Köln – Sie waren die ersten, die die ersehnte Impfung bekamen: Die Bewohner in den Kölner Pflegeheimen gehören zu den acht Prozent der Bundesdeutschen, die schon vollständig geimpft sind. Und das seit Monaten. Nur: die ersehnte Normalität hat ihnen das bis heute nicht zurückgebracht und erst recht nicht ihre Freiheitsrechte. Während sich vollständig geimpfte Kölner schon darauf freuen, bald wieder ohne vorherigen Test zum Frisör gehen oder mehr als eine Person treffen dürfen, sind auch in diesen Tagen viele vollständig geimpfte Pflegeheimbewohner in strenger Quarantäne einsam in ihrem Zimmern isoliert. Dabei spielte bislang keine Rolle, dass über 90 Prozent der Bewohner geimpft und eine Herdenimmunität in vielen Einrichtungen somit längst erreicht ist.
Bei Heinz Neumann, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, war es eine nicht geimpfte Nachtschwester, die in ihrer Nachtschicht von Zimmer zu Zimmer ging, um nach dem Rechten zu sehen. Als zwei Tage später raus kam, dass sie sich mit der britischen Mutante infiziert hatte, hatte das nicht nur für sie Konsequenzen: Alle von ihr versorgten vollständig geimpften Bewohner wurden als enge Kontaktperson eingestuft und mit einer 14-tägigen strengen Quarantäne belegt: Wieder eingesperrt. Wieder kein Besuch. Nur Personal in voller Schutzkleidung betrat die Zimmer.
Kölner Seniorin: „Das war ganz schlimm“
Das seien leider keine Einzelfälle, bestätigt Elisabeth Römisch, Leiterin des Theo-Burauen-Hauses in Ehrenfeld. In vielen Einrichtungen – so auch in ihrer – gab es in letzter Zeit Fälle von Infektionen. Vielerorts waren es Infektionen von ungeimpften Pflegekräften, die für geimpfte Bewohner strenge Quarantäne nach sich zogen: „Das war ganz schlimm. Nach dem, was die Menschen an Isolation schon durchgemacht haben.“ Fast so etwas wie eine Retraumatisierung. Nur: Die Pflegeeinrichtungen hatten bislang keine Ermessensspielräume. In einem Schreiben, das ganz aktuell in dieser Woche über die Heimaufsicht an alle Pflegeeinrichtungen ging, beruft sich das Gesundheitsamt auf die Empfehlungen des RKI. Es teilt den Einrichtungen mit, dass Pflegepersonal mit vollständigem Impfschutz nun als enge Kontaktpersonen von der Quarantänepflicht ausgenommen sei. Für Bewohner gelte diese Ausnahmeregelung allerdings ausdrücklich nicht. Auch vollständig geimpfte Bewohner, die vom Gesundheitsamt als Kontaktperson einer mit Corona infizierten Person eingestuft würden, müssten weiter in strenge Einzel-Quarantäne. Die Begründung: Durch diese Bewohner könne das Virus auf ungeimpftes Personal und ungeimpfte Bewohner übertragen werden.
Für Cordula Sievers ist das zutiefst empörend. Auch im Kölner Heim ihrer Mutter sind derzeit vollgeimpfte Bewohner in Quarantäne, weil sie Kontakt zu einer infizierten Pflegerin hatten. „Das ist für mich Sippenhaft.“ Dass hilflose, pflegebedürftige Geimpfte eingesperrt und schon seit Monaten "dem Diktat des Schutzes selbst gewählt Ungeimpfter" unterworfen seien, sei nicht hinnehmbar. Die, die am meisten unter der Pandemie gelitten hätten, seien jetzt wieder diejenigen, die einfach eingesperrt würden. „Solidarität mit Ungeimpften sei kein ausreichender Grund für den Entzug von Freiheitsrechten."
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Doch für alle, die jetzt noch in den Kölner Pflegeheimen isoliert sind, gibt es Hoffnung: Die gestern vom Kabinett verabschiedete Verordnung sieht vor, das vollständig Geimpfte und Genesene von der Quarantänepflicht ausgenommen sind. Wenn diese Verordnung auch von Bundestag und Bundesrat verabschiedet ist, gelte dies zwingend auch für vollständig geimpfte oder genesene Bewohner von Pflegeheimen, erklärte die Sprecherin des Bundesjustizministerium, Ariane Keitel, auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Weder Landesregierungen noch Kommunen seien befugt, über Anordnungen der Heimaufsicht von diesen Regelungen abzuweichen, betonte sie. Ausnahmen davon gebe es nur, wenn die Kontaktperson mit einer in Deutschland noch nicht verbreitet auftretenden, besorgniserregenden Virusvariante infiziert ist.