AboAbonnieren

ProjektLeben neben der Einsturzstelle

Lesezeit 3 Minuten

Blick auf die Baustelle an der nördlichen Severinstraße: Neben der Einsturzstelle des Stadtarchivs entstehen neue Wohnungen.

  1. Der Immobilienentwickler BDP errichtet an der Unglücksstelle am Waidmarkt das Wohn-Ensemble „Vielvrings“

Innenstadt – Unmittelbar neben der Stelle am Waidmarkt, wo 2009 das Historische Archiv der Stadt einstürzte, entstehen in den nächsten zwei Jahren Wohnhäuser. Das Unternehmen BDP kündigte vor kurzem den Beginn des Hochbaus an. Einen von zwei Kränen mussten die Baufirmen über die Baustelle nebenan anliefern.

Das Grundstück gegenüber des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums ist 2600 Quadratmeter groß. Bis Mitte 2017 stand darauf ein Bürogebäude, in dem der Rheinisch-Westfälische Genossenschaftsverband residierte. BDP baut nach seinem Abbruch nun 27 Eigentumswohnungen und sieben dreistöckige sogenannte Stadthäuser, die im hinteren Bereich des Baufeldes platziert werden. Im Neubau an der Straße sind außerdem vier Ladenlokale geplant. Der Entwurf für die Gebäude stammt aus dem Kölner Architekturbüro von Kaspar Kraemer. 2020 soll das „Wohnensemble“ am nördlichen Ende des Severinsviertels fertiggestellt sein.

Die Wohnungen sind allesamt verkauft, ebenso die Stadthäuser. Die Lage neben der Einsturzstelle war für den Verkauf offenbar nicht relevant. BDP teilt mit, das Unglück sei in den Verkaufsgesprächen „nicht thematisiert“ worden. Das Architekturbüro wollte sich in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht äußern.

Alles zum Thema Severinstraße

Auf der Webseite wird das Projekt, das mit Bezug auf das sich südlich anschließende Vringsveedel „Vielvrings“ getauft wurde, gepriesen wegen der „zentralen Lage“ und dem „prallen Leben“ auf der nur wenige Gehminuten entfernten Severinstraße und dem Chlodwigplatz weiter südlich. Der Archiveinsturz auf dem Nachbargrundstück, bei dem zwei Menschen starben, wird nicht erwähnt. „Es ist sicher nicht falsch, dass da bald Menschen leben“, sagt Günter Otten von der Initiative Archivkomplex. Die Mitglieder streiten für einen würdigen Gedenkort. Zuletzt hatten sie vorgeschlagen, einen Hohlraum über dem an der Einsturzstelle geplanten Gleiswechselbauwerk als Ausstellungshalle zu nutzen. Die Baustelle von BDP sei bislang in der Initiative kein Thema gewesen, sagt Otten. Er begrüßt, dass dort in wenigen Jahren ein wenig Leben einziehen wird.

Die Initiative wünscht sich allerdings nach wie vor einen „aufmerksameren Umgang“ mit dem Ort und dem gesamten Viertel ringsum Sankt Georg, zu dem auch der Waidmarkt gezählt werden kann. „Das Viertel hat gelitten“, sagt Otten. Er erinnert an einen städtebaulichen Wettbewerb aus dem Jahr 2012. Architekten hatten sich damals im Zusammenhang mit der geplanten Erweiterung der Kaiserin-Augusta-Schule Gedanken über ihre Umgebung gemacht. Das Schulgelände liegt inmitten des Georgsviertels und grenzt zum Teil an das Archivgrundstück und an die geplanten „Vielvrings“-Bauten.

Sowohl Schulerweiterung als auch die neuen Eigentumswohnungen sind nun geplant und werden in absehbarer Zeit fertig sein. Vom damals in Aussicht gestellten Gesamtkonzept für das Viertel ist dagegen nicht viel zu sehen oder zu hören. „Wir würden uns wünschen, dass die Stadt da entschiedener vorgeht“, sagt Otten.

Immerhin: Im Bebauungsplan, der die rechtlichen Grundlagen für das Bauvorhaben setzt, ist ein Weg vorgegeben, der einen Durchgang zwischen Severinstraße und Georgsviertel ermöglichen soll. Er soll von der Weberstraße zur Severinstraße verlaufen. Wie genau der Weg gestaltet wird, ist nicht bekannt. Otten waren diese Pläne bislang unbekannt. Die Angelegenheit liege in den Händen der Stadt Köln, heißt es beim Unternehmen BDP.

Nach Angaben der Stadtverwaltung könne der Weg angelegt werden, sobald die neue Turnhalle der Kaiserin-Augusta-Schule fertig ist. Sie soll im Zuge der geplanten Schulerweiterung entstehen. Der Baubeginn war zuletzt für den Mai 2018 angekündigt.