern im Nachhinein eine „fachkundige und statisch sichere“ Ausgrabung attestiert hat. Auf der anderen Seite wurmt es ihn, dass man ihnen Geldgier unterstellte. Denn bis heute hängt sein Herz am Poblicius, bis heute beschäftigt er sich wissenschaftlich mit dem Denkmal.

Und er glaubt: „Der Aufbau der Rekonstruktion stimmt so nicht.“ In einem Buch will er eine neue Rekonstruktion liefern.